AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaRefinanzierung

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80px|Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Vorlage:Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Refinanzierung

Eine gängige Definition von Refinanzierung lautet wie folgt:

Vorlage:Zitat

Quelle: Gabler

Im folgenden wird gezeigt, dass diese verbreitete Definition nicht richtig ist, da sie auf einem veralteten Geldverständnis beruht, das heute keine Gültigkeit mehr hat. Insbesondere gilt der häufig unterstellte Zusammenhang nicht, dass Banken zur Refinanzierung eines Kredites auf Kundeneinlagen angewiesen wären und aus diesem Grunde Zinsen zahlen.

Näher an der Realität ist die Definition der Bundesbank, auch wenn diese nicht erklärt, warum Banken sich überhaupt refinanzieren müssen:

Vorlage:Zitat

Quelle: Bundesbank

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In einer "Bargeldwirtschaft" ist die Übertragung von Sichtguthaben und Zentralbankgeld - eben in der Form von Bargeld - strikt miteinander verbunden. Findet ein großer Teil aller Transaktionen bar statt, dann führt jede Übertragung zwangsweise zum Zu- oder Abfluss von Zentralbankgeld. Daher die hohe Bedeutung der Spareinlage in früheren Zeiten; ihr Zufluss verschaffte direkt Liquidität.

In einer "Buchgeldwirtschaft" ist diese enge Verbindung aufgelöst. Wird ein Sichtguthaben überwiesen, kommt es nicht zwangsläufig zu einer Übertragung von Zentralbankgeld, wie nachfolgend gezeigt wird - dies eröffnete den Banken einen Spielraum (den Interbankmarkt), den sie heute weidlich ausnutzen.

Einen guten Überblick über das Thema erhält man hier: Refinanzierung (.ppt) oder hier Datei:Refinanzierung.pdf. Vorlage:Zitat

  1. Die Quelle zeigt also, dass es diverse Formen der Refinanzierung gibt.
  2. Der Großteil des Geldbedarfs wird über Offenmarktgeschäfte und dem Geldmarkt gedeckt
  3. Ob die Sichteinlagen wichtig sind, hängt von der Geschäftspolitik der Banken ab, die international sehr unterschiedlich ist (siehe auch Fakten).


These

Es wird immer wieder darüber diskutiert, ob Sparen zur Refinanzierung der Kreditvergabe nötig ist.

Diese Vorstellung beruht auf der Praxis der Vergangenheit, bei der ein Großteil aller Zahlungen letztlich in Bar getätigt wurde. Damals musste sich eine Bank zwingend neues Bargeld besorgen, wenn jemand eine Zahlung leistete, weil diese schlussendlich immer mit einer Bargeldbewegung verbunden war. Eine wichtige Quelle der Refinanzierung waren die Bareinzahlungen der Sparer.

Als Buchgeld das Bargeld ablöste, wurde dieses Prinzip durch die Verwendung von Zentralbankkonten simuliert. Der Grundgedanke ist, dass bei einer Zahlung zwischen Geschäftsbanken anstatt Bargeld nun Buchgeld verschoben wird, aber letztlich sollte der Zwang zur Refinanzierung erhalten werden.

Aufgrund des wachsenden Interbankenmarktes wurde dieses Prinzip jedoch ad absurdum geführt; Banken brauchen heute nicht notwendigerweise eine Refinanzierung seitens des Nichtbankensektors, um Kredite vergeben zu können.

Nachfolgend wird gezeigt, dass zur Vergabe eines Kredits weder Sparen (Refinanzierung durch den Nichtbankensektor) noch Bargeld zwingend notwendig ist.

Ausgangssituation

Bild:GS_1.jpg

Legende:

Akteure

ZB: Zentralbank
GB: Geschäftsbank
NB: Nichtbanken

Zentralbank

BG: Bargeld des Nichtbankensektors
BG1: Bargeld bzw. Zentralbankgeld der GB1
BG2: Bargeld bzw. Zentralbankgeld der GB2
GB1: Sichteinlage der GB1 bei der ZB
GB2: Sichteinlage der GB2 bei der ZB

Geschäftsbanken

F: Forderungen der GB gegenüber NB
EK: Eigenkapital der GB
SE: Sichteinlagen der NB

Nichtbanken

VB: Verbindlichkeiten der NB gegenüber den GB
NV: Nettovermögen (Reinvermögen)


  • In der Ausgangssituation ist die Zentralbankbilanz dargestellt. Diese zeigt nur die relevanten Positionen, also den Bargeldumlauf sowie die Zentralbankkonten der Geschäftsbanken.
  • Um die Vorgänge innerhalb des Geschäftsbankensektors zu verdeutlich, sind zwei identische Bankbilanzen aufgeführt.
  • Um die Auswirkungen im Nichtbankensektor darzustellen, ist auch dessen konsolidierte Bilanz aufgeführt.

