ErzEngel/Dicker Engel/2011-04-08 Transkript

Aus Piratenwiki Mirror
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Erster Teil, Rest folgt.

Freitag, den 08. April, 20:30 Uhr Vorstellung von BuVo-Kandidat Benjamin 'crackpille' Siggel im Dicken Engel

Kyra: So, alles was jetzt gesagt wird, ab jetzt, wird auch aufgenommen. Steht auch oben drüber.

(0:59)Kyra: So, 20.30 Uhr, wir fangen pünktlich an. Ich hoffe das ist den Piraten recht, und sie gewöhnen sich dann auch an, pünktlich zu kommen und nicht immer zu spät (lacht). Heute ist die erste Runde der Kandidatenvorstellung der Kandidaten für den Bundesvorstand 2011. Die Wahl ist im Mai in Heidenheim. Das wissen ja die meisten, jedenfalls die die hergekommen sind. Diese Fragerunde wird aufgezeichnet. Wird dann, so Gott und will und ich es schaffe - mit etwas Hilfe - dann auch als Podcast zur Verfügung stehen. Man kann das alles nochmal anhören.

(1:40)Kyra: Der Erste de sich vorstellt ist crackpille. Als crackpille bekannt aber eigentlich mit Namen Benjamin Siggel. Und ich würde den Benjamin jetzt einfach bitten, etwas über sich zu erzählen: Einfach wie du zu den Piraten gekommen bist, was du früher gemacht hast politisch, wieso du auf die Piraten gekommen bist, und so weiter, einfach mal ein kurzer Statement so über dich zu erzählen, ob du schon Familie hast, ob du Kinder hast, verheiratet bist uns so weiter, solche allgemeinen Sachen.

(2:21)?1: Und ob du gerne Golden Girls guckst.

(2:24)Kyra: Das äh

(2:25)?2: Das ist doch eine ... hehehe .... Kyra?

(2:35)Kyra: Ja, eh, ich guck gerne Golden Girls, aber das erwarte ich nicht von einem Vorstandsmitglied, also das ist, (lacht) das sind Fragen kommen vielleicht ganz zum Schluss, aber so ausgebrannt sind wir glaube ich jetzt noch nicht, dass wir jetzt diese Frage stellen müssen, oder?

(02:50)Benjamin: Ah ja, ich muss da schon passen, weil ich nehme an, Golden Girls ist eine Fensehserie. Ich habe schon seit einigen Jahren keinen Fernseher mehr, also kann ich da gar nicht mitreden. Ich starte mal mit meiner Vorstellung: Also ich bin ja Benjamin Siggel, das hast du schon gesagt, crackpille ist mein Nickname. Das hat nichts damit zu tun dass ich dauend Crack nehme, das habe ich auf meiner Kandidatenseite geschrieben, das geht eigentlich auch Leonard McCoy alias Pille zurück und zwar zu einer Folge, in der er ziemlich aufgedreht durch die Welt und die Zeit rennt.

(03:27)Benjamin: Ja ich bin aus Hannover, Niedersachsen, so ein Flachländer also, 25 Jahre alt und bin zu den Piraten gekommen 2009, also wie wahrscheinlich 80-90% der Piraten. Für mich war halt das ausschlaggebende Moment diese ganze Zensursula-Sache. Ich hab dann mal erstmal, also da war ich noch nicht bei den Piraten, da hab ich dann angefangen dagegen Argumente zu sammeln, zu argumentieren. Ich hab da ne Website für aufgesetzt, damals www.zensiert.de, das zu verargumentieren. Bin dann in den AK Zensur reingestolpert auf diesem Wege und paar Monate später bin ich dann eben auch bei den Piraten eingetreten. Ja und seitdem bin ich dabei. Ich hab am Anfang nicht so viel gemacht. Das hatte im Wesentlichen auch zeitliche Gründe. Ich habe die letzten 2 Jahre damit verbracht mein Staatsexamen vorzubereiten und dann auch zu schreiben. Ich bin eben Jurastudent, womit man in der Regel dann schon einen relativ schweren Stand hat wenn man das erwähnt. Deshalb sag ich dann ab und zu in mancher Runde auch Sprachwissenschaftler, was ja auch nicht ganz falsch ist. Habe jetzt vor ein paar Tagen mein erstes Staatsexamen abgeschlossen, am 30.1. hatte ich meine Prüfung, hab seitdem wieder Zeit. Hab jetzt bis Oktober wieder richtig viel Zeit. Freu mich entsprechend dann bei den Piraten einbringen zu können, weil wie gesagt ich habe das etwas zurückgestellt weil ich wusste, das würde dann auch mein Studium negativ beeinflussen. Also das - man kennt sich ja auch selber. Was ich bisher gemacht habe: Ich habe beim Parteitag in Chemnitz vorbereitet, also ich war in der Antragskommission mit Christopher und ein paar anderen Leuten noch, Maha war auch dabei. Dann haben wir halt die ganzen Anträge vorbereitet, was ne Scheiß Heidenarbeit war, da haben wir uns ein Wochenende um die Ohren geschlagen, das musste aber auch mal sein. Bei Positionspapieren habe ich mitgearbeitet. Ich habe ein Positionspapier zur Vorratsdatenspeicherung mitgemacht und ich habe mit einigen Leuten basierend auf der Arbeit des AK Zensur, der da ja einiges gemacht hat in Richtung Jugendmedienstaatsvertrag, habe ich dann auch am Positionspapier zum Jugendschutz im Internet für die Piraten mitgearbeitet. Sind beide noch nicht offiziell verabschiedet weil es nicht immer so einfach ist, den Bundesvorstand dazu zu bringen, sich mit diesen Belangen zu befassen. Und das wird aber kommen ... ja auf dem Parteitag wohl nicht, aber das wird kommen denke ich. Ich wurde gefragt Familie/Kinder. Ja ich lebe in so einer Piratenbeziehung könnte man sagen, wobei meine Beziehung gar kein Pirat ist, aber von der Art her ich habe eigentlich immer noch nie eine andere Beziehung geführt als eine offene Beziehung, also eine polyamore Beziehung, weil ich das eigentlich, das war für mich passend, das fand ich logisch und entsprechend mache ich das. Ich wohne gegenwärtig zusammen mit einer Freundin. Seit fast einem Jahr, wir kennen uns schon ein bisschen länger. Ich denke das ist es erstmal so zu meinen persönlichen Sachen

(07:08) Kyra: Ja dann frage ich jetzt erstmal an die Anwesenden, hat jemand eine Frage an crackpille? Weil es gibt ein Wortmeldungspad, da steht keiner drin. Es ist immer sehr nett, es kommen alle und wollen nur zuhören und am Bundesparteitag steht eine lange Schlange immer da und versucht die Kandidaten zu grillen. Und jetzt hätte man eigentlich die Möglichkeit ganz entspannt mit jemandem zu sprechen, der für den Bundesvorstand kandidiert und keiner fragt.

