Benutzer:Skyslasher/ACTA Rede 25.02.2012

Aus Piratenwiki Mirror
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Transkript meiner drei Reden auf der "ACTA ad acta 2.0"-Demonstration am 25.02.2012 in Heidelberg

Es gilt das gesprochene Wort. Spontane Variationen aus dem Gedächtnis nachträglich in das Manuskript eingefügt.

Eröffnung

Hallo liebe Leute! Schön euch zu sehen! Ich hoffe, viele von euch sind wiedergekommen, nachdem unsere erste Demonstration am 11.02. hier in Heidelberg schon so erfolgreich war. Ein herzliches Willkommen auch denen, die heute zum ersten Mal gegen ACTA auf die Straße gehen!

Wir, wir sind die nunmehr zweite weltweite Protestwelle gegen ACTA, die gegen die bröckelnden Dämme der Regierungen rollt die immer noch zu ACTA stehen!

Und es lohnt sich auch heute wieder! ACTA ist nicht gestoppt. Aber vor drei Tagen hat EU-Kommissar Karel De Gucht, der uns alle als schlecht oder falsch informierte Spaßdemonstranten darstellte angekündigt, ACTA nun dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorzulegen.

Also sind unsere Argumente gegen ACTA doch nicht so falsch! Endlich soll richterlich überprüft werden was man vorher nur durchwinken wollte!

Das ist für uns ein Etappensieg! Es zeigt: Wir gehen aus guten Gründen auf die Straße!

Heute möchte ich euch viele dieser Gründe näher bringen. Gründe, die ihr vielleicht nicht im Detail kennt. Vorher habe ich eine Bitte an euch: Tragt das, was ihr heute hört, weiter! Redet mit anderen Menschen darüber und überzeugt sie, damit auch sie verstehen warum ACTA eine Gefahr für unsere Gesellschaft ist, eine Gefahr für die Freiheit der Gedanken!

Werdet ihr das tun?

Hier am Friedrich-Ebert-Platz werde ich über die ACTA-Regelungen zu Patenten auf Medikamente und Saatgut sprechen. Später, auf dem Uniplatz, werde ich über die Gefahren von ACTA durch Behinderung der Meinungsfreiheit, der freien Bildung und des freien Ideenaustauschs sprechen. Schließlich, auf dem Rathausplatz, zum Abschluss der Demo, rede ich über die politische Situation, und was wir alle tun können um ACTA zu verhindern.

Informationsblock 1: Patente auf Medikamente und Saatgut

Im Gegensatz zu allen bisherigen Handelsabkommen zwischen Staaten wurde ACTA, seit über sechs Jahren, komplett im Geheimen verhandelt! Bei den Verhandlungen saß die Verwertungsindustrie mit Abgesandten ausgewählter Nationen am Verhandlungstisch.

Entwicklungs- und Schwellenländer waren nicht beteiligt, nur Länder der Ersten Welt! Sind etwa die Menschen und die Interessen dieser Länder weniger wert als die unseren? Warum hat man diese Länder nicht mit an den großen Tisch gesetzt? Weil es unerwünschte Interessen sind!

Und das ist der Grund:

Fast alle modernen Medikamente unterliegen einem Patentschutz eines Pharmakonzerns. Dieser Patentschutz verteuert die Medikamente um ein Vielfaches, denn: Ein Patent schützt Unternehmen vor dem Wettbewerb. Patentschutz schafft ein Monopol auf ein Produkt. Damit können Unternehmen die Preise diktieren. Der ACTA-Vorgänger TRIPS, in Worten „Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights“, sieht bei patentierten Medikamenten für den Fall eines gesundheitlichen Notstandes Sonderregelungen vor. In diesem Fall dürfen andere Unternehmen diese Medikamente als sogenannte Generika nachbauen.

ACTA enthält keine Sonderregelung!

Ein Beispiel:

Eine AIDS-Therapie kostet in Europa derzeit zwischen 10.000 und 15.000 Dollar pro Jahr. Die Preise dieser lebensrettenden Medikamente sind nur deshalb so hoch, weil auf ihnen Patentrechte liegen. Mit Hilfe von Spendengeldern und Generika betragen die Kosten für dieselbe AIDS-Therapie in einigen afrikanischen Ländern nur 140 Dollar pro Jahr! Mit ACTA wird nur noch ein Hundertstel der Therapien angeboten werden können! 99 von 100 Menschen dürfen dann nicht mehr überleben!

