Benutzer:Entropy/BPT132/SMV

Aus Piratenwiki Mirror
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Vorwort

Auf dieser Seite hatte ich für einen BPT Kritikpunkte an einer SMV (Ständigen (online) Mitgliederversammlung) mit Delegated Voting gesammelt. Die Argumente sind weiterhin gültig. Sie zeigen die fundamentalen Probleme von deratigen Delegated Voting Systemen und deren Unvereinbarkeit mit den meisten Wahlrechtsgrundsätzen. In eine ähnliche Richtung geht auch der empfehlensewerte Artikel "Flüssigsprengstoff" Teil 1 und Teil 2. Lesenswert ist auch dieser englische Artikel.

Vorlage:AntragslinkBPT bzw. Vorlage:AntragslinkBPT

Beschlussempfehlung: ablehnen

BPTArguments

Kommentare bitte nur auf der Diskussionsseite abgeben

Ich habe bereits ausführlich dargelegt, warum eine solche SMV ein Rückschritt gegenüber dem bereits beschlossenen Basisentscheid wäre.

Der Basisentscheid entspricht bereits dem Modul 1 (Basisantrag), Modul 9 (regelmässige Abstimmung) und Modul 14 (GO-Änderung), wobei beim Basisentscheid nur die Geschäftsordnung festlegt, wann und wie oft abgestimmt wird und es zusätzlich die Möglichkeit der dezentralen geheimen offline-Abstimmung gibt. Bei Annahme von Vorlage:AntragslinkBPT wäre auch Modul 11 erfüllt, wobei sogar das Problem des Parteitagsvorbehalts berücksichtigt wird. Sollte die Wirksamkeit des Parteitagsvorbehalts in Vorlage:AntragslinkBPT gerichtlich bestätigt werden, wären Programm- und Satzungsänderungen durch eine SMV ebenso nichtig. Sie könnten darin aber nicht einmal als Empfehlung abgestimmt werden sein. Da nicht definiert ist, was eine "richtige" SMV ist, könnte man den Basisentscheid als Verfahren zur Beteiligung auch einfach in SMV umbenennen Vorlage:AntragslinkBPT.

Es bleiben also noch Module 2 bis 6 (Stimmrechtsübertragung), 7 und 8 (bürgerlicher Name), 10 (Bestätigungsabstimmung), 12 (Satzungsänderungen), 13 (nicht geheime Personenwahlen).

Disclaimer: dieser Text ist selbstverständlich meine begründete Meinung und kein Gerichtsurteil!