(07:49) Fidel: Doch doch doch doch, ich möchte gerne.

(07:50) Kyra: Dann bitte, Fidel.

(07:51) Fidel: Halle Benjamin, hier ist der Fidel. Ich würde gerne von dir wissen, was es mit deinen Anträgen auch sich hat. Ich habe mir im Liquid Feedback angeguckt: "Positionspapiere zwischen den Parteitagen demokratisch beschließen", "Demokratische Kontrolle von Vorstandsbeschlüssen mittels Piratenkontrolle" und "Piratenanzeiger als offizieller Bekanntmachungskanal". Mir fällt dazu auf jeden Fall das Wort Basisdemokratie ein, und ich würde gerne von dir wissen, wie du das umsetzen möchtest bzw. was du darunter verstehst. Ich habe den Bernd Schlömmer, den widdekind gestern oder vorgestern gefragt, in wie weit er zum Parlamentarismus steht, also in wie weit die Gesetze tatsächlich im Parlament gemacht werden und nicht auf der Straße. In der Hinsicht hätte ich gerne von dir eine Antwort.

(08:42) Benjamin: Ja dann fang ich mal an mit dem Thema Basisdemokratie: Also was ist Basisdemokratie? Das ist ein relativ schwammiger Begriff und es wird sich dann häufig darüber gestritten ob jetzt Liquid Democracy basisdemokratisch ist oder ob es das nicht ist. Diese Diskussion finde ich eigentlich relativ witzlos weil: Was soll man dazu sagen zu einem System das angesiedelt zwischen repräsentativer Demokratie und einer Art direkten Demokratie und halt dazwischen auch jeden Spielraum bietet den jemand wählen will. Also das hat für mich so eine Zwitterstellung. Da jetzt eine Feststellung zu machen ist das Basisdemokratie oder nicht: Keine Ahnung, finde ich auch keine wichtige Diskussion an der Stelle, sondern es ist die Frage, was wir wollen. Die Anträge die du angesprochen hast: Also die Piratenkontrolle und die Piratenpapiere greife ich jetzt erstmal raus, ich lasse den Piratenanzeiger mal kurz beiseite, das ist thematisch nämlich ein bisschen anders. Was hat es damit auf sich? Also ich habe ... Was ich an den Piraten schön fand war Liquid Feedback. Als es eingeführt wurde habe ich mich auch gleich angemeldet, fand ich toll, finde auch die Idee von Liquid Democracy allgemein toll, welches Softwaretool man auch immer dafür als Umsetzung benutzt. Ich habe mir halt die Frage gestellt: "Wie kann man Liquid Democracy noch besser in die Partei einbinden, in die Entscheidungsstrukturen? Wie kann man die Entscheidungsstrukturen ausbauen, so dass sie für die Piraten einen Mehrwert bieten, dass wir als Partei auch sagen können: 'Hier schaut bei uns. Wir haben etwas verwirklicht.'" Und das muss man sich ja auch Augen halten: Wenn wir zum Wähler gehen uns sagen: "Wir sind für eine andere Art der Demokratie." dann kann man da viele Worte darum machen, aber letztlich zählt es halt auch ganz stark dass wir auch tatsächlich sagen können: "Wir haben Erfahrungswerte, wir haben so etwas bei uns umgesetzt, das funktioniert so-und-so, das funktioniert nicht." Damit man halt irgendetwas fertig probiert. Wir können ja nicht, wenn wir irgendwann einmal gewählt werden hingehen, und sagen: "Ok, die Bevölkerung ist jetzt unser Beta-Tester für das, was wir uns ausgedacht haben." Das geht ja nicht. Es gibt also zwei Dinge: Die Positionspapiere, also die Piratenpapiere ist eigentlich nur ein Wort dafür zu sagen: "Dass Positionspapier eine politische Richtung durchaus festlegen, auch wenn sie jetzt auf unserem Grundsatzprogramm meinetwegen beruhen, daraus entwickelt werden, ist ja noch ein ziemlich weiter Spielraum. Und ich bin einfach der Auffassung, dass der Vorstand nicht das Organ ist, was diese politische Gestaltungsmacht ausüben sollte, einfach weil es dem Vorstand zu viel Macht dahingehend einräumt, wie sich die Partei positioniert. Das ist in meinen Augen eine Aufgabe der Partei insgesamt und nicht des Vorstandes. Das habe ich auch immer so gesagt. Auf der anderen Seite steht das Problem: Positionspapiere muss man relativ ... bei Positionspapieren hat man nicht immer die Zeit ein halbes Jahr zu warten bis zum nächsten Parteitag und zu sagen "Wir haben jetzt eine politische Diskussion und in einem halben Jahr können wir reden, da haben wir dann eine Position. Vielleicht, vielleicht auch nicht." Wir brauchen halt die Möglichkeit so was zu beschließen über das Internet, denn das ist das, was die Möglichkeit dafür bietet. Wie lässt sich das umsetzen? Das ist eine interessante Frage. Ich hatte in dem entsprechenden Antrag etwas ausgearbeitet. Es gibt einen entsprechenden Bereich dafür, ein entsprechendes Verfahren. Ich hatte auch vor dem Hinblick, dass wir uns mit Liquid Democracy noch nicht auskennen, dass wir also uns das so vorstellen, dass das funktioniert, das aber letztlich nicht wissen, und meines Erachtens immer wenn man etwas ausprobiert, dann sollte man wenn möglich einen Fallschirm dabei haben für den Fall dass es schiefgeht. Entsprechend habe ich ein Widerspruchsrecht eingebaut. Ich bin ja wie gesagt Jurastudent, und wenn man mal in das Gesetz guckt, also in die Verfassung, dann ist das natürlich irgendwo abgeschrieben. Wir sind ja alles so böse Raubkopierer. Ich habe das Grundgesetz raubkopiert. Da gibt es nämlich den entsprechenden Passus des Widerspruchsrechts des Bundesrates, wenn es kein zustimmungspflichtiges Gesetz ist, sondern ein Gesetz wo der Bundesrat Widerspruch einlegen kann und der Bundestag kann das dann entsprechend überstimmen. Genau das habe ich kopiert und gesagt: "Gut, wenn jetzt am Ende dieses Prozesses ein Positionspapier herauskommt, das wir so nicht wollen, womit wir Bauchschmerzen haben weil es aus irgendwelchen Gründen auch immer (Schwachsinn oder schlecht ausgearbeitet) eine Position vertritt, die niemand wirklich meint, weil wir gerade alle im Urlaub waren oder so. Weil wir kennen des System ja noch nicht, wir wissen nicht, was am Ende herauskommt. Dann hat der Bundesvorstand die Möglichkeit zu sagen „Wartet mal! Wir machen von unserem Recht gebrauch einen Widerspruch zu machen, und diesen Widerspruch kann dann die Basis wieder überstimmen und da gibt es noch die Möglichkeit dann an dieser Stelle die Notbremse zu ziehen und sich zu besinnen und darüber nachzudenken. Das ist das Piratenpapier.

