AG Geldordnung und Finanzpolitik/Zins/Was ist Zins

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80px|Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Monika Herz vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Vorlage:Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Was ist Zins

Wenn wir das Wort "Zins" benutzen, ist uns oft nicht klar, dass mit dem Wort "Zins" unterschiedliche Funktionen im Handel mit Geld gemeint sind. Die grundsätzliche Frage, ob Geld überhaupt "ein Handelsobjekt bzw. eine Ware" sein soll, wird hier nicht behandelt. Ich betrachte die gegenwärtige Situation, in der Geld wie eine Ware behandelt wird und mit Zins behaftet ist. Ich unterscheide zwischen Zins-Erhebung für Kreditvergabe und Zins-Gewährung für Sparguthaben.

1. Erhebung von Zins für Dienstleistung von Banken für die Vermittlung von Krediten

Dass die Dienstleistung (vom Kredit-Nehmer) bezahlt wird, steht in unserer AG nicht zur Debatte. Nach Berechnungen verschiedener Autoren und Initiativen beträgt dieser "Zins"-Anteil für die Vergütung der Banken für Personalkosten, Gebäude, Equipment etc. ca. 1 - max. 2 Prozent[1]. Diskussionswürdig ist allenfalls die Frage, ob diese Dienstleistung in Form einer Gebührenregelung erhoben wird oder pauschal in % der Kreditsumme. Oder als Kombination von beidem.

2. Erhebung von Zins als Ausfall-Bürgschaft/Risiko-Versicherung

Die Tatsache, dass Kredit-Ausfälle abgesichert werden sollen, wird in der AG nicht angezweifelt. Nicht jeder Kredit-Nehmer ist in der Lage, einen Kredit vollständig zu tilgen. Tod, Krankheit oder Zahlungsunfähigkeit können dies z.B. verhindern. Für diesen Fall sichert sich die Bank ab. Die Logik der Bank ist in der Regel: Je höher das Risiko des Ausfalls, desto höher der Zins. Diese Logik dient einseitig dem Bedürfnis des Kredit-Gebers nach Sicherheit und ignoriert, dass die Fähigkeit zur Rückzahlung mit zunehmender Höhe des Zinsanteils bei labilen Kredit-Nehmern eher schwindet. Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Kredit-Nehmers wird durch hohe Zinsanteil-Kosten eher erhöht. Verschiedene Genossenschaften oder Selbsthilfe- Initiativen gehen hier neue Wege. Diese neuen Wege werden in der AG als mögliche Lösungsansätze diskutiert.

Beispiel 1: Die Regios eG baut derzeit Rücklagen zur Ausfall-Bürgschaft auf. Kreditnehmer von Regiogeld-Mikro-Krediten bezahlen zunächst Zins und erhalten nach vollständiger und reibungslos abgelaufener Tilgung den Zinsanteil in Form einer Bonus-Leistung wieder zurück (Belohnungssystem)

Beispiel 2: WIR Bank Schweiz "WIR-Guthaben werden mittels Krediten von der WIR Bank geschaffen, wobei der Kreditnehmer der WIR Bank einen Vermögenswert verpfändet, also eine Sicherheit stellt, wie er es bei einer üblichen Geschäftsbank ebenfalls tun würde. Die Kredite stammen aus direkter, eigener Geldschöpfung der WIR Bank...Die WIR-Kredite werden, je nach Art des Kredites, durch Grundpfandrechte, Bankgarantien, Lebensversicherungen usw. abgesichert. Im WIR-Bereich werden Bau-, Hypothekar-, Kontokorrent- und Investitionskredite angeboten." (Zitat Wikipedia)

Beispiel 3: In Skandinavien gibt es eine Initiative, die JAK Mitgliedsbank, in der sich Bürger gegenseitig zinsfrei Geld zur Finanzierung von Haus-Eigentum leihen. Das Risiko ist hier denkbar niedrig, da der Kredit durch den Sachwert gedeckt ist.

Zu diskutieren ist, ob Ausfallbürgschaft / Risikoversicherung originär zur Dienstleistung von Geschäftsbanken gehören soll oder ins Versicherungsgewerbe ausgelagert werden kann. Jedenfalls sollte der Risiko-Anteil am "Zins" getrennt (auch je nach Risikotyp) und differenziert betrachtet werden.

3. Gewährung von Zins als Inflations-Ausgleich für den Kredit-Geber (Sparer)

Die Gewährung von Zins für Sparer wird im allgemeinen auch mit dem Verlust der Kaufkraft durch Inflation begründet. Inflation heißt: Stetiger Anstieg des Preisniveaus, bzw. andauerndes Mißverhältnis der in Umlauf befindlichen Geldmenge im Verhältnis zur vorhandenen Gütermenge. Inflation wird auch durch zu schnelle Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erzeugt. Zu viel Geld im System entweder durch zu hohe Geldmengen oder durch zu schnellen Umlauf erzeugt Inflation, also Teuerung und Kaufkraftverlust. Im Moment (Mai 2012) beträgt die durchschnittliche Inflationsrate 2,3 % (Quellle: Statistisches Bundesamt, der Spar-Zins meiner Hausbank für Guthaben unter 5000,- € beträgt 0,7 %, für Guthaben über 50.000,- € 1,7 %. Damit ist belegt, dass bereits heute auch der sog. "kleine Sparer" durch Inflation einen Kaufkraftverlust erleidet. Obwohl die Gewährung von Zins mit dazu beigetragen hat, dass Inflation überhaupt erst entstanden ist. Das System ist also an seinen eigenen Grenzen angelangt.

