Benutzer:Piratenschlumpf/Reisekostenneutralität

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Wie das mit den Reisekosten geht steht für NRW auf NRW:Schatzmeister/HowTo_Reisekosten. Das Bundesformular gibt es hier: Reisekosten.

Hallo Dr Sommer,

ich wohne im Kreisverband Oxford (LV Salzburg) und wurde von meinem Kreisvorstand zur unglaublich wichtigen 3-tägigen Open Marina 12.0 nach Dorfen entsandt. Um der Partei Kosten zu sparen, habe ich die 2570 km Hin- und Rückweg per Anhalter zurückgelegt, vor Ort unter der Brücke geschlafen und die ganze Zeit weder gegessen noch getrunken. Die Reisekostenabrechnung hab ich mir dann auch gespart um die Verwaltung zu entlasten. Wie gut würde es der Partei gehen, wenn es nur jeder so machen würde wie ich?

gezeichnet, Basispirat



Hallo Basispirat,

Ja, das hast du ganz toll gemacht. Insbesondere die AfD, die NPD und die Republikaner möchten sich bei dir für deine Spende von 2,70€ bedanken.

Oh... hab ich ein paar Schritte übersprungen? Also nochmal langsam von vorne.

Der Partei Geld sparen

Es ist nichts dagegen einzuwenden der Partei Geld zu sparen. Man muss nicht Businessclass fliegen, oder seine Flüge erst kurz vor dem Abflugtag buchen. Kostensenkung durch Wahl von billigeren Verkehrsmitteln und Mitfahrgelegenheiten ist immer sinnvoll. Beispielsweise kann ein Billigflug, der 3 Monate im voraus gebucht wurde, durchaus günstiger sein als eine Bahnfahrt. Und vor Ort ist das Großraumtaxi eventuell günstiger (und schneller und bequemer) als 7 Einzelfahrkarten. Um quer durchs Land zu fahren sind 3 Personen in 1 Auto nicht nur günstiger, sondern auch weit ökonomischer und umweltfreundlicher als 3x 1 Person in jeweils 1 Auto. Und natürlich muss es auch im Hotel nicht unbedingt die Bundeskanzlerlounge sein. Hier gibt es sinnvolle Vorgaben in der Reisekostenrichtlinie, eine Obergrenze für Ausgaben definiert durch den Vorstandsbeschluss, und die Pflicht des Vorstands auf Wirtschaftlichkeit zu achten.

Pauschalen

Dann gibt es noch die zwei Reisekostenpauschalen: Verpflegungsmehraufwand und die Übernachtungspauschale. Auch wenn du unter einer Brücke schläfst, hast du dafür ein Anrecht von der Partei 20€ pro Nacht zu bekommen. Der Verpflegungsmehraufwand beträgt 12€ für An- und Abreisetag, und 24€ pro ganzem Tag. Auch das ist eine Pauschale. Die Partei deckt zwar nicht dein allabendliches Bankett ab, erkennt aber an, dass du unterwegs dich eventuell etwas teurer ernährst, als du es daheim tätest.

Für die (angenommen 3-tägige) 0€-Fahrt nach Dorfen kannst du also von der Partei trotzdem 2x20€ für die Übernachtung und 12+24+12€ Verpflegungsmehraufwand bekommen. Macht insgesamt 88€. Soweit ist das alles noch kein Problem.

Der Partei kein Geld sparen

Problematisch wird es ab dem Punkt "Hat doch alles nix gekostet, warum also den Aufwand mit Reisekostenabrechnung machen?". Reisekosten nicht abzurechnen ist in der aktuellen Situation der Piratenpartei reichlich dämlich. Aber im Einzelnen:

Die kurzfristige, innerverbändliche Sichtweise

Du hast einen Reisekostenanspruch von 88€ gegen deinen Kreisvorstand. Wenn du diesen Anspruch nicht in Anspruch nimmst, hat der Kreisvorstand keine Ausgaben*.

GliederungReisekostenRückspendeErgebnis
KV Oxford0,00€0,00€0,00€

Wenn du die Reisekostenabrechnung hingegen machst und vollständig zurückspendest, ergibt sich folgendes Bild:

GliederungReisekostenRückspendeErgebnis
KV Oxford-88,00€+88,00€0,00€

Also nur Mehraufwand für alle Beteiligten. Ja, aus dieser Sicht könnte man sichs komplett sparen.

*: Der Vorstand muss aber die 88€ im schlimmsten Fall bis zum nächsten Februar zurücklegen, weil du die Reisekostenabrechnung ja immer noch später machen könntest. Er kann sie also nicht anderweitig ausgeben. Bei einer Rückspende steht der Betrag sofort wieder zur Verfügung. Es gibt also auch einen Liquiditätsunterschied.