(14:15)?:Ich möchte mal gerne kurz einhaken. Und zwar sind mir kürzlich zwei Positionspapiere über den Weg gelaufen, eines von der SPD auf Dresdner Ebene, eins von den Grünen auf sächsischer Landesebene. Und das haben jeweils zwei Personen vorgestellt die auch hinter diesem Positionspapier standen, und ich bin mir nicht sicher, in wie weit die Kreisvorsitzende oder ähnliches sind. Das heißt es haben sich zwei renommierte Abgeordnete zusammengetan bzw. einer war kein Abgeordneter sondern Staatsanwalt, und die haben einfach zu zweit ein Positionspapier vorgestellt, und das haben die eher in ihrem Namen als in dem der Partei gemacht. Und ich bin mir nicht ganz sicher wo wir allgemein Positionspapiere einordnen sollen. Ich gebe denen eher weniger Relevanz, weil es eben auch in anderen Parteien zwei Leute machen können.

(15:09)crackpille: Natürlich können es zwei Leute machen. Die Frage ist, wer es am Ende beschließt. Also wenn jetzt die Spackeria hingeht und sagt: „Wir haben hier ein Positionspapier, wir schaffen den Datenschutz ab.“ Da wäre der Aufschrei sicherlich zu Recht groß. Das ist schon eine Sache wenn jemand an die Öffentlichkeit tritt in seinem Namen ist das natürlich völlig in Ordnung. Wenn es die Partei tut und die Positionspapiere sind neben Pressemitteilungen ja eigentlich die Möglichkeit wie wir politische Arbeit leisten können. Wenn eine Diskussion auftaucht oder wir auch eine Diskussion mal selbst initiieren wollen, weil wir auch mal ein bisschen Agendasetting machen wollen. Da ist ja eigentlich das Positionspapier die Möglichkeit unsere politische Positionspapier herauszukristalisieren, eine Möglichkeit darzubieten und in die Diskussion zu werfen. Das kann man natürlich anders sehen aber in meinen Augen ist das politische Arbeit die nicht dem Vorstand obliegen soll. Auch weil der Vorstand sich dann natürlich wieder für alle möglichen Sachen kritisieren lassen muss, und dieser Sache einfach die Legitimität fehlt. Das wäre auch ein Ergebnis, wenn einer Entscheidung die Legitimität fehlt oder die Legitimität angezweifelt wird, die wird nicht gefühlt(?), dann führt das eben dazu, dass sie dauernd in Frage gestellt wird, dass sie geschwächt wird und am Ende haben wir alle nichts davon.

(16:30)?: Also wenn keiner etwas sagt, dann führe ich gerne das Streitgespräch mit dir fort, aber es sollen ja eigentlich eine Kandidatenbefragung werden. Und deswegen sollte vielleicht mal jemand anderes eine Frage stellen.

(16:42)crackpille: Es waren noch zwei Sachen offen, das würde ich gerne zu Ende führen. Zu den Anträgen - ich hatte ja nur die Positionspapiere, also die Piratenpapiere angesprochen. Die zweite Sache, die ich vorgestellt hatte, war eine Kontrolle der Vorstandsbeschlüsse. Das ist auch wieder abgekupfert, in diesem Fall bei der Schweiz. Die Schweizer haben ein sogenanntes fakultatives Referendum, das heißt man kann hingehen mit einem gewissen Quorum und sagen „Ihr habt ein Gesetz beschlossen und das ist erstmal ok, ihr könnt das Gesetz beschließen, das ist das normale Verfahren, also das Parlament beschließt, aber wenn genügend Leute zusammenkommen mit einem bestimmten Quorum, dann wird das ganze vors Volk gezogen." Dann kann das Volk über dieses Gesetz abstimmen und nimmt quasi dem Parlament an der Stelle die Entscheidungsgewalt aus der Hand. Genau das habe ich versucht zu kopieren. Die Piraten - das bedeutet der Vorstand - treffen einen Beschluss, und nach diesem Beschluss gibt es eine entsprechende Einspruchsfrist mit einem gewissen Quorum. Die sollte relativ kurz sein, erstens weil wir das ganze übers Internet machen, uns viel schneller organisieren können als mit irgendwelchen Unterschriften, Zetteln bei einer Initiative zum Volksentscheid oder so. Und zum zweiten auch um den Vorstand eben handlungsfähig zu halten. Da braucht man sicherlich eine Ausnahme für Beschlüsse des Vorstandes, die entsprechend eilig sind. Aber der Punkt um den es mir geht ist folgender: Wir sind Piraten, und die Piraten bringen - um es mal positiv auszudrücken – ein sehr starkes Protestpotenzial mit sich. Und das ist einfach schädlich, wenn dieses Protestpotenzial sich ungehemmt entfaltet im Raum, wenn dann auf der Aktiven-Liste dann 200 Mails dazu geschrieben werden wie scheiße doch dieser Beschluss ist und wie faschistisch und wie überhaupt von der Partei nicht getragen. Diese Kontrolle ermöglicht es dieses Potenzial aufzunehmen und es in ein geordnetes Verfahren zu lenken, wo am Ende dann eine demokratisch legitimierte Entscheidung steht. Also entweder Beschluss des Vorstandes bleibt bestehen, oder der Beschluss des Vorstandes wird aufgehoben und der Vorstand muss sich neue Gedanken machen. Aber auf jeden Fall wird das einem Ergebnis zugeführt und kann dann in diesem Sinne nicht mehr so viel Sachen anrichten. Weil eine Diskussion nachdem so eine Kontrolle gelaufen ist wird auf der Basis stehen "die Partei will das nicht“ würde nicht mehr funktionieren, weil die Partei hat darüber abgestimmt und beschlossen es zu wollen. Oder auch nicht zu wollen, aber dann ist die Sache auch gegessen. Diese Befriedungsfunktion, die Demokratie auch immer in sich trägt, wollte ich abbilden auch vor dem Hintergedanken was ich gesagt hatte, wir treten ja in die Öffentlichkeit mit dem Anspruch eine anderen Demokratie zu fahren, eine andere Beteiligung zu fahren, und das auch eine gute Vorlage zu zeigen was geht und dass man eben auch den Piraten oder auf das ganz Deutschland übertragen den Bürger auch die Möglichkeit geben kann, sich entsprechend gegen so was zur Wehr zu setzen.

