Diskussion:Bundesparteitag 2012.1/Antragsportal/Satzungsänderungsantrag - 033

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In den meisten Fällen funktioniert Demokratie regelmäßig ausgesprochen kontra-intuitiv; für die verfassungsrechtlich unabdingbare, absolute Unzulässigkeit einer Stellvertretung in demokratischen Rechten gibt es jedoch sehr gute Gründe, die ich nachstehend am Beispiel der beantragten Satzungsänderung erläutern werde.

Sachliche Gründe gegen die beantragte Satzungsänderung:

Argument „soziale Hürde“:

Der Antragsteller begründet seine Forderung nach Zulässigkeit der Stimmrechtsübertragung primär mit „sozialen Hürden“, die vielen Piraten die Teilnahme an einem Bundesparteitag angeblich aus finanziellen Gründen verwehren würde; bei sorgfältiger Analyse wird jedoch offensichtlich, dass der Antragsteller nicht ganz zu Ende gedacht hat. Zunächst klingt das Argument plausibel, doch die tatsächlichen Beobachtungen widersprechen dem: Auf den Bundesparteitagen in Bingen, Chemnitz, Heidenheim und Offenbach waren überproportional viele Piraten anwesend, die offensichtlich am unteren Ende des ökonomischen Spektrums zu finden sind; die wenigen wohlhabenderen Piraten (der Antragsteller nennt sie die „Armani-Gucci-“ bzw. „Apple-Junghans-Fraktion“), die waren auf den gleichen BPT dagegen überhaupt nicht anwesend. Schon allein deshalb ist die behauptete Faktenbasis der Antragsbegründung offensichtlich höchst fragwürdig. Das Argument der „Finanzschwäche der Stimmberechtigten“ erklärt weiter gerade nicht, warum selbst bei Mitgliederversammlungen auf Kreisverbandsebene nur höchst selten mehr als 10% der stimmberechtigten Mitglieder erscheinen – auch und gerade dann, wenn der KV nur eine einzige Stadt umfasst. Wie aus der Organisationssoziologie schon seit den 20er Jahren bekannt ist, kommt das Phänomen der „Minderbeteiligung“ – je größer eine Vereinigung ist, desto kleiner ist regelmäßig der prozentuale Anteil der Aktiven – auch und gerade in nur lokal aktiven Vereinen vor; der Grund dafür ist die eindeutig beobachtete Tatsache, dass in jeder Vereinigung die Zahl der reinen „Mitläufer“ überproportional zur Gesamt-Mitgliederzahl steigt. Die Minderbeteiligung hat folglich rein gruppendynamische Ursachen, die mit der finanziellen Lage der einzelnen Mitglieder absolut nichts zu tun hat; weil es mit völliger Regelmäßigkeit auch und gerade bei Kreisparteitagen, ja selbst in nur lokal tätigen Vereinigungen auftritt, ist die Behauptung, die Zusammensetzung einer überregionalen Mitgliederversammlung würde nach der wirtschaftlichen Leistungskraft der Teilnahmeberechtigten verzerrt, diese Behauptung ist also nachweislich falsch. Doch selbst wenn diese Behauptung auch nur halbwegs zutreffen würde, dann würde sich selbst mit der Möglichkeit der Stimmrechtsübertragung an der Zusammensetzung eines überregionalen Parteitags ja nichts ändern; erscheinen würden auch dann immer nur die Leute, die es sich (vor allem zeitlich) eben leisten könnten. Wie eine Vielzahl organisationssoziologischer Studien in Großvereinen erwiesen hat, steigt dagegen mit dem wirtschaftlichem und dem Sozialstatus auch die Chance, zusätzliche Stimmrechte übertragen zu erhalten;[1] mit anderen Worten: Je prominenter oder vermögender ein Stimmberechtigter ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass er ausser seiner eigenen Stimme noch weitere, übertragene Stimmrechte vertritt. Wäre eine Stimmrechtsübertragung auch in politischen Parteien zulässig, dann würde der Unterschied bei Parteitagen im Wesentlichen nur darin bestehen, dass die anwesenden (angeblich wohlhabenderen) Parteitagsmitglieder nicht nur ihre eigenen Stimmen hätten (wie jetzt), sondern dann auch noch die Stimmrechte der Mitläufer zum Tragen bringen könnten, denen an den politischen Zielen der Partei weniger gelegen ist; das bedeutet im Klartext: Wenn Stimmrechtsübertragung in Politischen Parteien zulässig wäre, dann wären auf den Parteitagen im Wesentlichen immer noch die gleichen Leute, doch sie wären dann – abhängig von ihrer Finanzkraft – mit mehr Stimmrechten ausgestattet als sie ohne Übertragungsmöglichkeit hätten; folglich würde die angebliche „Lösung“ das behauptete Problem sogar noch verschärfen.

Argument „demokratisches Gehör“:

Ginge es nur um die eigentliche Abstimmung, dann ließen sich die behaupteten „sozialen Hürden“ sehr viel einfacher überwinden durch ein Urabstimmungssystem;[2] das Wesentliche an einem Parteitag sind aber nicht die Abstimmungen als solche, sondern die vorhergehende demokratische Willensbildung in Rede und Gegenrede, also die demokratische Debatte, die jedenfalls nach geltendem Gesetz durch keine andere Methode der Willensbildung ersetzt werden darf.[3] In der Antragsbegründung steht jedoch als Argument ausdrücklich auch der „... Vorteil, ihre Stimme hörbar zu machen, ...“; die Vertretung eines abwesenden Stimmberechtigten kann sich also nicht nur auf die reine Stimmabgabe beschränken, sondern soll zwingend auch die Vertretung im Rederecht umfassen.[4] Allein schon aus der Zulässigkeit der Vertretung auch im Rederecht ergibt sich jedoch zwangsläufig eine enorme Hebelwirkung: Noch bei jedem Parteitag war es schon aus rein tatsächlichen Gründen bisher leider unvermeidlich, eine Redezeitbegrenzung einzuführen (meist auf nur 2 min); wäre nun eine Vertretung abwesender Stimmberechtigter grundsätzlich zulässig, dann müssten die jeweiligen Vertreter folgerichtig auch entsprechend mehr Redezeit zugestanden erhalten als die Mitglieder, die „nur“ für sich selbst sprechen. Beim ausdrücklich beantragten Maximum von 12 Stimmrechts-Übertragungen ergäbe sich dann ein Verhältnis von 26 min Redezeit für jeden prominenten Vertreter, während einfache Basispiraten dagegen nicht länger als 2 min reden dürften; im Endeffekt wären folglich einfache Basispiraten auch dann aus der Diskussion verdrängt, wenn sie zum Parteitag selbst erschienen sind. Diesen völlig sicher zu erwartenden Verdrängungseffekt hat der Antragsteller zwar nicht näher ausgeführt, wohl aber offenbar gesehen; in seiner Antragsbegründung steht dazu ausdrücklich:

„Neben der Wahl, seine Stimme zu einem Parteitag an Andere zu delegieren (...) darf eine ‚Delegationspflicht‛ wie in anderen Parteien aber nicht sein – wer einen Antrag stellt, sollte die Möglichkeit haben, ihn selbst vorzustellen und auch selbst über ihn abzustimmen.“ (Hervorhebung von mir.)

Selbst in Vereinigungen mit satzungsgemäß rein repräsentativer Mitgliedervertretung ist es selbstverständlich, dass ein Antragsteller seinen eigenen Antrag zumindest selbst vertreten und auch mündlich selbst begründen darf; das gehört zu den elementarsten Grundsätzen schon des Rechtsstaats (der insoweit noch nicht einmal demokratisch zu sein braucht, geschweige denn freiheitlich).[5] Wenn nun der Antragsteller dieses an sich selbstverständliche Recht ausdrücklich erwähnt, dann lässt das nur die Folgerung zu, dass er durchaus beabsichtigt alle anderen Stimmberechtigten, die keine Abwesenden vertreten, sondern „nur“ für sich selbst sprechen, einfach aus der Diskussion heraus zu halten; so gesehen wären dann alle einfachen Basispiraten auf Parteitagen reduziert auf die Rolle simplen Stimmviehs. Sämtliche Diskussionen auf unseren Parteitagen wären dann völlig dominiert ausschließlich von Gruppenvertretern, die im Endeffekt damit auch jede innerparteiliche Willensbildung absolut beherrschen würden; wenn aber irgend welche Führertypen die innerparteiliche Willensbildung dominieren, dann kann von direkter Demokratie keine Rede mehr sein.

Argument „Gehör auch für die Gliederungen“:

Als weiterer Grund für die Einführung der Stimmrechtsübertragung bringt der Antragsteller vor, dass ohne die Möglichkeit der Stimmrechtsübertragung automatisch die Gebietsverbände begünstigt wären, die ihr Tätigkeitsgebiet in der Nähe des Veranstaltungsorts liegen; wörtlich steht dazu in der Begründung:

„Es ist gut, wenn auf dem BPT ... vor allem „Locals“ da sind. Trotzdem sollten andere Gebietskörperschaften die Möglichkeit haben, ihre Stimme über Stimmübertragungen hörbar zu machen.“ (Hervorhebungen von mir.)

Mit dem Wort „Gebietskörperschaften“ kann offensichtlich niemand anderes gemeint sein wie die Gebietsverbände als Gliederung der Gesamtpartei;[6] diese Gebietsgliederungen einer Politischen Partei haben jedoch schon kraft Gesetz das ausdrückliche Recht, sich auf Parteitagen der Gebietsverbände höherer Ebenen Gehör zu verschaffen. Der einschlägige § 15 Abs.3 Satz 2 PartG lautet wörtlich:

„In den Versammlungen höherer Gebietsverbände ist mindestens den Vertretern der Gebietsverbände der beiden nächstniedrigen Stufen ein Antragsrecht einzuräumen.“ (Hervorhebung von mir.)

Jedes Antragsrecht umfasst (wie gerade gezeigt, s.o.) auch zwingend das Recht, diesen Antrag selbst begründen zu dürfen; wie ein solcher Verbandsantrag im Einzelfall zustande kommt und wer dann jeweils die Gliederung vertritt, das richtet sich allerdings nach dem Satzungsrecht des antragstellenden Verbands. Hinsichtlich der Bundesparteitage sind bei uns die beiden „nächstniedrigen Stufen“ offensichtlich die Landes- und die Bezirksverbände bzw. - in den LV, die keine Bezirksgliederung haben - die Kreisverbände; schon wegen des elementaren demokratischen Grundsatzes der Gleichbehandlung allerdings müssen bei uns dann auch die Kreisverbände der LV mit Bezirksgliederung ein eigenständiges Antragsrecht zum Bundesparteitag haben.[7] Noch kleinere Gebietsverbände als auf Kreisebene haben wir aber nicht, also ist die Behauptung, ohne die Möglichkeit der Stimmrechtsübertragung könnten die Gebietsverbände nicht ausreichend Gehör finden, diese Behauptung ist wie gezeigt schon auf Grund des geltenden Rechts eindeutig falsch. Die z.Zt. geltende BPT-Geschäftsordnung geht sogar noch deutlich weiter; danach könnte ohne Weiteres selbst jede Crew aus nur drei Piraten einen förmlichen Antrag einbringen und – wie es in der Begründung zum Satzungsänderungsantrag steht – „zusammenlegen und einen der Ihren ... hinschicken“, der diesen Antrag dann vor dem BPT vertritt. Ja, weil gegenwärtig jeder Pirat sogar ein individuelles Antragsrecht hat, könnte das auch ein völlig informeller Personenkreis tun, an dem nur ein einziger antragsberechtigter Pirat beteiligt ist; die Möglichkeit der Stimmrechtsübertragung soll folglich offenbar nur deswegen in unsere Satzung, damit der „Vertreter“ die anderen besser überreden kann, ihn auch finanziell zu unterstützen. Auf die beabsichtigte auch finanzielle Entlastung der „Delegierten“ werde ich unten nochmals zurück kommen, doch wie gezeigt ist die Antragsbegründung schon insoweit eindeutig nichts anderes als ein Scheinargument offensichtlich pseudologisch-humiletischer Struktur.[8]

Argument „intransparente Kungelei“:

Zu Recht thematisiert die Antragsbegründung das Problem intransparenter Kungelei in anderen Parteien, daher ist es auch nicht nachvollziehbar, warum die Methode der Stimmrechtsübertragung bei uns noch weniger transparent gestaltet werden soll als das durch die Wahlsysteme für Delegierte in anderen Parteien der Fall ist; neben der Schriftlichkeit der Stimmrechtsübertragung verlangt der Antrag ausdrücklich nur:

„Die Akkreditierung des übertragenden Mitglieds findet durch eine von diesem gewählte Gebietskörperschaft der Partei statt.“ (Hervorhebungen von mir.)

