Diskussion:Bundesparteitag 2012.1/Antragsportal/Programmantrag - 045

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Unterstützend möchte ich das Augenmerk auf eine weitere Problematik lenken: Die Nettoneuverschuldung des Bundes lag in den letzten Jahren höher als Zins und Tilgung (was de facto nur Zinszahlung heißt, da ja per Saldo seit den sechziger Jahren nicht mehr getilgt wurde). Das heißt, neue Schulden werden eigentlich nur aufgenommen, um alte Schulden zu bezahlen, und die Schulden früherer Jahrzehnte reduzieren die Handlungsfreiheit des Bundes für Soziales, Investitionen usw. um die Differenz aus Schuldendienst minus Neuverschuldung. Für Länder und Kommunen öffnet sich die Schere teilweise noch wesentlich stärker.

Es wird häufig behauptet, die Schuldenbremse wäre unsozial. Aber schon jetzt reduzieren die öffentlichen Schulden die Möglichkeiten für Sozialleistungen in Milliardenumfang.

Quellen: Ausgabenstruktur 2012 und Schuldenentwicklung. KW

Ich bin wirklich froh, dass ein solcher Antrag zur Abstimmung steht. Das Anhäufen von Schulden hat in diesem Land ein nie gekanntes Ausmaß angenommen. Dabei sind die finanziellen Lasten aus der demographischen Entwicklung noch nicht einmal berücksichtigt. Der IWF beziffert sie auf 2 Billionen Euro, falls die Lebenserwartung bis 2050 um nur 3 Jahre steigt. Damit wären wir bei einer Schuldenlast wie sie jetzt Griechenland hat - also pleite. Ich finde es unverantwortlich, wie die etablierten Parteien - und damit meine ich alle - mit diesem Thema umgehen. Es ist verantwortungslos ggü. der jungen Generation und ggü. deren Kindern. Eigentlich muss man viel mehr machen als eine Schuldenbremse. Man muss Schulden tilgen!!!!! --Serahfine 14:05, 15. Apr. 2012 (CEST)