Delegation (Stimmrechtsübertragung) ist nicht wünschenswert sind und wäre gesetzwidrig (Module 2-6)
  • Delegation bedeutet effektiv: "Entscheide für mich, ich vertraue dir blind". Was der Delegierte abgestimmt hat, erfährt der Delegierende erst nach der Abstimmung, wenn nichts mehr korrigiert werden kann. Er kann dann wie in der repräsentativen Demokratie über "die da oben" schimpfen und sich somit der Verantwortung entziehen. Wer hingegen selbst abstimmt, ist eher bereit, kontroverse Entscheidungen mitzutragen.
  • Weiterdelegation: Noch problematischer ist es, wenn die übertragenen Stimmrechte noch weiter übertragen werden können (transitive Delegation aka Kettendelegation). Der Delegierende müsste sich dabei Delegierte wählen, die Experten zu einem Sachthema sind und abstimmen, oder zumindest im Sinne des Delegierenden weiterdelegieren können. Das Letztere ist jedoch viel schwerer einzuschätzen, so dass damit Kontrolle und Vertrauen verloren geht. Da eine der Hauptgründe für Delegation ist, seine Stimme nicht "verfallen" zu lassen, sollte man sich Delegierte suchen, die regelmäßig selbst abstimmen oder zur Absicherung weiterdelegieren. Durch Letzteres werden aber gerade lange Delegationsketten gefördert (siehe Superdelegierte). Auch die Variante der sogenannten Präferenzdelegation ist bei näherer Betrachtung eine Verallgemeinerung der transitiven Delegation. Hierbei kann jeder eine sortierte Liste von Delegierten angeben, an die der Reihe nach die Stimme übertragen wird, falls die vorhergehend nicht selbst abstimmen. Aber durch ein einfaches Skript, das den Delegationsbaum linearisiert, könnte jeder Benutzer automatisch eine transitive Delegation für sich umsetzen lassen.
  • Entscheidungsfindung: Bei Delegated voting geht es nicht nur um Abstimmung, sondern vor allem um die Entscheidungsfindung, die ja die Delegierenden abgeben wollen. Denn eine reine Stimmabgabe wäre durch ausreichend Abstimmungszeit und online-Zugriff kaum eine Hürde. Aber gerade die Debatte führt häufig zu Meinungsumschwüngen. Da der Delegierende sich durch die Delegation idR der Debatte enthält (sonst würde er ja nicht delegieren, wenn er sowieso selbst entscheidet und abstimmt), gibt seine ursprüngliche Delegation ggf. nicht eine solche wieder, die er nach Teilnahme der Debatte wählen würde. Ein Ergebnis mit Delegationen entspricht also nicht einfach einem solchem, das zustande käme, wenn alle Teilnehmer genügend Zeit für die Entscheidungsfindung und das Einarbeiten hätten.
  • Wirkliche Beteiligung besteht darin selbstverantwortlich und informiert abzustimmen bzw. abzustimmen können. Wer abstimmt, trägt Verantwortung. Wer diese nicht tragen will, kann sich enthalten. Da man nicht kontrollieren kann, wie viele auf einen delegieren, kann einem noch viel mehr Verantwortung aufgedrückt werden, als einem lieb ist, und man zur Enthaltung oder Rechtfertigung gezwungen werden.
  • Für Delegationen ist zwingend zur Kontrolle notwendig, dass die Delegationen jedes Teilnehmer und dessen Stimmenabgaben zumindest unter Pseudonym veröffentlicht werden.
  • Wahl der Delegation: Eine solche Stimmübertragung hat den gleichen Charakter wie eine Personenwahl, die für alle politischen Entscheidungsträger aus guten Gründen geheim ist (Vermeidung von sozialem Druck, Stimmenkauf). Denn der Wähler offenbart mit der Delegation selektiv einem Delegierten mehr Vertrauen als allen anderen. Allein deswegen fühlt er sich gezwungen so zu delegieren, dass es seine sozialen Beziehungen nicht gefährdet, anstatt nach Kompetenz, Werten bzw. Vertrauen. Eine geheime Wahl oder Delegation ist aber per se in dem System ausgeschlossen und wäre online ohnehin sehr problematisch.