Schon aus rein tatsächlichen Gründen (notwendiger Zugang zu den Mitgliederlisten als Akkreditierungsunterlagen) kommt dafür eigentlich nur ein Mitglied des Vorstands des Gebietsverbands[9] in Frage, dem das übertragungswillige Mitglied selbst angehört; so aber wie die Satzungsänderung formuliert ist, soll sich das übertragende Mitglied den akkreditierenden Verband beliebig aussuchen können, ohne Rücksicht darauf, ob dieser faktisch überhaupt in der Lage ist eine rechtmäßige Akkreditierung vorzunehmen, und von vorn herein soll die eigene Stimmberechtigung des übernehmenden Stellvertreters offenbar gar nicht geprüft werden. Stimmberechtigung, Verteilungsschlüssel und Wählbarkeit zu förmlichen Delegiertenwahlen, die nach einem geordneten Verfahren ablaufen, sind auch von einfachen Parteimitgliedern wenigstens einigermaßen zu überprüfen; die ausdrücklich beantragte Methode der Stimmrechtsübertragung jedoch würde jegliche Kontrollmöglichkeit der Basispiraten völlig ausschalten. Damit nicht genug; die ausdrücklich beantragte Methode der individuellen Stimmrechtsübertragung führt geradezu zwangsläufig zum Entstehen informeller Machtstrukturen: Wenn auf Parteitagen eine individuelle Vertretung im Stimmrecht zugelassen ist, dann dürfte es sich wohl von selbst verstehen, dass jeder, der vor hat selbst an einem Parteitag teilzunehmen, sich dann auch darum bemüht, möglichst viele Vertretungen zu übernehmen, jedenfalls so lange bis er die maximal zulässige Zahl an Stimmrechts-Übertragungen erreicht hat; die Chancen für ein Ausschöpfen dieses zulässigen Stimmen-Kontingents sind jedoch recht ungleich verteilt. Selbst im kleinsten Kreisverband entscheiden sich erfahrungsgemäß selten mehr als 10% der Mitglieder dafür, an einem überregionalen Parteitag persönlich Teil zu nehmen; die anderen 90% können deshalb gefragt werden, ob sie – wenn sie schon nicht selbst fahren – ihr Stimmrecht wenigstens übertragen, damit ihre Stimme „nicht verloren geht“. Die voraussichtlichen Nicht-Teilnehmer fragen können aber gerade nicht nur „‛medienwirksame‛ und/oder sehr gut vernetzte Piraten“, wie die Antragsbegründung stillschweigend unterstellt; die meisten Möglichkeiten, andere Piraten nach Übertragung ihres Stimmrechts fragen zu können, die haben vielmehr diejenigen Leute, die auch Zugriff haben auf die vollständige Mitgliederliste ihres jeweiligen Gebietsverbands – und das sind zwangsläufig die jeweiligen Vorstandsmitglieder. Ein KV-Vorstand hat nur Zugriff auf die Mitgliederliste seines KV, der Vorstand eines Bezirksverbands jedoch auf alle Mitgliederadressen seines Bezirks, und der LV-Vorstand sogar auf alle Mitglieder seines Landesverbands; allein schon wegen der Zahl der Stimmberechtigten, die als Überträger in Frage kommen, steigt also die Chance, dass sie das zulässige Kontingent an übertragenen Stimmrechten ausschöpfen, für Vorstandsmitglieder mit der Ebene der Gliederung, in deren Vorstand sie sitzen.[10] Die gewählten Mitglieder eines Vorstandes stimmen in aller Regel zumindest in den meisten politischen Fragen mit einander überein; weiter gibt es in fast allen Gebietsverbänden auch solche Parteimitglieder, die notwendige Funktionen ausüben, ohne aber in ein satzungsrechtlich definiertes Amt gewählt worden zu sein, sondern wurden bestenfalls durch Vorstandsbeschluss berufen.[11] Wenn die Zusammenarbeit zwischen diesen Funktionsträgern (die auf überregionalen Parteitagen erfahrungsgemäß auch viel häufiger anzutreffen sind als einfache Basispiraten ohne jede Funktion) und den einzelnen Vorstandsmitgliedern klappt, dann besteht notwendig auch ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Vorstands-„Beauftragten“ bzw. „-Helfern“ und gewählten Vorstandsmitgliedern, d.h. sie stimmen zumindest grundsätzlich überein. Hat ein Vorstandsmitglied mit Zugriff auf die Mitgliederliste nun sein zulässiges Stimmenkontingent von 12 Übertragungen schon ausgeschöpft, dann liegt es doch nahe, dass er einen (oder mehrere) seiner Vertrauten „Helfer“, der ebenfalls auf den Parteitag fahren wird und mit dem er grundsätzlich übereinstimmt, darum bitten wird sich ebenfalls um noch nicht übertragene Stimmrechte zu bemühen, bzw. er wird die Stimmrechtsübertragungen ausdrücklich vermitteln, schon damit „die Stimme dem Verband nicht verloren geht“; die faktische Möglichkeit dazu haben Vorstandsmitglieder ja schon auf Grund ihres Zugriffsmonopols auf die Mitgliederlisten. Die große Mehrheit der einfachen Basispiraten ohne Amt oder Funktion dagegen hat diese Möglichkeiten gerade nicht und ist deshalb hinsichtlich der Chancen auf eine Stimmrechtsübertragung auf rein persönliche Bekanntschaften angewiesen; in Kombination mit dem Zugriffsmonopol auf die Mitgliederlisten würde sich folglich schon allein aus der grundsätzlichen Zulässigkeit individueller Stimmrechtsübertragungen zwangsläufig auch dann eine Blockbildung von Stimmrechten ergeben, wenn die Übertragungen auf einzelne Personen zahlenmäßig begrenzt sind. Jede Stimmen-Blockbildung ist gleichbedeutend mit einer Machtkonzentration bei den jeweiligen Gruppen-Führern der einzelnen Stimmenblöcke; auch und gerade dann, wenn Kettendelegationen formal unzulässig sind. Schon aus rein tatsächlichen Gründen jedoch ist die Chance, sich zum Gruppenführer aufzuschwingen, wie gezeigt für Vorstandsmitglieder und ihren Vertrauten weit größer als für einfache Basispiraten. Wenn nun individuelle Stimmrechtsübertragungen überhaupt zugelassen sind, dann führt das also zwangsläufig zu einer Verschiebung der innerparteilichen Willensbildung weg von der Parteibasis und hin zu informellen Kungelrunden wie bei den Bündnisgrünen. Auch hier zeigt sich also: die ausdrücklich beantragte „Lösung“ würde das behauptete Problem sogar noch verschärfen.