Gegen diesen Antrag

  1. Wollten die Piraten nicht eigentliche eine Alternative zu TINA bieten? Warum müssen wir den gleichen Mist wie die anderen Parteien nachmachen? Die Schuldenbremse ist aus guten Gründen von vielen Ökonomen kritisiert worden.
    1. Wir sind inzwischen in einer Situation, dass jedes denkbare Vorgehen aus guten Gründen von vielen Ökonomen kritisiert wird. KW
  2. Der Antrag schreibt mir mein Verhalten als Pirat vor. Ganz schlecht. Ich habe eine eigene Meinung, die kann und darf mir niemand verbieten.
    1. Stimmt, jetzt wo jemand den Finger drauflegt - der Antrag hätte an manchen Stellen anders formuliert sein sollen, schade. KW
  3. Der Antrag ignoriert vollkommen, dass Staatsschulden in Wirklichkeit Vermögen des privaten Sektors sind.
    1. Man kann immer den Finger auf dieses oder jenes legen und sagen: Das steht aber im Antrag nicht drin. Mit welchem Ziel hätte dies im Antrag erwähnt werden sollen? KW
  4. Die Abhängigkeit von den Kapitalmärkten kann intelligenter gelöst werden: siehe zum Beispiel dieses Pad
    1. Ich denke, es sollte vermieden werden, von "intelligenter" zu sprechen. Man sollte eher die Kriterien "hohe Wirksamkeit" und "geringe Kollateralschäden" anlegen, und in dieser Hinsicht durchschaue ich den Inhalt des Pads noch nicht so richtig. KW
  5. Generationengerechtigkeit ist von Staatsschulden unabhängig. Es werden schließlich sie Staatsanleihen (also Vermögen) auch an die nächste Generation weiter gegeben.
    1. Ja, ein wichtiger Punkt, der bei der Diskussion um die Schuldenbremse meist aus dem Blick gerät. Nur die Frage ist: Was konkret soll daraus gefolgert werden? Ein Lastenausgleich zwischen den Anleihenbesitzern und den anderen innerhalb der Generationen? Was ist die Vorstellung Eurer AG dazu? KW
  6. Die Lasten der zukünftigen Generationen haben nur mit realen Gütern zu tun. Werden wir in Zukunft genug Rohstoffe haben? Genug kluge Leute um neue Herausforderungen zu meistern? Finanzielle Größen sind dafür irrelevant. Wer wirklich etwas für zukünftige Generation tun will, der muss in Bildung und Infrastruktur investieren (insbesondere Energie, siehe Peak Oil), und das erfordert Neuverschuldung.
    1. Insoweit die Verschuldung der letzten mehr als vierzig Jahre überhaupt für Investitionen genutzt wurde, haben diese Investitionen großteils längst keine positive Wirkung mehr (Geräte sind längst verschrottet usw.), während weiterhin auf unabsehbare Zeit Zinsen dafür zu zahlen sind, da per Saldo seit mehr als vierzig Jahren nicht mehr getilgt wurde. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. KW
  7. Haushaltsüberschüsse -- die für eine Schuldentilgung notwendig wären -- entziehen dem privaten Sektor Geld. Sie wirken sich dadurch kontraktionär aus, d.h. sie bremsen die Wirtschaftsentwicklung. Dadurch entsteht Arbeitslosigkeit.
    1. Ja, wenn man den Junkie von der Nadel nimmt, hat er Entzugserscheinungen (wenn mir dieser Vergleich gestattet ist). Ja, dieses Problem ist sehr ernst, es will sicher niemand eine Schockkur a la Brüning, aber die Frage ist, ob man dieses Argument wirklich entscheiden lassen darf. KW
  8. Sparpolitik hat schon in Großbritannien, Spanien, Griechenland, etc. verheerende Auswirkungen. In Deutschland sind wir davon bis jetzt nur durch unsere Exportüberschüsse verschont geblieben. Das wird nicht ewig halten.
    1. Ich habe zu einer Zeit in Australien gelebt, also dort die Staatsschulden stetig abgebaut wurden. Das war eine prosperierende Zeit, ebenso die Zeit in den USA, als Clinton die Staatsschulden abgebaut hat. So einfach wie hier dargestellt, scheint der Zusammenhang also nicht zu sein. KW
  9. Wir brauchen ein Haushaltsdefizit auch im langfristigen Mittel
    1. Ich finde in diesem Selbstzitat nichts wesentlich Zusätzliches gegenüber dieser Diskussionsseite? KW
  10. Heiner Flassbeck (Chefökonom UNCTAD) zum Thema Schulden und Zukunft
    1. Ich glaube, niemand hier spricht sich generell gegen sinnvolle, Ziel führende Verschuldung aus. Wogegen sich viele aussprechen - auch ich - ist die momentane Praxis, dass Schulden einerseits für Konsum aufgenommen werden, andererseits für Investitionen, was an sich prinzipiell ok ist, nur dass jede Investition endlichen Nutzen hat, während die Zinszahlung nach momentaner Praxis ewig gehen wird. Wie eingangs erwähnt, sind wir inzwischen soweit, dass die Altschulden den Handlungsspielraum im sozialen Bereich - oder auch bei Investitionen! - in jährlicher Milliardenhöhe einschränken, das kann es ja wohl nicht sein. Die spannende Frage für mich ist, ob es neben der Schuldenbremse noch andere Optionen gibt, die überzeugend vermittelbar sind (auch auf BILD-Niveau), denn nach einem geflügelten Wort besteht ja die Ökonomie zur Hälfte aus Psychologie. KW

Fazit: Die Einführung der Schuldenbremse war eine grobe Dummheit. Wir müssen leider damit leben, dass sie jetzt im Grundgesetz steht, aber deswegen müssen wir sie noch lange nicht gut finden. Gesunde Wirtschaftspolitik erfordert antizyklische Ausgaben, und wenn wir so weiter machen, wird es die in der Eurozone nicht mehr geben. Deswegen: stimmt gegen diesen Antrag! Nicolai Hähnle 19:58, 24. Apr. 2012 (CEST)

Mein Fazit: Offenbar bedarf das Thema noch weiterer intensiver Diskussionen, und daher sollte der Antrag nicht abgelehnt, aber zurückgestellt werden. KW