Antrag:Bundesparteitag 2019.1/Antragsportal/PP011

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Vorlage:Baustein2

Antragsübersicht

Antragsnummer PP011
Einreichungsdatum
Antragsteller

TheBug

Antragstyp Positionspapier
Antragsgruppe Umwelt und Verbraucherschutz
Zusammenfassung des Antrags Ablehnung einer pauschalen Pflicht zur Deklaration von Rohstoffen in Produkten, da diese Populismus ist, nicht umsetzbar ist und massiv negative Folgen hat.
Schlagworte Rohstoffe, Konfliktmineralien, Materialdaten, Materialdatendeklaration
Datum der letzten Änderung 30.03.2019
Status des Antrags

Vorlage:Prüficon

Abstimmungsergebnis

Vorlage:Abstimmungsergebnis

Antragstitel

Keine pauschale Materialdatendeklarationspflicht

Antragstext

Der Bundesparteitag möge beschließen folgendes Positionspapier anzunehmen:

Keine pauschale Materialdatendeklarationspflicht

Die Piratenpartei Deutschland lehnt eine generelle Verpflichtung zur Deklaration aller zur Herstellung eines Produktes verwendeten Rohstoffe inklusive ihres Ursprung ab. Dies ist eine populistische Forderung, die den Anspruch vorgibt Umwelt- und Arbeitsbedingungen verbessern zu wollen, tatsächlich aber nur Aktionismus ist.

Der Bundesparteitag möge beschließen folgendes Positionspapier anzunehmen: Keine pauschale Materialdatendeklarationspflicht

Eine Materialdatendeklaration ist pauschal für alle Produktarten nicht umsetzbar und es sind massive negative Effekte dadurch zu erwarten. Dazu kommt, dass es bereits für bestimmte Produkte und Inhaltsstoffe bereits existierende Regelungen gibt [1], die durch eine pauschale Regelung für die Deklaration der Rohstoffe nicht sinnvoll abgelöst werden können und mit dieser teilweise oder ganz im Widerspruch stehen würden [2].

Insbesondere moderne Technikprodukte bestehen aus vielen Einzelteilen und Zwischenprodukten, die über lange, verzweigte Lieferketten zum fertigen Produkt zusammengefügt werden. Dabei kommen einige Rohstoffe nur in geringen Mengen zum Einsatz. Entsprechend werden diese Rohstoffe selten in einer direkten Produzent-zu-Produzent Beziehung eingekauft. Die Lieferkette komplett und zuverlässig zurückverfolgen zu können, ist mindestens mit einem enormen Aufwand verbunden, oder sogar unmöglich.

Da anhand der fertigen Produktes oder Zwischenerzeugnisses der Ursprung der Rohstoffe in den seltensten Fällen noch nachweisbar ist, wäre eine Rückverfolgung über alle Schritte notwendig. Moderne Lieferketten sind multinational, was unter anderem an regionalen Spezialisierungen liegt. Also Fachwissen und Infrastruktur für bestimmte Prozesse findet sich in bestimmten Regionen konzentriert. Damit ergibt sich auch das Problem, dass typischerweise Teile einer Lieferkette anderen nationalen Gesetzen unterliegen und entsprechend nicht notwendigerweise in der Pflicht sind bestimmte Handlungsweisen zu befolgen.

Eine zuverlässige Rückverfolgung, also die Absicherung, dass Quellenangaben für Rohstoffe tatsächlich zutreffen, wäre Voraussetzung dafür, dass eine solche Deklaration einen Sinn erfüllt. Werden über die Lieferkette nur Dokumente weitergereicht, dann gibt es keinerlei Absicherung, dass diese auch den Tatsachen entsprechen. Von den Herstellern ein komplettes Audit der gesamten Lieferkette zu verlangen, würde alle kleinen und mittelständischen Firmen aus dem Markt ausschließen. Diese haben weder die Ressourcen um ein solches komplettes Audit durchzuführen, noch das Umsatzvolumen um auf ihre Lieferanten einen nennenswerten Druck auszuüben um dieses umsetzen zu können. Die Umweltbelastung durch die massive Reisetätigkeit der Auditoren von den größeren Firmen, die zumindest den Versuch einer Umsetzung machen, wäre enorm.