(19:59)Kyra: Dann hätte ich noch mal eine Frage zu dem beliebten Liquid Feedback: Was hältst du von dem Delegiertensystem, wie stehst du dazu? Glaubst du, dass es da Machtverschiebungen gibt oder Machtballungen oder hältst du das für unproblematisch?

(20:27)crackpille: Du meinst jetzt, dass es in Liquidfeedback aufgrund der Delegation Machtakkumulation gibt?

Kyra: Ja, gut gesagt.

Crackpille: Dazu habe ich schon mal einen Blogeintrag geschrieben. Der Punkt ist: Natürlich gibt es diese Machtkummulation. Das kann niemand abstreiten. Wenn ich an jemanden delegiere, wenn ich mir beispielsweise mal Maha anschaue, ich kann euch da mal eine Link geben mit einem schönen Bild. Ich poste den hier ins Pad. Das ist eine Visualisierung der Delegationen, der globalen Delegationen im Liquid Feedback. Noch mal pseudonymisiert, man kann sich allerdings denken, wer die Person ist, die da so viele Delegationen einsammelt. Natürlich ist das eine Machtkummulation, das kann keiner abstreiten. Der Punkt ist aber, dass wir uns nicht der falschen Annahme hingeben dürfen, dass diese Machtkummulation entsteht weil wir ein System wie Liquid Feedback haben, sondern dass die Machkummulation am demokratischen System schlichtweg daran liegt, und immer auftritt, weil wir jeden an einer Entscheidung beteiligen wollen, aber nicht jeder qualifiziert ist diese Entscheidung überhaupt zu treffen. Nicht weil er dumm ist oder so, sondern weil wir - ich hatte das geschrieben: Wir sind alles Fachidioten. Wir haben von ein paar Sachen Ahnung, von den meisten Sachen nicht und können darüber deshalb überhaupt nicht qualifiziert entscheiden. Wir können uns auch nicht alle einlesen, das ist nicht möglich. Das bedeutet, wir müssen (und das ist ja auch eigentlich der Inbegriff einer zivilisierten Gesellschaft sage ich) Arbeitsteilung betreiben und wir müssen auch entsprechend Verantwortung verteilen. Und das ist eine Sache, die tritt in Liquid Feedback natürlich auch auf. Das ist glaube ich ein Punkt warum es bei Liquid Feeback vielen Leuten auf den Magen schlägt, dass es so transparent auftritt, dass das jeder sehen, und dass man dann auch sehen kann wenn man das mal visualisiert: „Boah, da ist jemand, der sammelt immer tüchtig viel Macht ein.“ Der Punkt ist aber: Wenn man auf Delegation verzichtet ist das ja nicht wesentlich anders. Die Systematik, das Problem bleibt bestehen, dass man keine Ahnung hat. Dann kann man auf verschiedene Arten reagieren: Man kann entweder nicht abstimmen, da sagen dann immer alle „Gut, wenn du keine Ahnung hast, einfach mal Fresse halten.“ Wenn man das spieltheoretisch betrachtet funktioniert das aber nicht, weil man dabei nur verliert. Das heißt man beteiligt sich irgendwie, entweder fragt man jemanden und stimmt dann genau so ab wie der, den man kennt, dann ist man relativ in der Nähe von Liquid Feedback, und es führt auch dazu, dass es Populismus fördert, weil wenn ich so einen Antrag habe und will ihn durchbringen, und ich treffe auf so ein direktdemokratisches System, wo 90% der Leute nicht die Qualifikation besitzen, sich darüber inhaltlich sachlich eine Meinung zu bilden, dann gehe ich los unss diese Leute entsprechend anders ?bringen. Da sinkt dann das politische Niveau. Das führt dazu dass die Leute gewinnen, die eigentlich gut reden können, die Leute einsammeln können, und dabei nicht immer fair spielen. Also eigentlich genau das was wir nicht wollen. Das heißt wenn man über Machtkummulation redet, muss man das im Hinterkopf haben dass es eben nicht am System liegt, sondern dass es darin begründet liegt, dass es im System der Demokratie eigentlich begründet liegt. Dass man das nicht mit einer anderen Software oder einer direkten Demokratieidee rauscanceln kann.

(24:04)Kyra: Da gebe ich dir völlig Recht. Das liegt nicht am Tool. Am Tool sollte man sich nicht aufhängen. Aber es macht mich doch stutzig, wenn Delegationen zum Teil ins dritte Glied gehen. Da kann mir keiner mehr erzählen, dass der, der das erste Mal delegiert hat an jemanden, und der weiterdelegiert hat und der wieder weiter, dass der irgendwie noch eine Ahnung hat für oder gegen was er stimmt. Also ist es nicht eigentlich so, dass mit dem Liquid Feedback ein stärkeres Bewusstsein für die Verantwortung, die man damit hat einhergehen sollte, weil für mich geht das jetzt inhaltlich gar nicht. Dass man an einen in einem Punkt delegiert, das kann ich gut verstehen. Aber dass man seine Stimme jemandem abgibt, der sie wiederum jemandem abgibt, der sie wiederum jemandem abgibt, das ist für mich – da brauche ich kein Liquid Feedback, da kann ich auch sagen „Mach doch was, beschließt doch was, ihr die ihr euch auskennt.“ Wie findest du das?

(25:12)crackpille: Ja da möchte ich dir widersprechen. Wie das Ergebnis aussieht, das will ich sagen, das weiß ich nicht, das weiß niemand von uns. Es ist ein neues System, das hat noch niemand ausprobiert, und der einzige, der damit Erfahrung sammeln kann, das sind wir, weil es eine andere Partei nicht machen wird. Und vielleicht funktioniert es, vielleicht funktioniert es auch nicht. Dein Argument kann ich durchaus verstehen, aber da möchte entgegenhalten: Das Ziel, in einer Gesellschaft ist doch eigentlich, dass wir die Aufgaben möglichst gut verteilen, und sie sind dann möglichst gut verteilt, wenn derjenige eine Aufgabe wahrnimmt, der kompetent ist und der motiviert ist. Die Delegation hat für mich auch immer diesen Kompetenzgedanken. Ich delegiere an jemanden, ich habe Null Ahnung beispielsweise im Umweltschutz und delegiere an irgendjemanden, von dem ich weiß, dass er zumindest Ahnung hat im Umweltschutz, vielleicht auch noch mehr Ahnung hat, wer da jetzt konkret Ahnung. Und von der Idee her, die ich durchaus nachvollziehen kann, ist es so, dass am Ende die Entscheidung landet, die kompetent und motiviert sind. Das ist der Grundgedanke. Ob der am Ende funktioniert, das kann von uns niemand wissen, aber das ist ein Punkt, wo wir auch Erfahrung sammeln müssen und diese Erfahrung dann auch auswerten. Das ist was beispielsweise Sebastian Jabbusch mit seiner Magisterarbeit macht. Die wissenschaftliche Untersuchung von uns selbst, um uns selbst auch zu erkennen, findet noch eigentlich viel zu wenig statt. Das ist eigentlich schade, wenn man gerade mit Liquid Feedback so unglaublich viel machen könnte, weil man so viele präzise Arten hat, die man auch einfach mal visualisieren könnte, wo man mal Entscheidungsprozesse rausgreifen kann und kucken, wie ist es gelaufen. Fragen wir die Leute, die hier dreimal delegiert haben, ob sie mit der Entscheidung, die mit ihrer Stimme getroffen wurde, übereinstimmen oder nicht. Kucken wir mal, was dabei herauskommt, Das ist viel, was mir noch fehlt, und das brauchen wir unbedingt, wenn wir auch dahin kommen wollen, dass wir sagen, dass eine Entscheidung, die im Liquid Feedback getroffen wurde (oder in einem liquiddemokratischen System) Legitimation verleiht, dass die demokratisch legitimiert ist. Wenn wir dahin kommen müssen, müssen wir erst ein Verständnis für das System entwickeln und auch sehen, dass es funktioniert. Das haben wir noch nicht, aber ich denke wir sind da auf einem guten Weg.