Die mittelfristige, innerparteiliche Sichtweise

Ohne Reisekostenabrechnung, wenig überraschend:

GliederungReisekostenRückspendeErgebnisDifferenz Einnahmen
Parteinfinanzierung
KV Oxford0,00€0,00€0,00€0,00€
LV Salzburg0,00€0,00€0,00€0,00€
Bundesverband0,00€0,00€0,00€0,00€
Partei insgesamt0,00€

Mit Reisekostenabrechnung und vollständiger Rückspende:

GliederungReisekostenRückspendeErgebnisDifferenz Einnahmen Parteinfinanzierung
= Ergebnis Folgejahr
KV Oxford-88,00€+88,00€0,00€+0,78€*
LV Salzburg0,00€0,00€0,00€+3,88€*
Bundesverband0,00€0,00€0,00€+13,20€*
Partei insgesamt+88,00€

Ja sowas! Dadurch dass die Piratenpartei einen höheren Anspruch auf Parteienfinanzierung als Eigeneinnahmen hat, wird die Parteienfinanzierung gedeckelt. Im Umkehrschluss bedeutet jeder Euro Spendeneinnahme einen zusätzlichen Euro im nächsten Jahr. Und das auch für Euros, die aus einem Verzicht für Reisekostenerstattung entstehen, wenn - ja, wenn - die Reisekostenabrechnung gemacht wurde. Und das für jeden Euro, bis wir die Anspruchsgrenze erreichen - aktuell (03/14) sind das *finger-in-Mundwinkel-steck* Eine. Million. Euro.**

*: Die genaue Verteilung innerhalb der Partei ist kompliziert, und lässt sich in diesem Beispiel nur ungenau und exemplarisch wiedergeben. Insbesondere hängt sie von den Einnahmen und dem Stimmenkonto aller einzelnen Landesverbände, und der Regelung der Verteilung der Parteienfinanzierung unterhalb der Landesverbände ab. Insbesondere andere, finanzschwächere Landesverbände erhalten ebenfalls einen Teil. Aber es gilt: ein Verband, der mehr Eigeneinnahmen hat, ist nicht schlechter gestellt als ein Verband mit weniger Eigeneinnahmen. Und egal wie die Verteilung innerhalb der Partei genau aussieht, die Partei insgesamt erhält den vollen Betrag.

**: Wenn du also mehr als eine Million Spenden generierst, stimmt die ganze hier dargestellte Rechnung eventuell nicht mehr. Aber wenn du eine Million Euro Spenden generierst überarbeite ich auch gerne die Seite.

Die langfristige, interparteiliche Sichtweise

So weit, so gut. Aber in der Folgenabschätzung gehts noch ein wenig weiter. Die gesetzliche Regelung zur Parteienfinanzierung wurde vor kurzem geändert. Wird der Anspruch einer Partei gedeckelt, dann verfällt er nicht mehr, sondern geht an die anderen Parteien*. Und dann hat die unterlassene Reisekostenabrechnung den folgenden Effekt:

ParteiDifferenz Einnahmen
Parteinfinanzierung
Piratenpartei0,00€
CDU+27,45€*
SPD+27,37€*
Grüne+8,60€*
LINKE+6,37€*
CSU+6,86€*
FDP+6,00€*
AfD+1,06€*
NPD+0,71€*
REP+0,93€*
...+2,65€*

Und mit Reisekostenabrechnung:

ParteiDifferenz Einnahmen
Parteinfinanzierung
Piratenpartei+88,00€*
...0,00€

Tja. Der Unterschied zwischen '88€ haben' und '88€ nicht haben' sind am Ende also 176€.

*: Wie schon oben, sind die Zahlen hier natürlich auch nicht korrekt. Zunächst muss die absolute Obergrenze der Parteienfinanzierung erreicht, und um 88€ überschritten werden, das war 2013 nicht der Fall, könnte aber 2014 passieren. Wenn diese Grenze erreicht wird, werden die 88€ natürlich auch entsprechend gekürzt und damit weniger - der Effekt ist aber vergleichsweise schwach. Die genaue Verteilung auf die anderen Parteien wiederum hängt von deren Einnahmens- und Rechenschaftsberichtssituation ab. Für die obige Tabelle wurden die für 2013 festgesetzten Zahlen verwendet.

tl;dr: Macht eure Abrechnungen, erst recht wenn ihr das Geld nicht wollt!

Nachträge und Ausnahmen von der Regel:

  • Wenn du einkommensteuerpflichtig bist, die Spendengrenzen noch nicht überschritten hast und die Spende auf einer Einkommensteuererklärung angibst, ergibt sich ein Plus von bis zu 50% des Betrags der Rückspende (korrekterweise: Aufwandsverzichtsspende) auf dem nächsten Steuerbescheid. Abrechnung der Reisekosten lohnt sich also auch dann für dich, wenn du von der Partei nichts zurückbekommst.
  • Umgekehrt schlägt die staatliche Schikane bei Hartz IV-Empfängern zu: Anscheinend wird denen eine Aufwandsverzichsspende abgezogen. Ich würde vermuten, dass es auch in dem Fall Umgehungsmöglichkeiten gäbe, dürfte und würde so etwas aber selbstredend niemals empfehlen. Der einfache und legale Weg wäre hier also möglicherweise tatsächlich: keine Reisekosten abrechnen.
  • Unabhängig von einer Aufwandsverzichtsspende müssen Reisekosten immer vorab durch einen Beschluss abgesegnet worden sein. Und die Gliederung muss es sich leisten können. Ein Beschluss mit dem berühmten Kommentar "wird doch eh zurückgespendet" im Protokoll führt zu einer unzulässigen Spende und zu Ärger durch Kassenprüfer, übergeordneten Schatzmeistern, der Wirtschaftsprüfung und dem Bundestag (Gewünschte Eskalationsstufe bitte selbst wählen).