Kreditvergabe

Bild:GS_2.jpg
  • In einem ersten Schritt kommt ein Kreditvertrag zwischen einer Geschäftsbank und einer Nichtbank zustande, dadurch erhöhen sich die Forderungen bei der Geschäftsbank und die Verbindlichkeiten bei der Nichtbank.
  • Danach schreibt die Geschäftsbank der Nichtbank den Betrag als Sichteinlage gut, somit erhöht sich die Passivseite der Geschäftsbank und das (Geld-)Vermögen der Nichtbank.
  • Die Geldmenge (Sichteinlagen zzgl. Bargeld) im Nichtbankensektor hat sich also erhöht - dies bezeichnet man als Geldschöpfung.
  • Hierzu war weder eine Einzahlung noch irgendeine sonstige Zentralbankgeldbewegung notwendig.

Zahlung (virtueller Zwischenschritt)

Bild:GS_3.jpg
  • Nun verwendet der Kreditnehmer sein Geld, um etwas zu bezahlen.
  • Der Bestand an Sichteinlagen der überweisenden Bank sinkt also, während der Bestand an Sichteinlagen der empfangenden Bank steigt.
  • In diesem Fall würde sich das Eigenkapital der überweisenden Bank erhöhen, weil bei unveränderter Höhe der Aktiva die Verbindlichkeiten gesunken sind, während bei der empfangenden Bank das Gegenteil passiert.
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  • Natürlich würde das keine empfangende Bank akzeptieren, deshalb muss es einen Ausgleich geben.
  • Hierzu war weder eine Einzahlung noch irgendeine sonstige Zentralbankgeldbewegung notwendig.
  • Dieser Vorgang hat keine Auswirkung auf die Geldmenge im Nichtbankensektor.

Ausgleich durch Zentralbankguthaben

Bild:GS_5.jpg
  • Der klassische Weg ist eine Überweisung von Zentralbankgeld von der überweisenden Bank zur empfangenden. Auf diese Weise kommt es bei der überweisenden Bank zu einer Bilanzverkürzung ohne Wirkung auf das Eigenkapital, während es bei der empfangenden Bank zu einer Bilanzverlängerung kommt.
  • Dieser Vorgang simuliert den Vorgang des Bargeldtransfers aus früheren Zeiten. Im "Bargeldzeitalter" liess sich der Kreditnehmer üblicherweise den Betrag als Bargeld auszahlen, tätigte seine Zahlung in Bar und der Empfänger zahlte den Betrag bei seiner Bank wieder ein
  • In diesem Fall änderte sich nicht die Sichteinlage der Geschäftsbanken bei der Zentralbank, sondern schlicht der Bargeldbestand auf der Aktivseite und die Sichteinlage der Nichtbank auf der Passivseite.
  • Da aber sowohl Bargeld als auch die Zentralbankkonten eine Forderung gegen die Zentralbank darstellen, ist dieser Vorgang äquivalent.
  • Dieser Vorgang hat keine Auswirkung auf die Geldmenge im Nichtbankensektor.