Argument „Zuschussmöglichkeit für Stimmrechtsvertreter“:

Der Schlusssatz der Antragsbegründung sagt zur Möglichkeit von Kettendelegationen:

„Zum Abbau der ‚sozialen Schranke‛ ... sind sie jedenfalls eine gute Sache.“

Ein relativ unscheinbarer Klammersatz in der Antragsbegründung lässt weiter die Folgerung zu, dass langfristig nicht nur eine diskursive Dominanz der Gruppenführer beabsichtigt ist; dieser Klammersatz lautet wörtlich:

„.. und die sind dann so überschaubar, daß ein LV und/oder der BuVo ihre Fahrt finanzieren kann“ (Hervorhebung im Original).

Es mag nachvollziehbar sein, wenn ein Landesverband seinen gewählten Delegierten einen Zuschuss zu den Fahrtkosten geben mag, doch warum gerade der Bundes-Vorstand die Fahrt individueller Vertreter finanzieren soll, dafür ist zunächst keinerlei Sachgrund erkennbar; weil jedoch ausdrücklich eine individuelle Stimmrechtsübertragung beantragt ist liegt es nahe anzunehmen, dass hier beabsichtigt ist den Zuschuss abgestuft nach Zahl der Übertragungen zu bemessen; im Klartext: Je mehr Stimmrechte ein Parteitagsmitglied vertritt, desto höher soll sein Zuschuss ausfallen. Auch diese beabsichtigte Regelung führt offensichtlich zur Konzentration der innerparteilichen Willensbildung auf einige wenige Personalprälaturen, während einfache Basispiraten langfristig nicht nur aus der Debatte, sondern sogar physisch aus den Parteitagen verdrängt werden sollen.

Zusammenfassung:

  1. Der behauptete Effekt, die Zusammensetzung eines überregionalen Parteitags würde durch die finanzielle Situation der Mitglieder stark verzerrt, kommt bei uns nachweislich gar nicht vor; das Ausgangsargument der Antragsbegründung ist also schon dem Grunde nach ungültig.
  2. Würde es den behaupteten Effekt dagegen bei uns geben, dann könnte ihn die beantragte „Lösung“ nur verschärfen, aber niemals vermindern oder gar beheben.
  3. Alle Gliederungen der Partei haben kraft Gesetz schon jetzt das Recht auf Parteitagen gehört zu werden; auch hier bringt eine Stimmrechtsübertragung keinerlei Vorteil.
  4. Das Rederecht auf Parteitagen ist auch seinem Maß nach rechtlich untrennbar verbunden mit dem Stimmrecht; in der Debatte würden Stimmrechtsvertreter daher unausweichlich dominieren, was einfache Basispiraten reduziert auf die Rolle von Stimmvieh.
  5. Schon aus Natur der Sache ist eine individuelle Stimmrechtsübertragung für einfache Basispiraten völlig unkontrollierbar; deswegen besteht hier weit weniger Transparenz als bei förmlichen Delegiertenwahlen, und deshalb wird durch Stimmrechtsübertragungen die Gefahr der Kungelei sogar noch vergrößert.
  6. Das Zulassen individueller Stimmrechtsübertragungen führt insbesondere wegen der ungleich verteilten Chancen auf Stimmrechtsübernahmen, also schon aus rein tatsächlichen Gründen, zwangsläufig zur Ausbildung informeller Machtstrukturen; im Endeffekt würde sich die innerparteiliche Willensbildung also verlagern weg von den Parteibasis und hin zu einigen, relativ wenigen Führertypen.
  7. Die Blockbildung ist ein kaskadierter Domino-Effekt mit enormer Eigendynamik und damit völlig unabhängig von einer Begrenzung der Anzahl übernommener Stimmrechte; würden die Vertreter von Stimmenblöcken dann auch noch bezuschusst (wie ausdrücklich vorgesehen), dann sind im Endeffekt alle einfachen Basispiraten selbst physisch von der Willensbildung auf Parteitagen völlig ausgeschlossen.