ACTA fordert sogar, dass Generika vernichtet werden müssen! Sogar wenn nur der Verdacht auf eine Patentverletzung vorliegt! Kranke Menschen müssen also zahlen, oder sie müssen sterben! Das ist ein Geschäftsmodell gegen jede Ethik!

Aber nicht nur Medikamente, auch Saatgut wird mittlerweile patentiert: Die Konzerne „erfinden“ neue Sorten von Pflanzen, indem sie bestehendes Saatgut genetisch manipulieren, um es zum Beispiel resistent gegen Pflanzenschutzmittel zu machen.

Was die bedeutet zeigt dieses Beispiel:

Der bekannteste und auch berüchtigste Hersteller von solchem Saatgut ist Monsanto. Monsanto kontrolliert etwa 90% des Marktes für gentechnisch verändertes Saatgut, weltweit.

Monsanto hat in Mali bereits Bauern verboten, einen Teil ihrer Ernte als Saatgut wiederzuverwenden. Sie müssen das Saatgut für jede Aussaat neu kaufen! Damit wird das über 13.000 Jahre bewährte System der Landwirtschaft untergraben, also das System des Selbsterhalts des Menschen.

Monsanto hat in Kanada einen Farmer verklagt, weil er unrechtmäßig patentiertes Saatgut von Monsanto eingesetzt habe. Aber dieser Bauer hatte nie Saatgut von Monsanto gekauft! Es ist zufällig auf einem Teil seiner Felder gelandet. Vielleicht hat es der Wind von einem Nachbarfeld herüber geweht, oder ein vorbeifahrender Saatgut-LKW hat im Fahrtwind etwas verloren. Der Farmer sah, dass diese Pflanzen sein Pflanzenschutzmittel - das übrigens von Monsanto war – hervorragend überlebt hatten. Er gewann aus diesen Pflanzen Saatgut für die nächste Aussaat, und wurde von Monsanto verklagt. 2004 hat das oberste kanadische Gerichtshof Monsanto Recht gegeben, der Bauer hätte die Pflanzen nicht anbauen dürfen.

Das bedeutet: Mittlerweile durchmischt sich das patentierte Saatgut in der freien Natur mit normalem Saatgut, also ist patentrechtlich geschütztes Saatgut langfristig überall. Selbst wenn ich unwissentlich Pflanzen aus patentiertem Saatgut in meinem Gemüsegarten habe, kann ich verklagt werden. Wohlgemerkt: Ich habe keine realistische Möglichkeit nachzuprüfen ob die Pflanze patentiert ist!

Momentan gibt es zum Glück nur wenige Staaten, die Patente auf Saatgut anerkannt haben. ACTA legitimiert dieses System allerdings weltweit! Mit ACTA braucht es keinen Richterspruch mehr um Vernichtung unerlaubt angepflanzter, patentierter Pflanzen anzuordnen! Konzerne können dies selbst tun, wenn sie ihre Patente verletzt sehen.

Und das betrifft nicht nur die Entwicklungs- und Schwellenländer! Eine Landwirtschaft, wie sie seit Jahrtausenden besteht, wird damit komplett ad absurdum geführt! Jeder Bauer wird zum potenziellen Patentverletzer!

Wollen wir das zulassen?

Stoppt ACTA!

Mein Name ist Andreas Hahn, und ich bin Pirat! Wir sehen uns gleich wieder.

Informationsblock 2: Behinderung der Meinungsfreiheit, der freien Bildung und des freien Ideenaustauschs

Hallo und willkommen zum zweiten Teil unserer Infoveranstaltung zu ACTA. Ich werde nun über weitere Gefahren sprechen, die von ACTA ausgehen. Und zwar die Behinderung der Meinungsfreiheit, die Behinderung der freien Bildung und die Behinderung des freien Ideenaustauschs.

Mit ACTA werden Vergütungsmodelle zementiert, die fast ausschließlich der Verwertungsindustrie nutzen. Sie nutzen kaum dem Urheber, dem Verbraucher oder der Gesellschaft. Es wird ein System verfolgt, dass sich längst überholt hat.

Ein paar Beispiele:

Ich bin im Urlaub in den USA und kaufe eine DVD oder BluRay. Warum kann ich die auf meinem Gerät zu Hause nicht abspielen? Ich hab' doch dafür bezahlt!