Ausgleich durch den Interbankenmarkt

  • Nun sind die Geschäftsbanken aber dazu übergegangen, nicht mehr auf die Überweisung von Zentralbankgeld zu bestehen; statt dessen geben sie sich gegenseitig Kredite.
Bild:GS_4.jpg
  • In diesem Fall hat also die GB1 (als empfangende Bank) der GB2 (als überweisender Bank) einen Kredit gegeben und daraus resultiert eine Forderung der GB1 gebenüber der GB2 (F,GB2), während die GB1 nun eine Verbindlichkeit gegenüber der GB2 in selber Höhe hat hat (VB, GB1).
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  • Wie man sieht, wird auf diese Weise das Eigenkapital der Banken nicht berührt und es hat eine Refinanzierung unabhängig von den Nichtbanken stattgefunden.
  • Dieser Vorgang ist absolut nicht außergewöhnlich, sondern entspricht heutzutage dem Regelfall, wie auch die Bundesbank einräumt:

Vorlage:Zitat

Quelle: Bundesbank (Seite 75)

  • Hierzu war weder eine Einzahlung noch irgendeine sonstige Zentralbankgeldbewegung notwendig.
  • Dieser Vorgang hat keine Auswirkung auf die Geldmenge im Nichtbankensektor.

Clearing

  • Diese Geschäfte finden natürlich in beiden Richtungen statt, und die sich daraus ergebenden gegenseitigen Verbindlichkeiten werden regelmäßig aufgerechnet (siehe auch Clearing).

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Bild:GS_6.jpg
  • In einem ersten Schritt macht die GB1 also genau das selbe, wie vorher die GB2
    1. Die GB1 vergibt einen Kredit an eine Nichtbank (Kreditvergabe)
    2. Die Nichtbank überweist den Betrag von GB1 zu GB2 (Zahlung)
    3. Die GB1 (überweisende Bank) nimmt einen Kredit bei der GB2 (empfangende Bank) auf (Ausgleich durch den Interbankenmarkt)
    4. Beide Bilanzen sehen nun gleich aus
  • In einem zweiten Schritt werden nun die gegenseitigen Forderungen aufgerechnet und verschwinden aus der Bilanz ebenso wie die dazugehörigen Verbindlichkeiten.
  • Durch die Aufrechnung gegenseitiger Forderungen dehnt sich die Summe der Forderungen nicht immer weiter aus, sondern sie wird regelmäßig soweit wie möglich reduziert; übrig bleiben ggf. nur Residualposten, die durch Überweisung von Zentralbankgeld ausgeglichen werden.
  • Im Ergebnis sehen die Bilanzen beider Banken trotz Überweisungen einfach so aus als hätten sie den Nichtbanken einen Kredit gegeben; das Clearing neutralisiert sozusagen die Refinanzierung.
  • Es sei an dieser Stelle angemekt, dass die Kunden der Bank durchaus auch Fonds (MFIs) sein können; in diesem Fall finden alle Vorgänge innerhalb der Finanzsektors statt.
  • Hierzu war weder eine Einzahlung noch irgendeine sonstige Zentralbankgeldbewegung notwendig.
  • Dieser Vorgang hat keine Auswirkung auf die Geldmenge im Nichtbankensektor.

Schlussfolgerung

  1. Banken können Kredite vergeben, ohne dass zuvor etwas eingezahlt werden müsste.
  2. Der Bargeldbestand oder -verkehr ist in diesem Zusammenhang vollkommen irrelevant.
  3. Die Refinanzierung einer Überweisung ist nicht notwendig, solange eine Bank genügend Zentralbankgeld hat - in diesem Fall kommt es einfach zu einer Bilanzverkürzung (ZB-Geld runter, Sichteinlagen runter).
  4. Geschäftsbanken können sich gegenseitig refinanzieren, hierzu sind keine Spareinlagen notwendig.
  5. Durch die Aufrechnung verschwindet die "Refinanzierung" übrig bleibt die Bilanzverlängerung durch die Kreditvergabe.

Hiermit ist widerlegt, dass Sparen - i.S.v. Einzahlungen durch den Nichtbankensektor - vor oder nach der Kreditvergabe notwendig wäre. Der Bankensektor kann sich in beliebiger Höhe selbst refinanzieren.


Fakten

Anteil der Einlagen

Anbei eine interessante Untersuchung der DB Research: Vor dem Comeback: Einlagen bei Banken, Feb 2012

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Es zeigt sich also, dass Banken nicht zwingend auf die Einlagen der Sparer zur langfristigen Finanzierung angewiesen sind. Während in Deutschland der Anteil der Einlagen bei ca. 56% liegt, macht er in Dänemark nur 25% der Bankbilanzsumme aus.

Die Tatsache, dass die Quote in Deutschland so hoch ist, ist also KEIN Beleg dafür, dass sie zwingend so hoch sein müsste - es geht auch anders.