(27:43)Kyra: Ja, danke für die Antwort. Jetzt frage ich mal in eine ganz andere Ecke rein. Es gibt ja immer wieder Streit bei den Piraten. Sollte man rechte Aufmärsche durch Sitzblockaden verhindern? Du bist ja auch Jurist. Oder schränken wir dann deren Meinungsfreiheit ein, oder gibt es Grenzen für Meinungsfreiheit? Und wie stehst du dazu, persönlich?

(28:13)crackiplle: Ja die Sitzblockadensache ist auch in der juristischen Ausbildung so eine Art Dauerstreit. Da lernt man dann den BGH kennen, der sagt: Wenn man sich da hinsetzt und nichts tut, sich also vor jemanden hinsetzt, dann ist das Gewalt. Dann kommt das Bundesverfassungsgericht und sagt "nanana, wenn sich jemand hinsetzt dann ist das vielleicht psychische Gewalt, aber keine körperliche Gewalt, das reicht nicht für die Nötigung." Und dann kommt der BGH und sagt "Ok, wenn sich jemand hinsetzt, dann ist das eine psychische Gewalt und keine körperliche und keine Nötigung, aber wenn jetzt ein Auto anhält dann ist das beim ersten keine Nötigung, aber wenn dahinter ein zweites Auto stoppt, dann ist das Nötigung, denn der Täter hat das erste Auto als physikalisches Hindernis benutzt und ist es ist damit physische Gewalt.

(29:00)Kyra: Wie stehst du dazu?

(29:02)crackpille: Wie stehe ich dazu? Im Regelfall würde ich sagen ist eine Sitzblockade die wirklich nur darauf ausgeht, den Zugang zu etwas zu erschweren oder zu verhindern, ein legitimes Mittel zur Demonstration.

(29:26)Kyra: Danke, das ist eine für mich durchaus wichtige Frage an einen Kandidaten, also mir persönlich ist die wichtig. Jetzt frage ich dich weiter, weil sich ja offensichtlich keiner bei den Wortmeldungen einträgt: Wie stehst du zum Thema Umwelt? Bist du der Meinung, das ist eh Thema der Grünen, da brauchen wir uns nicht zu positionieren, weil das decken die Grünen eh ab, oder sollten wir dazu auch eine Position beziehen? Das wurde ja auch diskutiert, also die Beteiligung an den Anti-Atomkraft-Demos. Derzeit ist es ja gerade sehr in aufgrund von Japan. Aber wie stehst du generell dazu als Ausrichtung der Partei. Würdest du das gerne mit im Programm sehen, dass das weiter ausgebaut wird, oder möchtest du das als Thema lieber nebensächlich halten?

(30:30)cackpille: Ich bin grundsätzlich kein Verfechter einer Kernprogrammthese, das heißt alle wichtigen Aspekte sollten wir ach im Programm beleuchten. Zum Thema Umwelt: Da sollten wir nicht sagen "Gut das können die Grünen machen" Weil erstens die Grünen auch ihre Probleme zuweilen mit der Realität haben - sie sind da inzwischen besser geworden- aber da ich die Piraten als eine rationale Partei verstehe sind wir dazu durchaus ein gutes Gegengewicht, wenngleich wir ihnen an politischer Kompetenz in dieser Frage noch nachstehen, das ist ja gar keine Frage. Der zweite Punkt, warum ich das auch sage, ist dass wir ankommen als Partei mit einem größeren Versprechen. Das größere Versprechen ist doch eigentlich, dass wir sagen "Wir haben wir eine unglaublich tolle Technologie in den Händen, die ihr kaputtmachen wollt weil ihr sie nicht versteht. Auf ganz vielen eröffnet sie Möglichkeiten, die uns jetzt noch nicht klar sind. Und da ist Umwelt natürlich genauso ein Bereich. Wenn es Beispielsweise darum geht, wir können keinen Atomausstieg machen, weil dann das Licht ausgeht, wovon wir auch inzwischen wissen, dass das AKW-Propaganda ist, aber davon mal abgesehen, da können wir auch hingehen und sagen "Hier wäre eine tolle Technologie, mit der kann man auch Strom sparen, mit der kann man Dinge automatisieren, mit der kann man intelligente Netze bauen." Und wenn ich aus dem Zimmer gehe dann muss das Licht nicht weiter brennen, ich bin nur zu faul, es auszuschalten, und an dieser Stelle kann der Computer ins Spiel kommen, kann eben unsere Technologie, die wir versuchen zu vermitteln, ins Spiel kommen und auch etwas für den Umweltschutz tun, Deswegen sage ich, wir sollten uns da nicht zurückziehen.

(32:13)Kyra: Danke. Jetzt komme ich zu einem anderen Thema, falls kein anderer eine Frage hat. Ich wundere mich irgendwie - bei den Bundesparteitagen wird das immer so eifrig genützt, und hier bin ich der einzige, der Fragen stellt, nur vorhin der fidel. Aber ich mach mal weiter. Welche Bedeutung hat für dich Soziales, also dass wir dieses Themengebiet mit aufnehmen, also auch Familienpolitik, und wir haben ja schon das Thema Bildung, was für mich auch irgendwie dazuzählt, und dazu hatten wir gestern einen Themenabend, der erschreckend schlecht besucht war, den Andi Popp gemacht ha, den er sehr gut gemacht hat, das war sehr interessant. Das war mehr eine Podiumsdiskussion. Meinst du diese Themen wie Bildung stehen zwar im Grundsatzprogramm drin, aber die interessieren die Piraten in Wirklichkeit dann doch nicht?