Bestehende Regelungen, wie die Bestimmungen zu "Conflict Minerals" im Dodd Frank Act [3], haben bisher zu einem massiven Anstieg der Zahl der Beratungsdienstleister und zusätzlichem Verwaltungsaufwand geführt. Auch wenn auf den ersten Blick nur Konzerne davon betroffen sind, werden hier kleinere Firmen mit belastet, wenn sie irgendwo in der Lieferkette eines großen Unternehmens sind. Selbst große Unternehmen sind nicht in der Lage ihre Lieferketten komplett zu überprüfen und müssen in weiten Teilen mit freiwilligen Angaben durch ihre Vorlieferenten arbeiten [4].

Dabei betrifft der Dodd Frank Act nur vier Metalle. Auch vermeintlich einfache Bauteile, wie z.B. Kondensatoren, werden schon aus Dutzenden Einzelrohstoffen hergestellt. Von diesen vermeintlich einfachen Bauteilen befinden sich dann wiederum Dutzende, oder Hunderte zusammen mit vielen anderen Komponenten in einem Produkt. Die einzelnen Rohstoffe stammen dabei aus diversen Quellen und teilweise aus Recyclingmaterial. Insbesondere Metalle wie Zinn, Kupfer und Gold haben hohe Recyclingraten, was aber eine Nachverfolgung um so schwerer macht.

Zielsetzung der Regelung für Konfliktmineralien im Dodd Frank Act war es die Finanzierung des Bürgerkriegs in Teilen des Kongos durch illegalen Rohstoffabbau, teilweise mit Sklavenarbeit, zu unterbinden. Der Effekt war aber zumindest zeitweise, dass auch Rohstoffe aus den friedlichen Regionen des Kongo nicht mehr abgenommen wurden, weil so eine detaillierte Unterscheidung entfiel. Damit wurde ein negativer, destabilisierender Effekt erzeugt. Derartige Reaktionen drohen auch bei anderen Rohstoffdeklarationspflichten, was zu Einbußen für Regionen und damit zunehmende Instabilität führen kann.

Auch völlig undefiniert ist bei einer pauschalen Rohstoffdeklaration wo der Cutoff für die Deklarationstiefe angesetzt wird. Bei der Herstellung eines Produktes werden auch Rohstoffe eingesetzt, die im Endprodukt nicht enthalten sind, beispielsweise Kohle bei der Gewinnung von Eisen, Lösungsmittel, Schmierstoffe und Reinigungsmitel in der Produktion von verschiedensten Produkten. Der Impact dieser Stoffe kann höher sein als der, des im fertigen Produkt enthaltenen Rohstoffs. Werden jedoch diese Stoffe mit in die Betrachtung einbezogen, dann stellt sich die Fage ob nicht für jegliches Produkt letztlich eine Gesamtbilanz für die internationale Wirtschaft aufgestellt werden muss.

Aus diesem Grund arbeiten bestimmte Branchen mit spezifischen Verfahren zur Materialdatendeklaration, bei denen der Fokus auf dem tatsächlichen Nutzen liegt [5]. Beispielsweise werden die umwelt- und recyclingrelevanten Inhaltsstoffe deklariert. Damit wird die Lieferkette nicht mit einem Datenwust überlastet, der keinen Mehrwert hat.

Fazit: Für die Erreichung von Umweltzielen und besseren Arbeitsbedingungen ist die komplette Deklaration der Rohstoffe nur eine populistische Forderung. Tatsächlich notwendig ist eine spezifische Vorgehensweise, bei der die Probleme an der Wurzel angegangen werden. Beim Beispiel der Konfliktmineralien wäre der sinnvolle Ansatz direkt an die Schmelzbetriebe zu gehen, die Erz zu Metall verarbeiten. Dabei handelt es sich um weniger als 1000 Unternehmen weltweit. Von der Deklaration in der gesamten Lieferkette sind alleine in Europa rund 1 Million Unternehmen betroffen, hier ist es also bereits viel zu spät um das Probblem lösen zu können.

Nur in bestimmten Fällen ist es möglich den notwendigen Druck aufzubauen, indem Herstellern bestimmter Produkte Vorschriften gemacht werden, dass sie ihre Rohstoffquellen deklarieren müssen. Dies ist zumeist der Fall bei Produkten mit eher einfachem Aufbau und direkten Lieferketten, insbesondere im Bereich der Lebensmittel kann dies eine Option sein.