Die beantragte Satzungsänderung, die uns hier als „Verbesserung“ demokratischer Verhältnisse verkauft werden soll, würde also zu nichts anderem führen als zum Abschaffen der innerparteilichen Demokratie; aus den oben genannten Gründen verbietet das PartG sogar ausdrücklich die Möglichkeit der Vertretung in demokratischen Rechten, die anders übertragen wird als durch förmliche Wahlen von Verbandsdelegierten. Verstöße gegen zwingende Regelungen des PartG führen schon infolge des rechtlichen Vorrangs gesetzlicher Normen ausnahmslos zur Nichtigkeit der Satzung; an ihre Stelle tritt dann die einschlägige gesetzliche Regelung, ohne dass es zur Begründung der Nichtigkeit der Satzung eines Rückgriffs auf andere Rechtsquellen bedarf.[12] Selbst wenn der BPT die beantragte Satzungsänderung beschließen würde, bliebe es daher schon von Rechts wegen bei der ausschließlichen Selbstvertretung; dafür gibt es auch rechtlich zwingende Gründe, die ich unten noch näher erläutern werde. Gegen die nachstehende Argumentation wird regelmäßig eingewandt, in der FDP-Satzung gäbe es die Stimmrechtsübertragung; dabei übersehen die Kritiker jedoch einige wesentliche Unterschiede der FDP-Bundessatzung zur hier beantragten Satzungsänderung: Erstens darf auch ein Delegierter zum FDP-Bundesparteitag neben seiner eigenen Stimme auch theoretisch nur eine einzige weitere Stimme vertreten;[13] selbst wenn dann Klagen gegen FDP-Bundesparteitagsbeschlüsse erhoben werden, die mit formaler Nichtigkeit begründet sind, könnte es deshalb immer nur auf einige, relative wenige Stimmen ankommen,[14] weshalb eine Machtkonzentration nicht stattfinden kann. Zweitens dürfte auch ein FDP-Delegierter sein Stimmrecht immer nur an einen anderen gewählten Delegierten seines eigenen Landesverbandes übertragen;[15] der Stellvertreter wäre also ebenfalls gewählt statt ernannt und hätte folglich zumindest ein Basismandat des jeweiligen Landesparteitags. Drittens – und das ist rechtlich das Wichtigste – machen die FDP-Delegierten von der vorgesehenen Stimmübertragung de facto gar keinen Gebrauch mehr; wie alle anderen etablierten Parteien wählt die FDP schon seit Jahren zusammen mit den eigentlichen Delegierten auch Ersatzdelegierte, die ggf. an die Stelle ausgefallener Primärdelegierter treten. Die Möglichkeit der Stimmübertragung steht also auch bei der FDP-Bundessatzung nur noch auf dem Papier; nach einigen Klagen kommt ein doppeltes Stimmrecht auch bei FDP-Bundesparteitagen tatsächlich gar nicht mehr vor.

Rechtliche Gründe der absoluten Unzulässigkeit einer Stellvertretung in demokratischen Rechten:

Stimmübertragung in Idealvereinen:

Der Antragsteller beruft sich ausdrücklich auf die Rechtslage in Vereinen, die gerade keine Politischen Parteien sind, sondern so genannte „Idealvereine“; dort ist eine Stimmdelegation u.U. rechtlich zulässig, wenn auch nur in sehr engen Grenzen. In dem juristischen Fachaufsatz, den der Antragsteller zitiert und selbst darauf verlinkt[16], ist die wichtigste dieser rechtlichen Grenzen sogar ausdrücklich ausgeführt: Schon bevor eine Stimmrechtsdelegation stattfindet, muss die Tagesordnung der Vereinsversammlung exakt bekannt sein;[17] dann und nur dann ist eine Stimmrechtsübertragung in Vereinen rechtlich auch zulässig. Ist das jedoch nicht der Fall, dann ist eine Stimmrechtsdelegation auch in Idealvereinen rechtlich unzulässig. Sowohl aus tatsächlichen als auch schon aus rechtlichen Gründen (Autonomie des willensbildenden Organs einer Politischen Partei) ist bei Parteitagen eine vorab bekannte und dann unveränderliche Tagesordnung objektiv unmöglich, folglich kann und darf die Tagesordnung eines Parteitags immer erst von der Versammlung selbst festgestellt werden; dagegen muss das bei Idealvereinen nicht unbedingt so sein. Schon wegen dieses wesentlichen Unterschieds kommt bei Politischen Parteien eine Stimmrechtsübertragung von vorn herein nicht in Frage; es gibt aber noch weitere rein rechtliche Gründe:

Subsidiarität des Vereinsrechts:

Vereinsrechtliche Vorschriften sind gegenüber parteienrechtlichen Regelungen immer nur dann anwendbar, wenn Regelungsbedarf besteht, aber im spezielleren Parteienrecht keine Regelung existiert (Rechtsgrundsatz der lex specialis); Vereinsrecht ist jedoch auch in einem solchen Fall immer nur analog anwendbar. Der Grund dafür, warum Vereinsrecht nur sehr bedingt auf Politische Parteien angewandt werden darf, der liegt vor allem in der verfassungsrechtlichen Funktion Politischer Parteien: In Deutschland besteht die verfassungsrechtlich privilegierte Stellung einer Politischen Partei vor allem deshalb, weil Sinn und Zweck einer Politischen Partei nichts anderes ist als der, die Willensbildung des Volkes demokratisch zu organisieren; darum sind Politische Parteien schon von Verfassungs wegen[18] auch zu innerparteilicher Demokratie verpflichtet.[19] Nach den geltenden Gesetzen jedoch ist das auch in Idealvereinen, die weder Politische Partei noch sonstige organisierte Wählergruppe sind (die ja u.U. bei politischen Wahlen antreten kann), aber gerade nicht so: Rechtsfähige Vereine (also Idealvereine mit eigener Rechtspersönlichkeit, sog. „e.V.“) müssen sich prinzipiell nur an die Minimalvorschriften der §§ 21 ff BGB halten, und selbst davon sind die meisten Regelungen, die innere Demokratie erst begründen, so genanntes jus dispositivum, d.h. sie können durch die Vereinssatzung abbedungen werden (das betrifft vor allem die Vorstandsberufung nur durch die Mitgliederversammlung, Mindestanforderungen an Beschlüsse in Versammlungen und Vorstand, Mehrheiten einschließlich Satzungsänderungen, sowie die Ausübung der Rechte aus der Mitgliedschaft)[20]. Vereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit[21] dagegen müssen noch nicht einmal diese Mindestbedingungen erfüllen; für sie gelten nur die gesetzlichen Regelungen wie für eine BGB-Gesellschaft,[22] mit anderen Worten: Solange sie nicht als solche bei öffentlichen Wahlen antreten wollen, müssen Vereine noch nicht einmal ansatzweise demokratisch sein; deswegen kann eine Stimmrechtsübertragung bei ihnen durchaus rechtlich möglich sein (kann, muss aber nicht!) – und die meisten deutschen Vereine sind alles andere als demokratisch, sondern schon dem Grunde nach eher faschistisch.