Ich kaufe eine CD im Laden weil ich auf Booklets und den ganzen Anfass-Kram stehe. Unterwegs benutze ich aber immer einen MP3-Player. Warum kann ich einige CDs nicht im MP3 für meinen Player umwandeln? Warum muss ich mir die Songs nochmal online kaufen?

Dieses System aus der analogen Zeit der Wählscheibentelefone und des Schwarz-Weiss-Fernsehens zielt darauf ab, Märkte aufzuteilen und die Gewinne der Verwertungsindustrie zu maximieren. Der Konsument hat dabei nur Nachteile. Die Vorteile für die Künstler sind, bis auf wenige Ausnahmen – nämlich bei Superstars – marginal.

Die Verwertungsindustrie arbeitet nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung. Sie fördert nur die Künstler, von denen sie sich maximalen Profit erhofft. Was dabei herauskommt müssen wir jeden Tag hören und sehen: Mainstream - Mittelmaß.

Durch das Internet können sich Künstler jeglicher Couleur, ob Komponisten, Dichter, Lyriker, Fotografen, Maler, Grafiker und so weiter selbst vermarkten. Sie sind nicht auf die Vertriebskanäle der Verwertungsindustrie angewiesen!

Um so mehr verletzt es unser Gerechtigkeitsempfinden, wenn die Verwertungsindustrie strengeren Urheberrechtsschutz fordert, bei dem es ihr tatsächlich nur um den eigenen Profit geht. Sie streicht den Löwenanteil ein, nicht der Künstler.

Aber dieser freien Entfaltung der Künstler steht ACTA entgegen. ACTA institutionalisiert die Verwertungsindustrie. Denn die Regelungen und Befugnisse, die den Rechteverwertern zugesprochen werden sollen, können nur Konzerne mit großen Rechtsabteilungen durchsetzen. Der einfache Urheber ist also gezwungen, seine Rechte der Verwertungsindustrie zu überschreiben, wenn er sie vertreten sehen möchte. Wohlwissentlich, dass nur ein Bruchteil der Einnahmen bei ihnen ankommen wird.

Aber das schlimmste was der Gesellschaft mit ACTA blüht, ist, dass jeder Einzelne, also wir alle, unter Generalverdacht gestellt werden. Wir alle sind erst einmal böse Raubmordkopierer. Wir, jeder Einzelne, muss das Gegenteil beweisen!

Wenn Du deinen MP3-Player oder Laptop, randvoll mit Musik gefüllt, in den Urlaub mitnimmst, dann könnte dieser bei der Einreise an der Grenze vernichtet werden. Denn wenn der Zoll davon ausgeht, dass die Musik nicht legal erworben wurde, musst Du erst einmal das Gegenteil beweisen. Das wird schwierig.

Und bei der Menge an Musik muss das auch nicht mehr ein privater Verstoß sein, sondern kann nach deutscher Rechtsprechung als gewerblicher Verstoß gesehen werden. Und das ist laut ACTA eine Straftat! Das kann für dich bis zu drei Jahre Gefängnis bedeuten!

Damit wird der Staat als Handlanger der Verwertungsindustrie missbraucht! Sie braucht selbst keine teuren Verfahren zu führen um festzustellen, ob wirklich ein Urheberrechtsverstoß vorliegt oder nur eine Privatkopie.

Doch damit nicht genug. ACTA gibt der Verwertungsindustrie eine Machtposition, die ein gewaltiges Missbrauchspotenzial hat. Denn die Verwertungsindustrie ist in ACTA angehalten, mit den Internet-Providern, wie z.B. T-Online, Verträge abzuschließen, damit Webseiten mit Urheberrechtsverletzungen schnell vom Netz genommen werden können – auf Anweisung der Verwertungsindustrie, ohne Richterspruch, vorbei an Polizei und Staatsanwaltschaft!

Das bedeutet: Potenziell jede Webseite, jeder Blog, jeder Facebook-Account kann willkürlich vom Netz genommen werden, und muss sich erst wieder ins Netz klagen!

Hat das noch etwas mit Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit zu tun?

Genau so wichtig wie freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst ist die Freiheit von Forschung und Lehre – das sagt auch unser Grundgesetz.