(33:14)crackiplle:Was heißt "Das interessiert die Piraten nicht"? Das Ding ist, dass ich sehe, dass wir als Partei eine gewisse Volatilität haben, bei den Themen, mit denen wir uns beschäftigen...

(33:26)Kyra (fällt ins Wort): Was heißt das?

(33:38)crackiplle: Wir sind an einem Thema dran, insbesondere wenn dann jemand aus einer anderen Partei ankommt und sagt "Wir machen Internetsperren.", dann motiviert das unglaublich, dagegen anzugehen, dagegen Alternativen zu entwickeln, was ja durchaus auch passiert ist, aber dass man natürlich den politischen Bereich insgesamt nicht immer ein Thema außer Acht lassen kann in dem Moment, wo es aus dem öffentlichen Raum verschwunden ist. Insbesondere wenn wir auch selbst Themen setzen wollen, dann können wir nicht darauf warten, dass jemand anderes damit ankommt und wir darauf eine Gegenrede halten. Da müssen wir viel machen, damit das Ganze etwas verstetigt wird, und a sehe ich dann übrigens auch den Vorstand ein bisschen in der Pflicht, nicht politische Arbeit zu leisten, das hab ich schon gesagt, das lehne ich ab, sondern dass er moderierende Arbeit leistet, dass er die Fähigkeiten, die in der Basis vorhanden, sind bündelt, dass er auch ml sagt "Wir wollen uns hierzu positionieren denkt auch mal etwas dazu aus." Das wäre in bisschen strukturierter, dass am Ende etwas Gutes herauskommt und wir alles abbilden. Das gilt natürlich auch für Bildung, das gilt auch für Familienpolitik, wo ich unsere Familienpolitik, die ich glaube von Maha eingebracht wurde auf dem Parteitag, die ich ganz toll finde. Und das ReSeT-Ding hat auch meine volle Unterstützung, und wenn ich am Parteitag nicht mehr mitgestimmt habe weil ich weg war. Aber ich habe so lange gewartet bis das Meinungsbild durch ist und ich wusste, der Antrag wird angenommen. Sonst wäre ich auch geblieben.

(34:59)Kyra: Danke. Hat jetzt jemand anderes eine Frage? Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann frage ich mal weiter die Fragen, die ich mir selber so beantwortet habe in einem Demonstrationsfragebogen, den ich mir mal ausgedacht habe. Wie sieht es mit Drogenpolitik aus? Der Name ist Programm, aber we siehst du das mit der Drogenpolitik, sollte Haschisch ganz legalisiert werden, sollte es teilweise nur für medizinische Zwecke legalisiert werden, sollte es wie in Holland gehandhabt werden, oder hast du da irgendeine Vorstellung oder ist dir das Thema nicht von großer Bedeutung?

(35:59)crackpille: Das Thema ist von großer Bedeutung für mich, auch aus persönlichen Gründen. Bei der Drogenpolitik gibt es durchaus Leute bei den Piraten (ich kann jetzt nicht mehr sagen wer) aber da habe ich auch ein paar gute Podcasts dazu gehört, die dazu sagen "Wir müssen weg davon, irgendwelche Substanzen als gefährlich oder als nicht gefährlich zu deklarieren und hingehen zu einer Konsumpolitik, wo wir versuchen Konsummuster zu vermitteln, die gut sind, oder die schlecht sind, was dann über den konkreten Stoff hinausgeht." Bei der ganzen Drogensache bin ich schon alleine deswegen für eine möglichst weitgehende Freigabe und Entkriminalisierung, weil diese ganze Kriminalisierung von Drogen A) nicht funktioniert - wer mal auf einer Schule war, ich war auf einem Gymnasium und nehme an, dass es auf anderen Schulen vielleicht noch stärker ist, aber für mich war das theoretisch kein Problem, an der Schule an Drogen zu kommen - Und wenn man an einer Schule Drogen kaufen kann, dann muss ich sagen ist die Drogenpolitik gescheitert. Das einzige was sie bewirkt, ist dass sie quasi eine Subvention für das organisierte Verbrechen ist, die dann wieder Einfluss auf die Politik nehmen, wo wir dann wieder Leute verfolgen, die Gerichte und Staatsanwälte mit belasten. Das ergibt für mich einfach keinen Sinn. Ich will nicht behaupten, dass man absolut jede Substanz freigeben muss, aber tendenziell sollte das die Richtung sein. Und im Gegenzug sollte es davon abhängig sein, dass man eine Art Konsumentenführerschein macht, dass man weiß, wie wirkt die Droge, wie sollte man Drogen nicht nehmen, keinen Mischkonsum machen usw. usf. Dass dafür direkt auch eine ärztliche Unersuchung steht, die dann auf entsprechende beispielsweise schizophrene Veranlagungen untersucht, damit man eben in solchen Fällen keine Drogen nimmt, weil das eben zu schlimmen Folgen führen kann. Aber grundsätzlich dass das ganze rational angegangen wird und kriminalisiert wird, da stehe ich voll dahinter.

(38:09)Kyra: Ja, ich auch. Weil ich finde die derzeitige Drogenpolitik unterstützt nur die Mafia und kriminalisiert den Enduser. Es ist für mich relativ unverständlich; wenn ich nach Holland gehe, kann ich sehen, wie die das relativ locker handhaben und die Holländer am wenigsten kiffen von den Europäern ist ja auch das interessante. Das muss man auch dazu sagen. Jetzt mal ein Thema, das dich wahrscheinlich verwundern wird, ich hätte auch nicht gedacht dass es von Bedeutung ist bei den Piraten, aber wir hatten im Dicken Engel am 23. Dezember, da ging es um Religion. Der war nicht nur sehr gut besucht, sondern der war total heftig. Es gibt religiöse Piraten, es gibt Agnostiker, es gibt Atheisten, und wenn die aufeinander treffen ist es relativ hart. Zu wem würdest du dich rechnen, bist du jedem gegenüber tolerant, auch solchen gegenüber, die aus dem christlichen Bereich kommen, wo es zum Teil problematisch wurde. Wo es um Schwule und Lesben ging, kommt es durchaus zu Konflikten. Wie stehst du persönlich zur Religion?