Politische Parteien dagegen müssen schon wegen ihrer verfassungsrechtlichen Funktion stets demokratisch organisiert sein; deshalb darf auf sie Vereinsrecht (selbst analog) nur dann angewandt werden, soweit die innerparteiliche Demokratie davon nicht berührt wird. Rede-, Antrags- und Stimmrecht sind (genau so wie das Wahlrecht bei staatlichen Wahlen) nach ganz herrschender Meinung stets höchst persönliche Rechte der Parteitagsmitglieder; Art.21 Abs.1 Satz 3 GG schließt deshalb definitiv aus, dass § 38 Satz 2 durch die Parteisatzung abbedungen wird. Daraus folgt mit zwingender Logik: Eine wie auch immer geartete Stellvertretung bei der Stimmabgabe in Parteitagen ist ausnahmslos unzulässig.[23] Vereinsrecht wäre deshalb selbst dann nicht anwendbar (auch nicht analog), wenn sich für die Frage der Zulässigkeit einer Stimmdelegation keine spezialgesetzliche Regelung zu finden ließe; das PartG hat diese Frage aber schon eindeutig geregelt.

Zwingende Regelungen im Parteiengesetz:

§ 8 Abs.1 Satz 2 PartG lautet:

„Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß in den überörtlichen Verbänden an die Stelle der Mitgliederversammlung eine Vertreterversammlung tritt, deren Mitglieder für höchstens zwei Jahre durch Mitglieder- oder Vertreterversammlungen der nachgeordneten Verbände gewählt werden.“ (Hervorhebungen von mir.)

Parteitage bestehen folglich entweder aus gewählten Delegierten oder aber nur aus Parteimitgliedern (als Mitgliederversammlungen); dagegen sind alle Mischformen rechtlich ausnahmslos unzulässig. Wenn Parteimitglieder satzungsgemäß auch Mitglieder eines Parteitags sind, dann können sie zunächst nur für sich selbst sprechen und abstimmen; ein Mandat hat jedoch per definitionem nur derjenige, der auf Grund eines ausdrücklichen Auftrags befugt ist für eine andere Person zu handeln.[24] In Parteitagen, die satzungsgemäß als Mitgliederversammlungen stattfinden, kommt ein Mandatsverhältnis daher überhaupt nicht vor; umgekehrt sind Parteitage, die satzungsgemäß als Vertreterversammlung stattfinden, schon per definitionem Versammlungen ausschließlich von Inhabern eines Mandats. § 8 Abs.1 Satz 2 PartG besagt nun weiter, dass Parteitags-Vertreter gerade nicht von den einzelnen Mitgliedern individuell ernannt werden dürfen, sondern stets demokratisch gewählt werden müssen durch andere Versammlungen (nämlich die Parteitage der nachgeordneten Verbände); nach PartG haben Parteitagsmitglieder deshalb niemals ein Individualmandat, sondern immer ein Elektoralmandat aus einer Wahl durch eine regional definierte Gruppe, mit andern Worten: Weil sie nur eine formaljuristische, aber keine demokratische Legitimation vermitteln kann, verbietet § 8 Abs.1 Satz 2 PartG ausdrücklich jede individuelle Bevollmächtigung für Parteitage.

Wie oben gezeigt ist für Parteitage jede Mischform aus Mitglieder- und Vertreter-Versammlung schon von Rechts wegen definitiv ausgeschlossen; jedes Mitglied eines Parteitags kann deshalb immer nur entweder in eigenem Namen abstimmen (Mitgliederversammlung) oder aber als gewählter Vertreter in einer Vertreterversammlung. Wäre in unserer Satzung dagegen für Parteitage eine Stellvertretung im Stimmrecht zugelassen, dann könnten unsere Parteitage allein schon deshalb gar keine rechtsgültigen Beschlüsse mehr fassen, weil sie im Sinn des PartG gar keine Parteitage mehr wären; weiter würde eine Stellvertretung im Stimmrecht zu rechtlich unzulässiger Blockstimmenbildung führen. § 10 Abs.2 Satz 1 PartG besagt, dass alle Mitglieder von Parteiorganen jeweils gleiches Stimmrecht haben müssen, wobei diese Gleichheit genau wie im Wahlrecht strikt formal zu verstehen ist; nach PartG ist jede wie auch immer geartete Abstufung von Stimmrechten vor allem deswegen ausnahmslos unzulässig,damit die Bildung formaler Stimmenblöcke sicher ausgeschlossen wird[25]. Könnte ein Parteitagsmitglied nun nicht nur seine eigene Stimme zum Tragen bringen, sondern auch stellvertretend für andere Piraten mit abstimmen, die auf dem jeweiligen Parteitag gar nicht anwesend sind, dann wäre die Versammlung nicht nur eine rechtlich unzulässige Mischform; dieser Stellvertreter hätte dann auch mehr Stimmen als andere Mitglieder dieses Parteitags, was nach PartG ausdrücklich unzulässig ist.

Jedes demokratisches Wahl- oder Stimmrecht ist schon seinem Wesen nach ein Individualrecht; das Prinzip gehört zum fundamentalen Kernbestand der Demokratie (deutlich: „one man, one vote!“), der nach Art.20 Abs.1 GG i.V.m. Art.79 Abs.3 GG absolut geschützt ist;[26] alle Systeme, die Stellvertretung, treuhänderische Ausübung oder gar eine Übertragung des Stimmrechts auch nur zulassen, sind deshalb prinzipiell undemokratisch[27] und folglich auch für eine Politische Partei absolut unzulässig. Wer dagegen etwas anderes behauptet, der kann sich Politik erfahrungsgemäß nicht anders organisiert vorstellen als nach dem Prinzip von „Führer“ und „Gefolgschaft“; doch dass hatten wir schon mehrfach – und zwangsläufig führt es immer in eine Katastrophe.