Bereits 2004 wurde die Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft verfasst. Sie ist mittlerweile von hunderten Wissenschaftlern unterzeichnet.

Sie fordern Freien Zugang zu Information und Wissen. Technische Schutzmaßnahmen, die Informationen aus Gründen der kommerziellen Gewinnmaximierung verknappen, die zu tiefgreifenden Kontrollen bis in die Privatsphäre führen und die eine sichere Langzeitarchivierung unmöglich machen, empfinden sie als den falschen Weg.

Dieser Weg wird allerdings von ACTA vorgegeben! Patente auf Ideen – nicht auf Produkte – wie sie in den USA bereits Usus sind, werden mit ACTA auch hier umfassend Einzug halten.

Wissenschaft und Forschung nutzen den Stand des Wissens, nutzen Ideen anderer Wissenschaftler vor ihnen, und bauen darauf auf. Ich zitiere Sir Isaac Newton: "Wenn ich weiter geblickt habe, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stehe." Doch wenn immer mehr Wissen und immer mehr Ideen der Gemeinschaft entzogen werden und von der Verwertungsindustrie eingebunkert werden, dann gibt es bald keine Riesen mehr, auf dessen Schultern wir Zwerge stehen können!

Alle Urheber schöpfen aus dem großen Fundus des frei verfügbaren Wissens. Dieses Wissen, das Wissen der Menschheit, baute sich selbst über Jahrtausende hinweg aus sich selbst auf. Die moderne Forschung an Universitäten und anderen öffentlichen Bildungseinrichtungen wird vom Steuerzahler finanziert. Daher erscheint es nur logisch, dass Urheber von ihrer Schöpfung auch etwas an die Gemeinschaft zurückgeben sollen.

Doch das Patentsystem wird nicht mehr als Vergütungssystem für Urheber gebraucht, sondern als Instrument zur Abschottung von Märkten missbraucht! Ideen aus Patenten werden nicht produktisiert sondern als Waffen in der Schublade gehortet, um im richtigen Moment den innovativen Kleinunternehmer sturmreif zu klagen!

Mit einem grundlegend reformierten Urheberrecht, wie es Wissenschaft, Forschung und auch die Piratenpartei schon lange fordern, braucht ein Urheber für die Durchsetzung seiner Rechte keine Verwertungsindustrie!

Bis zum nächsten Informationsblock habe ich noch etwas zum Grübeln für euch: Den Begriff „Geistiges Eigentum“. Kann man überhaupt Eigentum an einer Idee haben? Kann ich eine Idee genau so wie einen Gegenstand kontrollieren?

Ein kleiner Tipp: Wenn man Gegenstände teilt, wird es für jeden weniger. Wenn man Ideen teilt, wird es für alle mehr.

Mehr dazu auf dem Rathausplatz!

Mein Name ist immer noch Andreas Hahn, und ich bin immer noch Pirat! Wir sehen uns gleich wieder.

kurzes Intermezzo

Da wir noch etwas Zeit haben werde ich den ersten Teil der Rede für die nächste Etappe gleich hier halten. Es passt auch thematisch.

Ich hatte euch eben einen Begriff zum Grübeln mitgegeben. „Geistiges Eigentum“.

Kann man überhaupt Eigentum an einer Idee oder einem geistigen Werk haben? Kann ich eine Idee oder ein geistiges Werk genau so wie einen Gegenstand kontrollieren?

Die Verwertungsindustrie geht davon aus. Sie möchte Werke wie materielle Güter behandelt sehen. Und sie möchte die absolute Kontrolle über diese behalten.

Mittlerweile ist unsere Welt voll von solchen Werken, und es kann eigentlich niemand mehr überblicken wer genau wen wofür vergüten muss.

Ich möchte nun aus einem wunderbaren Blogpost von Thierry Chervel referieren.

Der Produzent und Regisseur C. Cay Wesnigk beschreibt bei bei irights.info die Anforderungen an einen Dokumentarfilmer, der für jedes Werk eine Erlaubnis einholen muss: Für jedes Musikstück, dass während einer Aufnahme zufällig gerade im Hintergrund läuft Wenn zufällig während eines Interviews gerade irgendwo ein Handy klingelt für den Handyklingelton Für jede Skulptur, die in einem nicht-öffentlichen Raum steht, zum Beispiel dem Innenhof des Kanzleramtes.