(39:37)crackpille: Ich würde mich am ehesten irgendwo bei Agnostiker einordnen. Ich bin aus einer evangelischen Familie, wurde auch getauft, bin auch zum Konfirmandenunterricht gegangen und habe mich konfirmieren lassen, bin dann irgendwann aus der Kirche ausgetreten gegen den Willen meiner Eltern weil ich mit Kirche und Glauben einfach wenig anfangen kann. Weil ich weitestgehend ein Vernunftmensch bin, und wenn ich die Bibel aufschlage, dann ist es für mich unvorstellbar, dass ich da die Prophezeiung eines Gottes lese. Ich bin allerdings auch schon Leuten begegnet, wo ich ganz klar gemerkt habe, dass sie aus ihrem Glauben an eine Religion eine starke Kraft, eine starke Motivation gezogen haben, um etwas Gutes zu tun. Die mich als Person beeindruckt haben, und wo ich gemerkt habe, die wären als Person anders, wenn sie nicht gläubig wären.

(40:43)Kyra: Ja das kann ich gut verstehen.

(40:46)crackpille: Deshalb bin ich da gespalten. Ich bin Verfechter der Religionsfreiheit im positiven wie im negativen Sinne. Ich kann glauben aber auch nicht glauben. Und das sollte so auch sein. Ich bin aber auch für eine klare Abgrenzung zwischen Staat und Religion. Ich kriege das Zitat meiner Mutter jetzt nicht mehr zusammen, aber es steht wohl auch in der Bibel: "Gib dem Büttel was des Büttels ist, und dem Priester, was des Priesters ist." oder so in der Art. Weil ich einfach der Auffassung bin, aus einer religiösen Schrift, aus einem religiösen Glauben kann man keine sinnvollen politischen Handlungen und Handlungsempfehlungen ableiten. Deshalb bin ich der Auffassung, dass die Religion auch bei uns im Staat in seiner Staatsstruktur zu stark vertreten ist. Wenn ich zum Beispiel daran denke, dass religiöse Vertreter darüber bestimmen, was indiziert wird, in der FSK sitzen auch welche drin, das finde ich einfach falsch. Die haben da nichts verloren. Die hatten da vielleicht mal etwas verloren, aber die Zeiten sind vorbei. In sofern bin ich da für eine relativ strikte Trennung, aber auch ganz klar für eine Beibehaltung opder sogar einen Ausbau der Religionsfreiheit.

(42:01)Kyra: Dankeschön. Hat vielleicht noch jemand anders eine Frage? Wäre es nicht wunderbar, wenn es beim Bundesparteitag auch so wäre, wenn es so ganz ruhig ohne große Provokationen dann die Sachen abgefragt würden? In welcher Weise gehörst du zu den Kernis oder zu den Vollies? Und wenn du zu den Vollies gehörst, was wäre jetzt für dich die ersten Schritte der Erweiterung? Und wnen du zu den Kernies gehörst, wie würdest du die Kernthemen vorantreiben, weil die liegen ja auch im Argen. Weil Umwelt, Urheberrecht usw. usf. das steht zwar drin, da arbeitet aber kein Mensch daran. Und wie gesagt, die Bildung steht bei uns auch drin als Kernthema, da arbeitet keiner praktisch dran derzeit. Wie stehst du dazu? Man kann Seipenbusch Jens' Einstellung durchaus verstehen, der immer sagt "Bevor wir erweitern, müssen wir uns um unsere Kernthemen kümmern." Oder würdest du sagen, die Piraten haben sich halt anders entwickelt und ich lasse es zu und steuere es nicht.

(43:32)crackpille: Ich habe das schon angedeutet: Ich bin Kernie, ich bin nicht der Auffassung wir müssen Hals über Kopf irgendetwas beschließen. Wir müssen schon Kompetenz haben. Aber wir werden nicht gewählt werden, das ist zumindest mein Anspruch, ich möchte auch gewählt werden, ich möchte auch politische Gestaltungsmacht bekommen und entsprechend auch gestalten. Wir werden nicht gewählt werden als eine Partei, die für ein neues Urheberrecht eintritt, das sind Luxusprobleme, die die meisten, wenn sie sie überhaupt verstehen, auch nicht interessieren. Schon alleine deshalb bin ich der Auffassung, sollten wir uns erweitern. Zweiter Punkt der dazu kommt, den ich ja auch schon angedeutet habe: Mit dem was wir als Kernthema verstehen, dass daraus ganz viele andere Sachen folgen. Wo wir also das Versprechen - wie ich schon gesagt hatte - das Versprechen, das wir mitbringen, die Welt oder die Gesellschaft, den Staat zu verbessern mit neuer Technologie und allem was damit zusammenhängt, das endet nicht beim Urheberrecht. Das strahlt auch in den sozialen Bereich aus, deshalb fand ich es gut, dass wir uns da erweitert haben. Und die wesentlichen Punkte, wo ich sagen würde wir müssen uns mal klar werden in welche Richtung wir da wollen, das ist Wirtschaft, Finanzen und internationales und insbesondere Europapolitik, weil das ein Themenkomplex ist, der ist unglaublich spannend, der hängt spiegelbildlich auch mit unserem Sozialprogramm zusammen. Wir können nicht sagen, wir wollen eine tolle starke Sozialpolitik, aber mit Wirtschaft und Finanzen beschäftigen wir uns nicht. Das wäre ein bisschen lächerlich. Und Europapolitik bzw. internationale Politik spielt da insofern mit rein, als durch die Globalisierung es bei der Wirtschaft schneller abläuft als bei der Politik. Dass die Politik dadurch stark an Macht verloren hat. Und die bekommt sie nur zurück, wenn sie entsprechend gleichzieht und sich stärker vereint und stärker abstimmt um sich von der Wirtschaft nicht erpressen zu lassen. Das sind so die drei Punkte, das hatte ich auch beim Sozi-Camp gesagt, wo wir uns entwickeln müssen, und wo wir eben auch koordiniert diese Bereiche entsprechend entwickeln müssen.

(46:13)Kyra: Das wäre nämlich meine nächste Frage: Wirtschaftspolitik. Ich halte es für völlig richtig, was du sagst, nur haben wir dafür die Leute? Weil es heißt ja immer, wir haben die Kompetenz in der Partei, aber haben wir die in dem Bereich Wirtschaft wirklich? Ist mir jetzt nicht so sehr bekannt. Wie soll das denn gehen, dass man sich für Wirtschaftsfragen muss man sich ja auch einarbeiten bzw. wenn man ein Studium der Volkswirtschaft oder sonst was hat ist man da eindeutig im Vorteil. Auch wenn man Jura studiert hat wahrscheinlich auch schon mal. Aber wie willst du das innerhalb der Partei etwas größer voranbringen, wo doch sehr viele sich in diesen Themenbereich nicht auskennen?