Oliver T. Vaillant 12:39, 21. Apr. 2012 (CEST)


  1. Statt vieler Bohnsack et al.: „Repräsentation der Mitgliederschaft in überregionalen Großvereinen“, in Kölner Zeitschrift für Soziologie 1992, S.453 ff; m.w.N.
  2. Was in Deutschland leider rechtlich unzulässig ist; nach § 9 Abs.3 PartG i.V.m. § 6 Abs.2 Nr.11 PartG setzt die Zulässigkeit jeder Urabstimmung einen vorhergehenden rechtsgültig zustande gekommenen Parteitagsbeschluss voraus, der dann durch das Ergebnis einer Urabstimmung nur bestätigt, geändert oder aufgehoben werden kann; insoweit ist direkte Demokratie in Deutschland durch das PartG ausdrücklich verboten. Diese ziemlich undemokratische Gesetzeslage ist jedoch ein ganz anderes Problem, das mit dem vorliegenden Satzungsänderungsantrag nichts zu tun hat.
  3. Vgl. dazu Augsberg in Kersten/Rixen (ed.): Parteiengesetz (PartG) und europäisches Parteienrecht, Kommentar (2009), § 9 Rn.19, m.w.N.
  4. Vgl. dazu Wißmann in Kersten/Rixen § 10 Rn.13; Ipsen: PartG § 10 Rn.10.
  5. Vertretungszwang selbst für Antragsteller ist dagegen nur in einigen Religionsgemeinschaften vorgeschrieben (nicht in allen), denn Religionsgemeinheiten brauchen sich auf Grund Art.4 Abs.2 GG i.V.m. Art.137 Abs.3 WRV noch nicht einmal an rechtsstaatliche Grundregeln halten.
  6. Begriffsklärung: Körperschaften sind definiert als juristische Personen des öffentlichen Rechts, die erst durch ein förmliches Gesetz geschaffen wurden; die persönliche Mitgliedschaft in diesen kann daher nicht auf Freiwilligkeit beruhen. Mitunter werden auch handelsrechtliche Kapitalgesellschaften (wie z.B. GmbH und AG) bezeichnet als „zivilrechtliche Körperschaften“, doch sie setzen sich nicht aus Personen zusammen, sondern nur aus Kapitalia ohne eigene Rechtspersönlichkeit; die Personengesellschaften des Handelsrechts dagegen (oHG und KG) bestehen sehr wohl aus Personen, werden aber niemals als „Körperschaften“ bezeichnet. Politische Parteien dagegen sind (jedenfalls nach deutschem Recht) eine Organisationsform der Zivilgesellschaft; nach geltendem Gesetz entstehen sie ausschließlich als freiwillige Zusammenschlüsse natürlicher Personen zum Zweck der Einflussnahme auf die politische Willensbildung. Folglich schließen sich die juristischen Begriffe „Körperschaft“ und „Politische Partei“ schon per definitionem gegenseitig aus; eine Vereinigung, die als Körperschaft organisiert ist, kann schon deshalb noch nicht einmal Teil einer Politischen Partei sein. Die einzige Vereinigung in der deutschen Geschichte, die zwar als Politische Partei auftrat, aber trotzdem den Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hatte, das war übrigens (allerdings erst nach der Machterschleichung 1933) niemand anderes als die NSDAP ...
  7. Analog § 15 Abs.2 Satz 1 PartG i.V.m Art.3 Abs.1 und Art.21 Abs.1 Satz 3 GG.
  8. Humiletik ist der theologische Fachausdruck für die „Kunst“ der Missionierung Andersgläubiger; de facto ist Humiletik nichts anderes als die religiös nur verbrämte Lehre effektiver Gehirnwäsche.
  9. Zum falschen Gebrauch des juristischen Begriffs „Körperschaft“ im hier vorliegenden Antrag s.o. Fn.6.
  10. Der Effekt ist allgemein bekannt unter der Bezeichnung „Prämie der Macht“.
  11. Stimmberechtigte Vorstandsmitglieder dürfen nie kooptiert werden (Kooptation ist Aufnahme in den Vorstand, bei dem schon gewählte Vorstandsmitglieder noch weitere Personen hinzu wählen), sondern nur durch eine Fremdwahl (was allerdings ggf. auch eine staatliche Wahl sein darf, wie bei Abgeordneten, die qua Mandat auch Sitz und Stimme im Vorstand haben); alle Funktionsträger wie z.B. Vorstandsbeauftragte u.ä. dürfen deshalb nicht einmal bei Meinungsbildern im Vorstand mit abstimmen, sonst ist der Folgebeschluss von vorn herein nichtig. Gleiches gilt auch für Mitglieder von Vertreterversammlungen aller Art; vgl. dazu Augsberg in Kersten/Rixen § 9 Rn.10 f, m.w.N.; so schon Seifert: Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland (1975), S.232.
  12. Ebenso statt vieler: Augsberg in Kersten/Rixen Art.6 Rn.24, S.187 f; Morlok in Dreier: GG, Art.21 Rn.121 Fn.398; Henke in BK GG, Art.21 Rn.260; Reichert: HbVVR, Rn.405 ff.
  13. § 13 Abs.7 Satz 1 der FDP-Bundessatzung
  14. Nach dem Prinzip der Mandatsrelevanz; also nur bei sehr knappen Mehrheiten, bei denen selbst einzelne Stimmen relevant sein können.
  15. § 13 Abs.5 Satz 1 der FDP-Bundessatzung
  16. Klaus Kniep und Florian Wörtz: „Zulässigkeit der Mehrheitsbeschaffung mittels Stimmrechtsübertragung“, [www.kanzlei-heilbronn.de/mehrheitsbeschaffung-stimmrechtsuebertragung.html], insb. Pt. 4b, vgl. a.z.F.
  17. § 32 Abs.1 Satz 2 BGB
  18. Art.21 Abs.1 Satz 3 GG