Zitat: "Andere Szenen, die nicht verwendet werden dürfen, sind Archivmaterialien wie beispielsweise Ausschnitte von Filmen oder Fotografien, bei denen die Rechteinhaber nicht geklärt werden können oder die Rechte zu teuer sind. Man kann diese Beispiele fast beliebig fortsetzen und wird feststellen, dass man eigentlich immer, wenn man die Kamera anschaltet, um die Wirklichkeit - wie man sie gerade erlebt - abzubilden, mit einem Bein im Knast steht."

In unendlich vielen Fällen bedeutet Urheberrecht eben gerade keine Ermöglichung, sondern eine Verhinderung von Kultur. Warum wohl kommen genau jetzt Dramen von F. Scott Fitzgerald ins Kino und Theater? Weil jetzt, 70 Jahre nach Tod des Autors, die Urheberrechte frei wurden! Das Erlöschen der Rechte auf ein Werk ist oft eine Befreiung. Berthold Brechts Werke wurden von seinen Nachlassverwaltern zur Museumsmumie gemacht. Es dauert noch eine Weile, bis er siebzig Jahre tot ist. Auch das Beispiel Gustav Mahlers sollte zu denken geben, dessen Sinfonien erst in dem Moment weltberühmt wurden, als die Urheberrechte erloschen: Damals war das noch fünfzig Jahre nach dem Tod. Wenn den Gelüsten der Verwertungsindustrie stattgegeben wird, muss ein Künstler demnächst neunzig Jahre lang tot sein.

Soweit Thierry Chervel.

Urheberrechte sind Monopolrechte. Monopole behindern die freie Zirkulation. Diese Monopolrechte müssen radikal gekürzt werden, damit wieder eine Zirkulation von Wissen und Kunst stattfinden kann. Gleichzeitig muss eine angemessene Vergütung der Urheber sichergestellt sein.

Was wir also brauchen ist ein faires und ausgewogenes Verhältnis aller Interessen, der Interessen von Urhebern, Verwertern und Konsumenten!

Was wir NICHT brauchen ist ACTA, dass auf einem verdrehten Verständnis von Urheberrecht basiert, und dieses zum weltweiten Standard erheben will!

Mein Name ist immer noch Andreas Hahn, und ich bin immer noch verdammt gerne Pirat! Wir sehen uns gleich auf dem Uniplatz!

Informationsblock 3: Politische Situation

Wie stellt sich eigentlich die Politik zu ACTA?

Offiziell wird uns gesagt, dass ACTA den Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverstöße normieren soll. Aber wie wir mittlerweile wissen ist ACTA der nächste eindeutige Versuch der Verwertungsindustrie, ihre Interessen durchzusetzen.

ACTA ist ein bislang beispielloser Akt undemokratischen Vorgehens. Im Gegensatz zu allen bisherigen Handelsabkommen zwischen Staaten wurde ACTA, seit über sechs Jahren, komplett im geheimen verhandelt! Bei den Verhandlungen saß die Verwertungsindustrie mit Abgesandten ausgewählter Nationen am Verhandlungstisch.

Bei allen vorherigen Handelsabkommen wurden immer auch die Entwicklungs- und Schwellenländer beteiligt. Bei ACTA nur Länder der Ersten Welt! Und es waren keine gewählten Vertreter der verschiedenen Nationen an den Verhandlungen beteiligt, es waren abgesandte Bürokraten! Und an dem Verhandlungsergebnis dürfen die Parlamente, die ACTA ratifizieren sollen, keinerlei Änderungen mehr machen!

Das bedeutet für die von uns, dem Volk gewählten Repräsentanten: Hopp oder Top! Ich habe es am 11. Februar gesagt, und ich sage es heute nochmal: Dann eben Hopp! Weg damit!

Im Dezember wurde ACTA bereits vom EU-Rat zugestimmt. ACTA wurde vom EU-Rat als so unwichtig erachtet, dass es seiner Meinung nach auf einer beliebigen Sitzung verabschiedet werden kann. Und das wurde es dann auch, als letzter Tagesordnungspunkt im "Agrar- und Fischereirat"! Und sogar als sogenannter A-Punkt. Das bedeutet, der Tagesordnungspunkt wird aufgerufen, und wenn man sich nicht schnell dazu äußert, dann ist der Punkt ruck-zuck automatisch beschlossen.