(47:06)crackpille: Ich denke, wenn wir uns im Grundsatzprogramm bewegen. Da stecken wir politische Ziele und Wünsche ab. Wir formulieren noch keine konkreten Gesetze, noch keine konkreten wirtschaftlichen Ansätze, dass wir sagen wir wollen die und die Steuer von dem und dem erheben unter den und den Vorraussetzungen. Da braucht man in der Tat ein sehr detailliertes wirtschaftliches Know-how, das wir soweit ich das sehe, auch noch nicht haben. Aber in diesen Bereichen bewegen wir uns ja noch gar nicht. Wir haben eine Weichenstellung vor uns, zu sagen "Sind wir wirtschaftlich eher liberal", wobei liberal das Wort raut man sich ja kaum noch zu verwenden, weil das so FDP vergiftet ist. Aber wollen eine Wirtschaft, die im wesentlichen frei ist, soweit nicht Belange betroffen sind, die die Wirtschaft selbst nicht regeln kann, wie Umwelt, wie Soziales, oder wollen wir eher in eine Wirtschaft die man eher bei den Linken finden würde. Das ist eine Weichenstellung, dafür brauche ich kein superdetailliertes wirtschaftliches Verständnis, dafür muss ich in meinemn Augen auch nicht studiert haben.

(48:24)Kyra: Wie wäre da deine Einstellung?

(48:27)crackpille: Meine Einstellung habe ich auch beim ?-Camp dargelegt, dafür habe ich auch ein bisschen Prügel bekommen. Grundsätzlich vertrete ich da eine FDP-Auffassung. Ich bin nicht unbedingt in dem Sinne wie die FDP, die Liberalität immer nur in der Wirtschaft versteht, wie wir entlasten große Unternehmen mit Milliarden, von denen wir auch entsprechend was zurückbekommen, sondern Liberalität in dem Sinne erstens dass wir uns überlegen welche Regelung, die wir bisher haben, die dazu dienen, einen sozialen Abstieg, eine soziale Katastrophe zu verhindern. Beispielsweise ein starker Kündigungsschutz ist ja das Ergebnis davon dass man nach der Kündigung in ein soziales Loch fällt, wo man überlegen muss, brauchen wir das noch wenn wir ein starken Sozialstaat machen, oder können wir davon nicht Teile überarbeiten oder abschaffen. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt wo wir wieder dazu kommen, wo ich sage wir haben neue Technologie, und das strahlt in alle Bereiche aus, ist der Punkt Die Eintrittshürden, die jeder einzelne hat sich in der Wirtschaft selbst zu profilieren, selbst zu vermarkten, dass die gegenwärtig unglaublich hoch sind. Sei es auf Grund der Verwaltung, sei es weil es da ein starkes Herrschaftswissen gibt von Dingen die man nicht versteht. Zum Beispiel ein Formular um irgendetwas anzumelden usw. usf. Und das ist auch ein Punkt, wo wir ansetzen können, und wo wir sagen wir wollen Verwaltung vereinfachen, weil Verwaltung oft mit dem Computer erledigt werden kann. Wir wollen die Hürden insofern senken, dass wir auch als Staat demjenigen an die Hand nehmen können uns sagen "Schau mal, du willst ein Gewerbe gründen. Wir geben dir an die Hand, hier ist eine tolle Software, mit der kannst du deine Sachen verwalten. Die hat eine Anbindung dass du auch deine Steuern damit zahlen kannst. Hier haben wir noch einige Lehrvideos, die kannst du dir anschauen. Um zu wissen wie man Buchführung macht, worauf man achten muss usw. usf." Also dass diese Unterscheidung, die wir gegenwärtig immer propagiert haben, die ja auch in uns drin ist, so Arbeitgeber / Arbeitnehmer. Ich bin als Arbeitnehmer geboren - Pech gehabt. Dass wir da ein Stück herauskommen und die Welt insofern demokratischer machen. Deshalb ist das wie gesagt auch wieder so ein Beispiel dafür, dass die Technologie da neue Dinge möglich macht, die es bisher nicht gab. Und die können eigentlich nur wir sehen, weil die anderen sich ja sogar vor Twitter fürchten.

(50:56)Kyra: Wie stehst du in dem Zusammenhang zum Bedingungslosen Grundeinkommen?

(51:02)crackpille: Die Diskussion habe ich verfolgt. Meine gegenwärtige Meinung - Wobei ich sagen muss die ist nicht abschließend, weil ich für mich noch nicht das Gefühl habe in dieser Hinsicht genügend Information zu haben – Ich bin nicht begeistert von der Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens in der Hinsicht, dass jeder eine Summe X bekommt, egal ob er es braucht. Also wenn ich mir vorstelle, dass wir dann unglaublich viel Geld darauf verschwenden, Leuten Bedingungsloses Grundeinkommen zu geben die 10, 20, 30tausend Euro im Monat verdienen, muss ich sagen das ist Quatsch. So müssen wir unsere Ressourcen nicht verschwenden. Aber im Grundsatz, was ich so präfferire an dieser Stelle, ist die Idee einer negativen Einkommenssteuer. Auch in dem Sinne, dass es ohne Antrag abläuft, dass ich ein Konto habe, da läuft immer mein Geld darüber wenn ich etwas verdiene, da wird die Einkommenssteuer direkt abgezogen. Aber wenn ich jetzt mal nichts verdiene im Monat oder 2 Monate oder ein Jahr, dann bekomme ich entsprechend weil ich ja nichts einzahle diese negative Einkommensteuer als Art bedingungsloses Grundeinkommen ausbezahlt. Das finde ich gut und das würde ich auch unterstützen.

(52:22)Kyra: Danke frage ich noch mal in die Runde die hier schweigsam ist: Hat vielleicht noch jemand anderes eine Frage? Im Pad hat sich keiner gemeldet. Dann mache ich noch weiter. Wie siehst du die Piratenpartei, was wäre für dich bei der nächsten Bundestagswahl ein Erfolg. Erwartest du dass wir 5% schaffen oder rechnest du damit dass der Aufbau der Piraten länger dauern wird?

(53:00)crackpille: Da muss ich mal ganz peinlich fragen: Wann ist denn die nächste Bundestagswahl?

(53:06)kyra: In drei Jahren glaube ich, denn die letzte war, oder … ungefähr.

(53:17)Crackpille: Ich würde nicht darauf wetten, dass wir 5% in der nächsten Bundestagswahl nehmen. Allerdings halte ich es auch nicht für ausgeschlossen, wenn uns die Gelegenheit günstig in die Hände spielt. Das muss jetzt nicht gerade ein digitales Fukushima sein, so dass wir dann vor Kraft kaum laufen können wie die Grünen. Aber ich denke, wenn wir uns anstrengen, wenn wir uns auch als Partei auf Strukturen einigen, die dazu führen dass wir auch inhaltliche Arbeit machen können, wenn wir es schaffen, aus unserer Partei Leute in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und zu profilieren, und auch da ankommen dass wir eigene Themen setzen, die Parteien ein bisschen vor uns hertreiben können, ist das für mich kein unerreichbares Ziel. Aber wie gesagt, ich würde nicht darauf wetten.