Die Erhaltung der Preisstabilität ist als politische Aufgabe in Artikel 88 GG geregelt. Die politischen Entscheidungsträger kommen dieser Aufgabe m.E. nicht ausreichend nach.

Die AG beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit den Ursachen von Inflation durch die Geldschöpfung der Geschäftsbanken. Die transparente Abbildung und "Ersetzung" von Inflation durch Umlaufsicherung wird ebenfalls diskutiert. Umlaufgesichertes Geld als gesetzliches Zahlungsmittel in Kombination mit einer Gesetzgebung, die Geldschöpfung durch Geschäftsbanken reguliert, ist m.E. in der Lage den Begriff und die Auswirkung von Inflation auf heilsame Weise zu ersetzen. Zinsgewährung für Spareinlagen mit der Begründung von Inflations-Ausgleich wäre damit hinfällig. Sparer, die ihr Geld Kredit-Nehmern längerfristig zur Verfügung stellen, könnten mit 0 % Umlaufsicherung "belohnt" werden. Für Spar-Guthaben würde das bedeuten: Sparer, die ihr Geld längerfristig zur Verfügung stellen, sind von der Umlaufsicherung befreit, die Kaufkraft bleibt erhalten. Die Umlaufsicherung tritt nur in Kraft, wenn Geld (bar oder auf dem Girokonto) gehortet wird.

4. Gewährung von Zins als Dienst am Kapital

Die Frage, ob ein Mensch, der mehr Geld zur Verfügung hat, als er benötigt, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, eine Belohnung dafür erhalten soll, dass er dieses übrige Geld vorübergehend anderen zur Verfügung stellt, berührt grundsätzliche ethische Werte. Alle Weltreligionen lehnen den "Wucher" ab.

Profitabschöpfung ohne Risikoteilhabe und ohne Arbeitsleistung des Geldgebers halte ich persönlich für Wucher, da es "in einem auffälligen Mißverhältnis zur Leistung steht". In Deutschland ist Wucher in § 138 Abs. 2 BGB geregelt. Das Gesetz wird jedoch in diesem Zusammenhang bisher nicht angewandt.

Ein mögliches zukünftiges Geldsystem, das ein dynamisches wertstabiles Verhältnis zwischen Gütern und in Umlauf befindlichen Geldmengen gesetzlich regelt, benötigt weder Zins als "Dienst am Kapital" noch Inflationsausgleich.

Interessant ist im Zusammenhang mit der Finanzkrise auch die sog.Taylor-Regel. Eine Formel, die unter bestimmten Marktbedingungen einen Negativ-Zins bei der Geldschöpfung errechnet.

5. Weiterführende Fragen

Zu 2. Ausfallbürgschaft/Risikoversicherung stellt sich die Frage, wie innovative, risikoreiche Investitionen (z.B. in neue Formen der Energie-Gewinnung) so finanziert werden können, dass das Risiko für den Unternehmer tragbar ist. In einem möglichen Zukunfts-Modell sehe ich

1. die Möglichkeit staatlicher (möglicherweise direkt-demokratisch legitimierter) Bürgschaft. Für die direkte Demokratie muss zunächst der Volksentscheid auf Bundesebene eingeführt werden GG Art.20/2 (mein persönliches Hauptanliegen an die Politik).

2. die bewußte und eigenverantwortliche Entscheidung von Sparern, Geld auch für risikoreiche Innovationen zur Verfügung zu stellen. Die Leih- und Schenkgemeinschaften der GLS Gemeinschaftsbank kann hier politisch richtungsweisend sein.

3. die bewußte und eigenverantwortliche Entscheidung auch der "kleinen" Sparer, innovative, risikotreiche Unternehmen als Teilhaber mitzutragen.

Zu 3. Inflation (und Deflation) Die Frage, ob eine Vollgeld-Reform nach dem Vorbild der Monetative in der Lage wäre, die vom Grundgesetz geforderte Erhaltung der Preisstabilität zu gewährleisten ist in meinen Augen noch nicht abschließend geklärt. Die politische Forderung einer ausführlichen, breit angelegten öffentlichen Diskussion zu diesem Thema ist m.E. sehr gerechtfertigt.

zu 4. Zins als Dienst am Kapital Die Frage, ob wir als Menschen dem Kapital dienen müssen, oder ob das Kapital uns Menschen dienen muss ist m.E. DIE Grundsatzfrage. Vom Gesichtspunkt der Heilung eines kranken Systems ist es auch fraglich, wieviel Kapitalanhäufung einem einzelnen Menschen überhaupt gut tut.

So wie es Mindest-Standards im Einkommen und im Eigentum gibt, um das Menschenrecht auf Leben zu gewährleisten, müsste es m.E. auch Höchst-Standards in Bezug auf Einkommen, Privat-Vermögen und Unternehmens-Vermögen geben. Reichtum darf sein, aber nicht auf Kosten anderer. Es geht um das rechte Maß. Im Modell der Gemeinwohl-Ökonomie (als theoretische Alternative zur kapitalistischen Marktwirtschaft und zur zentralen Planwirtschaft) werden solche Standards im demokratischen Prozess entwickelt.

Eigentum verpflichtet Art. 14 GG und selbst Enteignungen sind vom Grundgesetz im Interesse der Allgemeinheit ausdrücklich vorgesehen. Im Grundgesetz geregelte Maßnahmen dürfen kein Tabuthema sein. Schon gar nicht für eine politische Partei.


Einzelnachweise