  • Delegation schliesst prinzipiell geheime Abstimmung aus, da jederzeit Delegation entzogen werden können muss, abgegebene Stimmen aber nicht mehr zuordenbar wären. Weiterhin könnte man die Stimme des Delegierten nicht mehr überprüfen. Einfachen Mitgliedern sind aber nach herrschender Rechtsmeinung (z.B. Kersten/Rixen §15 Rn 12ff) stets auch bei Abstimmungen auf Antrag eine geheime Abstimmung zu ermöglichen. Bei staatlichen Abstimmungen gelten die Wahlgrundsätze genauso für Abstimmungen (Maunz/Dürig Art. 20 II Rn 111).
  • Fehlende Chancengleichheit: Will jemand (mehr) Delegationen und damit Einfluss erhalten, so muss er aktiv darum werben, wenn er nicht ohnehin ein privilegierter Prominenter ist. Letztere haben deutlich Vorteile, weil Menschen lieber denen geben, die ohnehin schon viel haben (Matthäus Effekt). Um zu werben muss er seine Identität offenlegen um einen guten Ruf erarbeiten zu können, was aber im Interessenkonflikt zur Parteimitgliedschaft stehen kann, von der Unvereinbarkeit mit Datenschutz ganz zu schweigen. Denn viele haben durch die "falsche" Parteimitgliedschaft berufliche Nachteile. Solche Personen haben also noch weniger Chancen, Einfluss zu erhalten. Aber auch für normale Mitglieder gibt es kein faires Verfahren für Delegationen zu werben; in einem repräsentativen System (z.B. Vorstandswahlen) könnten alle Bewerber sich hingegen unter gleichen Bedingungen vorstellen und haben damit gleiche Chancen.
  • Superdelegierte: Delegierte haben keine Anreize dazu, ihre Entscheidungen zu begründen oder auf einfache Mitglieder einzugehen. Wer viel Stimmgewicht hat, wird kaum auf alle möglichen Anfragen oder Anregungen von Unbekannten oder Mitgliedern mit wenig Stimmgewicht eingehen, die gerade dieser besonders erhalten wird. Erstens, weil der Superdelegierte dadurch überlastet wäre, zweitens weil die Mitglieder kein Recht auf Gehör haben (in repräsentativer Demokratie gibt es dafür das Petitionsrecht), und drittens weil die einfachen Mitglieder aus Sicht des Superdelegierten wegen ihres geringen Stimmgewichts wohl unbedeutend sein müssen. Eine Debatte vor dem Überschreiten von Quoren oder der Abstimmung wird so gerade nicht gefördert, da ja sowieso die Delegierten mit hohem Stimmgewicht fast alles unter sich entscheiden könnten.
  • Filter: Kaum ein Mitglied hat die Zeit, alle eingereichten Anträge zu sichten und die Spreu vom Weizen zutrennen. Die wenigen, die das können, haben kaum das Stimmgewicht einen Antrag über eine Quorum zu heben. Es sei denn sie sind Superdelegierte, die häufig schon alleine das Quorum erreichen und somit Anträge in die nächste Phase schicken. Die meisten Mitglieder werden sich aus Zeitmangel höchstens auf solche Anträge beschränken, womit eigentlich mehrheitsfähige Anträge, die aber Superdelegierten nicht gefallen, gar nicht erst die Aufmerksamkeit der Mehrheit erlangen würden.
  • Die Manipulations und Machtmissbrauch wird deutlich erleichtert: Wie auch in der repräsentativen Demokratie können Personen mit hohem Stimmgewicht viel effektiver durch Lobbys beeinflusst werden als einfache Mitglieder. Dies fördert das "Ehernes Gesetz der Oligarchie" und Absprachen über Abstimmungen hinweg, die den Abstimmungs-spezifischen Delegationen nicht gerecht werden. Stimmkäufer könnten von inaktiven Mitgliedern Delegation kaufen und leicht weitervermitteln/kaufen. Gäbe es keine Delegation, müssten sie hingegen jedesmal jedes gekaufte Mitglied dazu bringen, in ihrem Willen abzustimmen, was deutlich aufwendiger wäre.
