Vortragsabend im Haus Ennepetal am 12.03.2012

“Rekommunalisierung der Versorgungsnetze: Chance und Risiken”
http://gruene-ennepetal.de/rekommunalisierung-der-versorgungsnetze-chance-und-risiken-vortragsabend-12-marz-2012-19-15-uhr-haus-ennepetal

Einladungstext der Grünen Ennepetal:
In Deutschland laufen aktuell tausende „Konzessionsverträge“ zwischen Kommunen und Energieversorgungsunternehmen zum Betrieb von Strom- und Gasverteilnetzen aus.
So werden auch in Ennepetal die Weichen der kommunalen Energieversorgung für die nächsten 10 bis 20 Jahre neu gestellt. Auch  hier laufen in der nächsten Zeit die Konzessionsverträge für Strom- und Gasversorgungsnetze ab. Somit stehen wir vor der Frage, ob die  Energieversorgung in unserem Stadtgebiet in Zukunft wieder in eigener kommunaler Verantwortung übernommen oder durch Konzession wieder an ein  Energieversorgungsunternehmen vergeben werden soll.
Die Bündnis 90 / Die Grünen Ratsfraktion in Ennepetal lädt aus diesem Anlass gemeinsam mit Wibke Brems, MdL und Sprecherin für Klimaschutz und Energiepolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen  zu einem Vortragsabend ein. Interessierte Bürgerinnen und Bürgern  können sich darüber austauschen, wie sich eine klimafreundliche und  nachhaltige kommunale Energiepolitik verwirklichen lassen könnte. Es besteht die Möglichkeit, die Chancen und Risiken gemeinsam zu erörtern.
Zum Hintergrund: In der Praxis ist der Übergang von einen zum anderen Konzessionsnehmer/ Netzbetreiber für viele Kommunen eine schwer zu  überwindende Hürde. Das Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) trifft keine eindeutige Regelung zur Art und Weise der Übertragung der Anlagen an den Neukonzessionär und zur Ermittlung der Höhe der Entschädigung. Außerdem ist der bisherige Netzbetreiber faktisch nicht verpflichtet, relevante  Daten zur Verfügung zu stellen.
Trotz aller Unwägbarkeiten gibt es jedoch auch gute Gründe für einen Wechsel.


Im Folgenden versuche ich den Abend so gut es geht zusammen zu fassen, was mir teilweise etwas schwer fallen wird, da ich ganz frisch in diesem komplexen Thema bin.
Zwar hatte ich mit meiner Frau (Buchhalterin beim örtlichen Energieversorger) und einem parteilosen Ratsmitglied der Stadt Ennepetal kompetente Beratung an meiner Seite, jedoch konnten während der Veranstaltung verständlicherweise nicht alle Unklarheiten diskutiert werden. Es ging fast nur um Elektrizität, manches lässt sich vielleicht aber auch analog auf die Gasversorgung übertragen.