Für andere Produkte, bzw. problematische Rohstoffe muss von Fall zu Fall entschieden werden, welches Vorgehen das richtige ist. Diplomatischer Druck ist auf jeden Fall eine Option, die mit in Betracht gezogen werden muss, aber auch das Angebot struktureller Unterstützung um z.B. Arbeitsschutz in anderen Ländern zu verbessern, oder Konflikte beizulegen.


[1] Lebensmittel und Medizinprodukte beispielsweise unterliegen spezifischen Deklarationspflichten, die durch eine pauschale Rohstoffdeklaration nicht sinnvoll ersetzt werden können. Die Richtlinie EG1907/2006 (REACH) regelt beispielsweise die Informationspflichten für Produkte, die SVHC (Substance of Very High Concern, oder auch Stoff der Kandidatenliste) enthalten.

[2] Rohstoffe und Inhaltsstoffe von Produkten sind nicht identisch, da die Rohstoffe zu anderen chemischen Verbindungen verarbeitet worden sein können. Die Information ist dann für den Endverbraucher bestenfalls verwirrend.

[3] US Gesetz, das börsennotierte Unternehmen dazu verpflichtet offen zu legen, ob in ihren Produkten Gold, Zinn, Wolfram oder Tantal aus Bürgerkriegsgebieten im Kongo und Umgebung enthalten sind. Dabei sollen die Unternehmen identifizieren aus welchen Schmelzbetrieben die Metalle stammen.

[4] Ein praktisches Beispiel für ein börsennotiertes US-Unternehmen und den Aufwand, der mit der Deklaration verbunden ist: Cypress Semiconductor, Jahresumsatz > 2,4 Mrd. US$ hat etwa vier Jahre benötigt, um bis zum aktuellen Status zu kommen halbwegs den Überblick zu haben:

   https://www.cypress.com/cypress-semiconductor-conflict-mineral-policy

Cypress hat festgestellt, dass die vier betroffenen Metalle bei ihren Vorlieferenten aus 391 verschiedenen Schmelzbetrieben stammen. Insgesamt bekannt sind etwas über 600 Schmelzbetriebe weltweit. Letztlich werden hier auch nur große Mengen Dokumente bewegt, ob ein positiver Effekt auf die Bedingungen im Konge dabei heraus kommt ist mehr als fraglich.

[5] Die Hersteller keramischer passiver elektronischer Bauteile verwenden eine gemeinsam erarbeitete "Umbrella-Spec" mit der die typischen Materialdaten für diese Klasse an Bauteilen deklariert wird: https://www.zvei.org/verband/fachverbaende/fachverband-electronic-components-and-systems/materialdatendeklaration-in-der-elektronikindustrie/

Antragsbegründung

Allumfassende Stoffdeklaration ist eine Forderung der Grünen, die nichts mit der Realität zu tun hat. Verbesserungen für Umwelt und Arbeitsbedingungen ergeben sich daraus nicht, nur irrsinnige Mengen an zusätzlicher Arbeit und ein Haufen an Dokumentation hinter dem man sich verstecken kann, ohne irgend etwas von Einfluss getan zu haben.

Eine Verbesserung der Situation ist nur mit einem gezielten Vorgehen möglich, wobei genaue Kenntnisse der jeweiligen Lieferkette notwendig sind. Pauschale Regelungen haben diverse Nebeneffekte, wie die Gefahr eine Region aus dem Handel auszuschließen, indem der Zugang zu den Produkten von dort zu sehr bürokratisiert wird. Nur mit einem wissenschaftlichen Ansatz kann hier mehr als Symbolpolitik gemacht werden.

Anmerkung der Antragskommission: Der Antragsteller sieht das PP in Konkurrenz zu WP004. Eine solche Konkurrenz ist nach unserer Ansicht formell nicht begründet, da ein WP Programm ändert, ein PP aber nicht.

Diskussion

  • Vorangegangene Diskussion zur Antragsentwicklung: {{{diskussionVorher}}}
  • [{{{antragsdiskussion}}} Pro-/Contra-Diskussion zum eingereichten Antrag]


Konkurrenzanträge