  19. Der Begriff „Faschismus“ wirkt nur deswegen so schillernd und kaum fassbar, weil real existierender Faschismus im Grunde völlig unpolitisch ist; schon deshalb kann er seinem Wesen nach keinerlei verbindliche Inhalte haben (und genau deswegen auch in jeder politischen Richtung auftreten); im Gegensatz dazu bezieht sich der Begriff „Demokratie“ von vorn herein gar nicht auf konkrete politische Forderungen oder Programme, sondern a priori immer nur auf die Organisationsform politischer Willensbildung. Im heutigen Deutschland ist das politische Grundproblem prinzipiell nichts anderes als die eindeutig zu beobachtende Tatsache, dass alle etablierten Parteien inzwischen wieder so funktionieren wie schon zu Zeiten der Weimarer Republik – vom Prinzip der innerparteilichen Demokratie haben sie sich längst verabschiedet. Wenn es nun in Staat oder Gesellschaft einerseits mehrere Parteien gibt, die zwar durchaus in demokratischen Formen und Verfahren mit einander konkurrieren, doch andererseits die interne Willensbildung jedenfalls in den Parteien, die im Parlament vertreten sind, mehrheitlich gerade nicht rein demokratisch zustande kommt (sei es nun aus satzungsrechtlichen oder auch nur aus rein tatsächlichen Gründen), dann handelt es sich bei dem Gesamtsystem per definitionem um nichts anderes als die Grundform des Faschismus – völlig unabhängig davon, was die etablierten Parteien an politischen Inhalten nun vertreten mögen; genau das wiederum ist auch der Grund, warum in Art.21 Abs.1 Satz 3 GG die Pflicht Politischer Parteien zu innerparteilicher Demokratie ausdrücklich vorgeschrieben ist. Das Willhelminische Kaiserreich war zwar militaristisch und gewiss alles andere als eine Demokratie, aber – Reichstagsabgeordnete wurden als individuelle Personen gewählt und waren erstaunlich häufig sogar parteilos – es war in diesem Sinne gerade nicht faschistisch, während die Weimarer Republik nicht erst seit Auftreten der Nazis faschistisch war, sondern in diesem Sinn schon von Anfang an.
  20. § 40 BGB
  21. Die wichtigsten davon sind Gewerkschaften u.ä. „nicht rechtsfähige“ Vereinigungen.
  22. § 54 BGB, §§ 705 ff BGB; noch weniger Regeln einhalten müssen nur Religionsgemeinschaften; wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der ungestörten Religionsausübung (aus Art.4 Abs.2 GG) dürfen sie sogar offen faschistisch sein, was fast alle tatsächlich auch sind (nicht nur sog. Sekten).
  23. Ebenso statt vieler Augsberg in Kersten/Rixen § 15 Rn.36; vgl. Weick in Staudinger: BGB § 38 Rn.4; Reuter in MüKo BGB § 38 Rn.69.
  24. Die Begriffe „Mandat“ und „Mandant“ kommen vom lat. ex manus dare, wörtlich: „aus der Hand geben"; der Inhaber eines Mandats fungiert also wie die Hand eines anderen (des Mandanten), dem die Handlungen des Mandatsinhabers auch dann genau so wie eigene Handlungen zugerechnet werden, wenn der Mandatar seine Ermächtigung überschreitet. Ein Mandat setzt rechtlich voraus, dass die Befugnis für andere zu handeln, im Einzelfall übertragen wurde; ein Rechtsanwalt hat deshalb nur dann ein Mandat seines Mandanten, wenn dieser ihn ausdrücklich bevollmächtigt hat, und ein Abgeordneter hat sein Mandat aus einer (demokratischen) Wahl. Kinder wiederum können ihre Eltern sich nicht aussuchen; die Eltern (o.a. Inhaber der „Sorge“ für Unmündige) sind zwar kraft Gesetz befugt, ihre Kinder rechtlich zu vertreten, doch weil sie niemand aus eigenem Recht damit beauftragt hat, können sie auch prinzipiell gar kein Mandat haben. Aus dem gleichen Grund ist ein Mandat „kraft Berufs“ logisch unmöglich; wenn z.B. Pädagogen o.a. Betreuer behaupten, sie hätten ein Mandat der Betreuten, dann ist das logisch genauso falsch wie die Behauptung eines allgemeinpolitischen „Mandat“ der Studentenschaft für das gesamte Volk. Ein Mandat unterscheidet sich weiter von der schlichten Vertretung (z.B. nach § 84 HGB) vor allem darin, dass gegenüber Dritten ein Mandat grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann; im Aussenverhältnis ist ein Mandatar deshalb nicht an Aufträge oder Weisungen gebunden, kann jedoch im Innenverhältnis zum Mandanten ggf. schadensersatzpflichtig werden.
  25. Vgl. Wißmann in Kersten/Rixen Art.10 Rn.13 f; vgl. a.z.F.
  26. Alle Gesellschaften, die eine Stellvertretung im Wahlrecht oder im Stimmrecht auch nur zulassen – unter welchen Bedingungen auch immer – sind also schon per definitionem gerade keine Demokratie.
  27. Vgl. dazu W. Schreiber: Bundeswahlgesetz, Kommentar, 8.ed. 2009, § 14 Rn.13, § 12 Rn.10, m.w.N.

Doch Verstoß gegen PartG

Das geht ja mal überhaupt nicht. Dieser Antrag ist ein klarer Verstoß gegen das Parteiengesetz, insbesondere §10 Abs. 2 Satz 1. --Signatur nachgetragen: e) 09:20, 13. Apr. 2012 MichaelG

Nein. http://www.gesetze-im-internet.de/partg/__10.html besagt in Abs. 2 Satz 1: "Die Mitglieder der Partei und die Vertreter in den Parteiorganen haben gleiches Stimmrecht." Eine Stimmübertragung führt dazu, daß ein Mitglied mit SÜ das Stimmrecht im Namen des anderen, akkreditierten Mitgliedes (dem Delegierenden) überträgt.
Wenn das wirklich "ja überhaupt nicht" ginge, dann wäre es bei den anderen Parteien nicht in der Satzung, oder? (z.B. FDP)
Ansonsten empfehle ich dem Link zum Rechtlichen zu folgen, den ich in dem Antrag gepostet habe. --Dingo 15:29, 13. Apr. 2012 (CEST)

DOCH: Es verstößt gegen § 8 Abs.1 Satz 2 PartG (siehe oben) --Oliver T. Vaillant 12:49, 21. Apr. 2012 (CEST)