Zu Beginn stellte Wibke Brems in einer kurzen Folienpräsentation die aktuelle Situation und die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen dar. Im Regelfall beginnt man 3 Jahre vor Ablauf des Konzessionsvertrags die Daten abzufragen, zu analysieren und 1 Jahr vorher mit einer Ratsentscheidung den weiteren Weg zu bestimmen.
Mein persönlicher Eindruck war gleich zu Anfang, dass der Zug da schon längst abgefahren ist.
Am 31.12.2012 läuft also der bestehende Vertrag aus und die Stadt hat theoretisch mehrere Möglichkeiten:
Die meisten Einflussmöglichkeiten auf die Versorgung (Anteil Ökostrom usw.) hat die Stadt natürlich mit eigenen Stadtwerken. Jedoch auch die größten Risiken. Was bringen eigene Stadtwerke, wenn die Kunden den Anbieter nicht wechseln? Also ist eine breite Zustimmung sowohl im Stadtrat wie auch in der Bevölkerung extrem wichtig.
Theoretisch könnte sogar ein Bürgerentscheid eine bestimmte Entscheidung erzwingen, wobei hier mehr als eine Ja/Nein-Frage vorerst kaum möglich ist.
Dann stellt sich auch die Frage, ob die Stadt der Aufgabe überhaupt gewachsen ist. Laut unserem Stadtkämmerer ist sie es nicht. Woher sollte sie auch die Kompetenzen haben? Es ist wohl schon schwierig genug alle 20 Jahre die Konzessionen neu zu vergeben.
Allerdings gibt es Fälle, wo eine vollständige Rekommunalisierung zu drastisch reduzierten Strompreisen geführt hat. Jedoch hängt so ein Erfolg von vielen Bedingungen ab, die nicht in jeder Kommune gegeben sind.
Wie sollte es auch anders sein, ist alles viel komplizierter als es sich auf den ersten Blick darstellt und es gibt böse Fallen in die man als Kommune treten kann. Die Leitungen gehören nämlich dem, der sie verbuddelt hat, also dem bisherigen Konzessionsnehmer. Daraus ergibt sich sich die erste Unsicherheit: der Wert der Infrastruktur. Darüber kann man sich gleich mal ordentlich streiten. Im schlechtesten Fall muss die Stadt die Leitungen selbst neu verlegen.

Selbst bei einer weiteren Vergabe der Konzession zum Betrieb der Netze kann durch die Ausgestaltung der Verträge viel schief gehen. Das Entgelt für die Konzession ist üblicherweise immer der gesetzlich gedeckelte Höchstbetrag. Deshalb wird mit anderen Randbedingungen verhandelt. Beispielsweise gibt es Kommunen, die sich verpflichtet haben die Straßen selbst zu öffnen, was zu großen Unwägbarkeiten führen kann, da der Betreiber nun mal für die Instandhaltung der Leitungen verantwortlich ist. Klauseln wie: "bau uns eine PV auf das Rathaus und saniere dabei zufällig das Dach" dürfen natürlich nicht Bestandteil des Vertrags sein, jedoch spielen solche Verquickungen oft eine Rolle.

In der weiteren Diskussion war eine wirkliche Rekommunalisierung auch nicht mehr das Thema, sondern es ging hauptsächlich um die Lieferverträge und um Herausforderungen, die sich aus dem Atomausstieg und dem Ausbau der erneuerbaren Energien ergeben.
Zwischendurch nutzten Mitarbeiter und Betriebsräte des örtlichen Energieversorgers ihre Redebeiträge um das Unternehmen positiv darzustellen. Im Gegenzug bemängelten Lokalpolitiker die dürftigen Möglichkeiten zur Mitsprache und bemerkten nicht ohne Ironie, dass bei EU-weiten Ausschreibungen interessanterweise auch der örtliche Versorger den Zuschlag bekam die Stadt mit Energie zu versorgen.
Gerade bei solchen Ausschreibungen gibt es oft Probleme. Im EN-Kreis tun sich die einzelnen Stadte zwar zusammen um gemeinsam günstiger einzukaufen, jedoch haben die Stadte unterschiedliche Restriktionen (Stärkungspakt) und müssen teilweise den billigsten Strom einkaufen, was dazu führt dass Ökostrom gar nicht ausgeschrieben werden darf.

Ein weiteres Thema in der Diskussion war der Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Unfall von Fukushima hat hier wohl einige Planungen durcheinandergebracht. (dabei stellt sich mir die Frage, was denn ohne die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke passiert wäre, aber das ist hier nicht das Thema) Ein Problem unserer Netze ergibt sich dadurch, dass Photovoltaik oder auch Windkraft zumeist in den unteren Ebenen der Netze eingespeist werden und somit die hierarchische Verteilung, in der bisher der meiste Strom aus großen Kraftwerken von oben nach unten verteilt wurde, durcheinanderbringt.

Zum Schluss kam noch Tiefenwärme zur Sprache, welche als eine Unterart von Fracking gilt und deshalb momentan nicht weiter erkundet werden kann. Es scheint da wohl ein Moratorium zu geben.
Benjamin Ruba, Ennepetal