  • Delegation führt nicht zwangsläufig zu Transparenz. Wer Machtstrukturen verschleiern will, kann externe Wege (z.B. Abstimmungsvorgaben per Telefon) nutzen um eine scheinbare Unabhängigkeit vorzuspiegeln. Nur wer aus Faulheit delegiert oder nichts zu verschleiern hat, würde, wenn überhaupt, aus Komfort Delegationen verwenden.
  • Die Freiheit zu Delegieren: Es gibt aus gutem Grund bisher keine solche Möglichkeit zur Stimmrechtsübertragung auf Parteitagen (§10 Abs. 2 PartG). Die Einführung der Möglichkeit der Delegation geht zu Lasten grundsätzlicher Rechte der Mitglieder: Sie sind gezwungen, ihr Stimmverhalten bzw. ihre Identität offenzulegen, wenn sie teilnehmen bzw. nicht relativ zu anderen stark an Einfluss verlieren vollen. Sie können nicht mehr geheim Abstimmen, und sie müssen zwingend in ein manipulierbares Online-System vertrauen. Die Freiheit soll aber dort enden, wo sie anderen schadet.
  • Nur Online: Die Erfassung und Verwaltung der Delegationen erfordert zwingend ein online-System. Online-Abstimmungen sind aber wesentlich manipulationsanfälliger als offline Verfahren (z.B Urne), weil sie eben gleichzeitig auch den Missbrauch erleichtern. Delegationen machen das Online-System noch komplexer und sind entsprechend für Teilnehmer schwerer zu erlernen bzw. leichter fehlzubedienen.
  • Entzug: Es wird behauptet, man könne ja jederzeit die Delegation entziehen. Wer aber im Sinne der Delegation blind vertraut, hat keinen Anlass nachträglich die Entscheidung zu kontrollieren. Und wer die Zeit hätte, ständig eine eigene Entscheidung zu treffen und zu überprüfen, ob der Delegierte auch so abgestimmt hat, könnte gleich selbst abstimmen. Passende Delegierte zu finden kostet ebenfalls Zeit, die man gleich zur eigenen Entscheidungsfindung nutzen könnte. Die Kontrolle erfolgt also bestenfalls nur selten oder unvollständig und somit wird Missbrauch erleichtert. Das sog. fire&forget Problem wurde auch von Delegations-Anhängern bereits erkannt.
  • Ein Delegationsverfall schützt nicht vor Missbrauch oder "fire and forget": gerade Teilnehmer, die aus Zeitmangel delegieren, können sich in einem Online-System einfach automatisch mit einem Skript die alten Delegationen wiederherstellen lassen (siehe auch Autoablehnen in LQFB).
  • Diese ganzen Probleme lassen sich durch verkettete Beschlussempfehlungen - der ursprünglichen Idee von liquid democracy - vermeiden. Dabei kann jeder - ähnlich wie auf Twitter, aber noch viel weitergehender - seine begründeten Empfehlungen zu einer Abstimmung abgeben, von anderen abonnieren oder weiterleiten. Jeder stimmt dann selbstverantwortlich ab, kann sich aber durch de Empfehlungen deutlich die Entscheidungsfindung erleichtern. Jeder weiss vor Abstimmungsende, was seine Vertrauen/Experten empfehlen. Das System könnte auch mit geheimen Offline-Abstimmungen verwendet werden.
  • zum Rechtlichen: Der neue Parteiengesetzkommentar von Ossege (2012) S.214ff enthält eine ausführliche Begründung warum Stimmrechtsübertragungen in Parteien nicht zulässig wären. "Demnach kommt grundsätzlich nur eine solche Bevollmächtigung eines anderen Mitglieds in Betracht, die dem Bevollmächtigten keine eigenen Entscheidungsspielräume lässt." D.h. eine Mitglied könnte bestenfalls einem anderes Mitglied beauftragen seine bereits getroffene Entscheidung mitzuteilen (imperatives Mandat). Diese könnte aber auch nicht in einer geheimen Abstimmung kontrolliert werden. Weiterhin könnte der Delegierte trotz Meinungsumschwungs in der Debatte nicht mehr von der vorgegebene Entscheidung abweichen.
Bürgerlicher Name (Module 7 und 8)
  • Im Basisentscheid steht es jedem frei, seinen Bürgerlichen Namen und Stimme (sogar verifiziert) zu veröffentlichen. Kein Mitglied ist aber dazu gezwungen (Informationelle Selbstbestimmung). Anders ist es in diesen SMV-Modulen.