Anbei noch eine Quelle der Bundesbank:

relevante Aktiva:

  • Kassenbestand: 15,9 Mrd.€
  • Kredite an Euro-Banken: 2.431 Mrd.€
  • Kredite an Euro- Nichtbanken: 3.741 Mrd.€
  • Aktiva gegen Euro-Ausland: 1.003 Mrd.€
  • Sonstige Aktiva: 1.295 Mrd.€

relevante Passiva:

  • Einlagen von Euro-Banken: 1.415 Mrd.€
  • Einlagen von Euro-Nichtbanken: 3.099 Mrd.€
    • darunter täglich fällig: 1.265 Mrd.€ (Sichteinlagen)
  • Passiva vom Euro-Ausland: 725 Mrd.€
  • Sonstige Passiva: 1.389 Mrd.€
  • Kapital: 488 Mrd.€
  • Bilanzsumme: 8.494 Mrd.€

Erkenntnis:

  1. Der Kassenbestand (Zentralbankgeld) beträgt nur 1,3% der Euro-Sichteinlagen
  2. Die Einlagen der Euro-Banken sind höher als die Euro-Sichteinlagen
  3. Die Kredite von Banken an Banken, machen 29% der Bilanz aus

Weitere Fakten: Bundesbanktabellen

Herkunft der Einlagen

Von wem stammen aber nun die Sichteinlagen?

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In Deutschland werden 70% der Einlagen von Nichtbanken gehalten, der Anteil an der Bankbilanz liegt also tatsächlich bei 39%. In Finnland liegt der Anteil der Sichteinlagen bei 30%, davon werden 57% von Nichtbanken gehalten. Der Anteil an der Bankbilanz liegt also nur bei 17%.

Es ergibt sich also logisch, dass der Rest von Banken gehalten wird.

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Schlussfolgerung

  1. Die empirischen Daten zeigen, dass Banken nicht zwingend auf die Refinanzierung durch Einlagen der Nichtbanken angewiesen sind.
  2. Ein bedeutender Teil der Einlagen wird von Banken gehalten.
  3. Wie hoch der Anteil der Einlagen ist, hängt lediglich von der Geschäftspolitik der Banken ab.

FAZIT

  1. Es ist gezeigt worden, dass Geschäftsbanken zahlreiche Möglichkeiten haben, eine Refinanzierung sicherzustellen, ohne auf Einzahlung seitens der Nichtbanken angewiesen zu sein
  2. Die Mindestreserve ist wirkungslos, da nicht die Zentralbankgeldmenge die Kreditvergabe bestimmt, sondern das Gegenteil der Fall ist
  3. Die Eigenkapitalquote ist wirkungslos, da das Eigenkapital mit der Kreditvergabe mitwächst
  4. Die Besicherung ist wirkungslos, da die Sicherheiten nach Wert und Umfang mit der Kreditvergabe zunehmen

Der Kardinalfehler unseres Geldsystems besteht darin, von einer statischen Ausgangssituation auszugehen und nicht zu berücksichtigen, dass es zwischen der Kreditvergabe und den vorgeblich limitierenden Faktoren Rückkopplungen gibt, so dass diese mit der Kreditvergabe auch anwachsen (endogene Größen).

Da Geschäftsbanken Giralgeld sowohl durch Kreditvergabe wie auch durch Ankauf von Vermögensgegenständen schöpfen können, haben sie es selbst in der Hand, wie dieses neue Geld verwendet wird. Auf diese Weise können sie je nach eigenem Bedarf auf den Wert oder Umfang ihrer Sicherheiten, auf das Eigenkapital oder die Mindestreserve einwirken.

Da unser Regelwerk auf der Annahme exogen vorgegebener Größen beruht, gibt es grundsätzlich nur zwei Arten das System wieder in den Griff zu bekommen:

  1. Das Geld muss auch für die Geschäftsbanken tatsächlich eine exogene Größe sein, oder
  2. Das Regelwerk muss so verändert werden, dass es die vorhandenen Rückkoppelungen berücksichtigt.

Die entscheidende Frage ist, ob wir das Geld an das Regelwerk oder das Regelwerk an das Geld anpassen wollen.