Und über was genau abgestimmt werden soll, dass weiß auch niemand so richtig. Denn ACTA führt neue Rechtsbegriffe ein, deren Definition und Auslegung unklar sind. Denn dies ist ausschließlich in den jeweiligen, nicht öffentlich einsehbaren Sitzungsprotokollen festgehalten! Es ist also für jeden Abgeordneten ein Blindflug über was er entscheiden soll!

Ich frage euch: Hat diese Vorgehensweise noch etwas mit Demokratie zu tun?

Das kann für jeden gewissenhaften Abgeordneten doch nur bedeuten: Da kann ich nicht zustimmen! Und genau das müssen wir unseren Abgeordneten klar machen: Da dürft ihr nicht zustimmen!

Und der weltweite Protest hat sich schon gelohnt! Weil wir gemeinsam auf die Straße gehen und uns nicht an der Nase herumführen lassen!

Unter dem Druck von uns, dem Volk, sind bereits viele Regierungen eingeknickt:

  • Am 3. Februar Polen
  • Am 6. Februar Tschechien
  • Am 6. Februar die Slowakei
  • Am 9. Februar Lettland
  • Am 10. Februar Deutschland – jedenfalls vorübergehend
  • Am 15. Februar Bulgarien
  • Am 16. Februar die Niederlande
  • Am 19. Februar Österreich

Und wie schon vor zwei Wochen hat man diese Woche wieder versucht, den Demonstrationen gegen ACTA den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Vor zwei Wochen hat Deutschland kurzfristig entscheiden, die ACTA-Ratifizierung zu vertagen. Und vor drei Tagen hat die EU-Kommission, die ACTA bis vor kurzem noch vehement verteidigte, und aus dieser EU-Kommission ausgerechnet der EU-Kommissar Karel De Gucht, der uns alle als schlecht oder falsch informierte Spaßdemonstranten darstellte, vor drei Tagen hat dieser De Gucht angekündigt ACTA nun dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorzulegen.

Das ist ein großer Erfolg für uns alle, und den habt ihr alle hier möglich gemacht! Aber es ist noch kein Sieg. Wir müssen wachsam bleiben welche taktischen Winkelzüge hier noch gespielt werden. Aber ich werde wachsam bleiben!

Wollt ihr auch wachsam bleiben?

Denn im Windschatten von ACTA rollt bereits der nächste Angriff auf unsere Meinungsfreiheit heran! Wir erinnern uns: Als 2008 die ersten Vertragsentwürfe über WikiLeaks an die Öffentlichkeit kamen waren dort noch harte Instrumente wie Netzsperren enthalten. Diese Passagen wurden im aktuellen Vertragsentwurf entschärft. Die Regierungsvertreter sind auch nicht müde, immer wieder darauf zu verweisen, dass die ganzen Proteste gegen ACTA ja gegen den alten Entwurf gerichtet wären. Gut, dass das eine Nebelkerze ist habe ich ja heute ausführlich dargelegt.

Aber genau diese Passagen sollen mit einer neuen Version von IPRED, der Intellectual Property Rights Enforcement Directive, wieder durch die Hintertür eingeführt werden. In Verbindung mit IPRED hätte die aktuelle Version von ACTA die vernichtende Wirkung wie die aufs heftigste kritisierte Version von 2008!

Zum Glück hat der Europäische Gerichtshof am 16. Februar eine Entscheidung getroffen, dass in sozialen Netzwerken keine Filtersysteme eingerichtet werden dürfen um potenzielle Urheberrechtsverstöße der Nutzer zu überwachen. Das ist ein entscheidender Schritt in die Sicherung der Meinungsfreiheit!

Diese Entscheidung bestätigt aber auch, dass wir mit unseren Forderungen für ein freies Netz und für freies Wissen richtig liegen! Und dass die Verwertungsindustrie mit ihren Forderungen unsere Grundrechte mit Füßen tritt! Und weil unsere Politiker diesen Forderungen der Verwertungsindustrie blind nachkommen, treten sie ebenso unsere Grundrechte mit Füßen!

Daher dürfen wir nie aufhören unbequem zu sein, und wir dürfen nie aufhören für unsere Grundrechte und unsere Freiheiten zu kämpfen!

Mein Name ist immer noch Andreas Hahn, und ich bin verdammt gerne Pirat!