  • Bürgerliche Namen bieten keinen Schutz vor Manipulation, weil die Anzeige von "Bürgerlicher Namen - Stimme" lediglich eine Behauptung ist. Der Benutzer mit dem Bürgerlichen Namen kann weder beweisen dass er, noch widerlegen, dass er nicht so wie angezeigt abstimmt hat. Jeder könnte bei unpassendem Ergebnis eine Manipulation behaupten und damit jedes Ergebnis kippen. Bürgerliche Namen schützen auch nicht wirklich vor Sockenpuppen, weil man die Echtheit eines Mitglied nicht widerlegen kann, nur weil es sich nicht gegenüber einem Dritten als Mitglied ausgeben will oder nicht erreichbar ist. Die einfachste Manipulation ist ohnehin, Delegation von echten, aber inaktiven Mitgliedern auf sich selbst umzuleiten. Da sind inaktiv sind, merken sie das auch nicht. Das Sockenpuppenproblem ist also eher nachrangig.
  • Die Stimme unter Bürgerlichen Namen wäre bestenfalls ein Indiz über das Stimmverhalten, das von aggressiven Gruppen genutzt werden kann, um sozialen Druck auszuüben. Das Mitglied könnte sich nur durch entschuldigen, indem es behauptet, dass seine Stimme manipuliert wurde, oder das dies ein Namensvetter ist. Der einzig erkennbare Grund für Bürgerliche Namen ist sozialen Druck ausüben zu können und damit die Freiheit einfacher Mitglieder einzuschränken! Das geht noch nicht mal auf einem Bundesparteitag, auf dem weder die Identitäten noch Stimmen systematisch dauerhaft erfasst werden können.
  • Man muss jedoch zwischen einfachen Mitgliedern und gewählten Funktionsträgern/Vertretern unterscheiden. Letztere haben sich freiwillig in eine Position wählen lassen und übernehmen damit besondere Verantwortung. Sie bedürfen einer Kontrolle durch ihre Wähler, damit diese beurteilen können, ob sie wirklich umsetzten, wofür sie gewählt wurden. Hier wäre eine Sonderbehandlung denkbar. Sie wurden aber nicht als Vertreter in der SMV gewählt, so dass sie grundsätzlich wie alle anderen Mitglieder zu behandeln sind. Weiterhin kann einfachen Mitgliedern ein solcher Zwang im Nachhinein nicht zugemutet werden, weil Parteien auf Bundesebene der einzige Weg sind, sich effektiv politisch einzubringen (Recht auf Parteigründung, GG). Dies ginge nur, wenn eine Partei von Anfang dies als Bedingung zur Aufnahme festlegt. Die Piraten sind aber grösstenteils wegen besserem Schutz der Privatsphäre/Datenschutz eingetreten.
  • Zum Rechtlichen: Ein solcher Zwang zur Offenlegung der personenbezogenen Daten, insbesondere im Kontext der besonders schützenswerten Daten wie Mitgliedschaft in einer Partei, gegenüber Dritten (also anderen Mitgliedern) ist datenschutzrechlich ein No-Go. Ganz abgesehen davon, dass irgendein Mitglied innerhalb kürzester Zeit das Mitgliederverzeichnis irgendwo unwiderruflich veröffentlichen könnte. Alle Rechtlichen Details findet man Gutachten des Berliner Datenschutzbeauftragten.
Konstrukt der "online tagenden ständigen Mitgliederversammlung" (Modul 1)
  • Dieses Konstrukt ist rechtlich nicht haltbar: Grundsätzlich gilt: wenn das Parteiengesetz keine abweichenden Vorgaben macht, gilt Vereinsrecht (BGB §§27-54). BGB §32 unterscheidet grundsätzlich zwischen der Mitgliederversammlung (Absatz 1) und dem Umlaufbeschluss/Urabstimmung (Absatz 2). Bei letzteren ist nicht eine einfache Mehrheit, sondern eine Zustimmung aller Mitglieder für eine Beschluss notwendig. Vereine haben aber dank BGB §40 grosse Freiheiten, so dass sie in ihrere Satzung z.B. eine "Online-Versammlung", die eigentlich ein Umlaufbeschluss ist, einführen und der Mitgliederversammlung gleichstellen können. Das Parteiengesetz hingegen lässt das nicht zu. Es gibt der Mitgliederversammlung in §9 Absatz 3 und 4 besondere Kompetenzen, die laut herrschender Rechtsmeinung nicht von der Satzung nicht auf die Urabstimmung, und schon gar nicht auf andere Organe übertragen werden kann. Diese Einschränkung wird zwar von Experten als verfassungwidrig eingeschätzt (Morlok 2011), sie ist aber bis zu einem entsprechenden Gerichtsurteil gemäß Wortlaut auszulegen. Man muss zwischen verschiedenen Begriffen wie Online-Parteitag oder dezentraler Parteitag unterscheiden. Mit Online-Parteitag wird in der Literatur (Robbe, Ossege S.207ff) eine möglichst getreue Umsetzung einer Realversammlung im Internet bezeichnet. Dazu gehört die Aussprache in Bild und Ton, Sychronität, ein Aufmerksamkeitsfokus, begrenzter Zeitraum usw. Ein dezentraler Parteitag würde diese Anforderungen erfüllen. Eine SMV oder eine sonstige asynchrone Online-Abstimmung ohne Aussprache bietet das jedoch definitiv nicht.
  • Die SMV müsste also um der Satzung gerecht zu werden eine Art dezentralen Parteitag umsetzen, was sicher nicht den Vorstellungen der Antragsteller entspricht. Andernfalls wäre sie de facto eine Urabstimmung mit entsprechend eingeschränkten Kompetenzen. Eine Urabstimmung als Mitgliederversammlung um zu deklarieren, ist unwirksam, da alleine Erfüllung der Merkmale einer Mitgliederversammlung (Versammlungscharakter) einen Parteitag konstituiert.
  • Weiterhin deutet das "ständig" auf eine Tagung ohne Unterbrechung. Dies ist aber alleine schon auf Grund des mindestens 2jährigen Zusammentretens des Parteitags PartG §9(1) nicht vereinbar. §6(1)Nr.9 schreibt auch die Einberufung mit Tagesordnung vor. Dafür ist nach Vereinrecht eine Tagesordnung notwendig, die die Vorbereitung der Mitglieder ermöglicht. Eine Tagesordnung mit allen Anträgen für die nächsten Jahre dürfte unmöglich sein.
  • das Verhältnis zu Vorlage:AntragslinkBPT: Nur ein Gericht könnte feststellen, ob der Parteitagsvorbehalt auch im Sinne Morloks verfassungskonform ausgelegt werden kann. Die Chancen dafür halte ich nicht besonders hoch, aber einen Versuch wert. Falls dies zutrifft, wäre das Konstrukt "der ständigen Online-Mitgliederversammlung" ohnehin unnötig, weil jede Form von Urabstimmung zulässig wäre. Wenn das Gericht aber die gängige Auslegung des Parteitagsvorbehalts bestätigt, müsste es prüfen, ob eine SMV entweder eine "echte" Mitgliedersammlung oder eine Urabstimmung wie der Basisentscheid darstellt. Aus den o.g. Gründen würde es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Letzteres feststellen und damit die Kompetenzen wesentlich einschränken.
Modul 12
Satzungsänderungen mit einem weder genau beschrieben noch in der Praxis getesten Verfahren gleich online beschliessen können? Das ist viel zu früh. Die Satzung schützt bisher vor grösseren Katastrophen. So könnte man aber z.B. per Manipulation eine Hardcore SMV einführen, und keiner kann es widerlegen.
Modul 13
Personenwahlen online?: WTF. Welche Positionen sollen überhaupt so gewählt werden?

Vom inhaltlichen abgesehen, ist bereits die modulare Struktur mit den vielen Abhängigkeiten so verwirrend, dass sich die Versammlungsleitung sicherlich schon sehr darauf freut ^^. Alleine deren Erklärung dürfte ordentlich Zeit kosten.

Dass ausgerechnet an einem Wahlparteitag, an kaum Zeit für Antrag bleibt, noch kein EU-Wahlprogramm beschlossen ist, unbedingt wieder ein SMV Antrag behandelt werden soll, der schon letztes Mal die Partei spaltete und sehr viel Zeit kostete, ist reichlich absurd. Warum kann damit nicht bis zu einem späteren BPT gewartet werden, der BEO ausprobiert und etwaige Verbesserung per Basisentscheid durch alle beschlossen werden?