AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaWährungohneZentralbank

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80px|Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Vorlage:Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Eine Währung braucht keine Zentralbank

Ausgangspunkt

Im Geldverständnis der meisten Menschen spielt das Vorhandensein einer Zentralbank als Geldemittentin eine herausragende Rolle. Oft basiert dies auf der Vorstellung, dass nur die Zentralbank "echtes" Geld emittieren kann, welches dann von den Geschäftsbanken gehandelt wird. Sie ist also SYSTEMATISCH notwendig.

Letztlich basiert dieses Geldbild auf der Münze des Landesfürsten, der Taler prägen lässt und diese durch eigene Ausgaben in Umlauf bringt.

Die Banken geben lediglich Kredite, in denen sie sich verpflichten, dem Schuldner dieses "echte" Geld zur Verfügung zu stellen, welches sie sich also konsequenterweise irgendwoher besorgen müssen.

Es gibt also in einem solchen Geldsystem einen Unterschied zwischen dem physikalisch vorhandenen Geld und den Werten in den Büchern der Banken - das eine ist "echtes" Geld, das andere nur Ansprüche auf dieses Geld.

Der Trugschlus

Nun ist den meisten bewusst, dass unser heutiges Geld im Wesentlichen nicht mehr aus Geldmünzen besteht, sondern aus digitalen Beträgen.

Es wird also vorschnell eine Analogie angenommen: das Zentralbankgeld entspricht dem Gold der fürstlichen Münze und die Girokonton den Buchwerten in der Bilanz der Geschäftsbanken; es ist also alles beim alten, außer dass jetzt statt eines festen Stoffes eine digitale Information als Grundlage dient.

Dabei gibt es aber einen erheblichen Unterschied, der dazu führt, dass unser Geldsystem ganz anders aufgebaut ist und ohne "Münze" auskommt, nämlich die Tatsache, dass JEGLICHES Geld nichts weiter als eine FORDERUNG auf anderes Geld ist (selbst das Zentralbankgeld).

Der Unterschied

Als der Fürst Münzen schlagen liess, ERZEUGTE er damit einen Wertgegenstand (Aktivum), den er in der Folge gegen Waren und Dienstleistungen eintauschen liess. Die Ausgabe dieser Münzen verpflichteten ihn zu GAR NICHTS mehr, mit dem Austausch war er von jeglicher Verbindlichkeit frei.

Beim Zentralbankgeld verhält es sich anders; das Zentralbankgeld - als Sichtguthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank - ist eine VERBINDLICHKEIT der Zentralbank gegenüber der Geschäftsbank auf Auszahlung von Zentralbankgeld, z.B. in der Form von Banknoten.

Man könnte also unterstellen, dass demnach Banknoten das Substitut für die Goldmünzen wären, aber weit gefehlt; während die Übertragung der Goldmünze tatsächlich den Emittenten von jeglicher weiteren Verpflichtung befreit, stellt auch die Banknote lediglich eine weitere FORDERUNG gegen die Zentralbank dar.

Die Sichteinlage bei der Zentralbank stellt also aus Sicht des Halters eine FORDERUNG gegen die Zentralbank dar, und zwar auf Auszahlung einer Banknote, die aber ihrerseits nichts weiter als eine FORDERUNG des Halters gegenüber der Zentralbank ist.

Im Gegensatz zur geschlagenen Münze des Landesfürsten kann sich die Zentralbank also mit der Ausgabe von Banknoten nicht "freikaufen".

Bilanziell kann man das so ausdrücken:

  • Wenn der Landesfürst Münzen schlagen ließ, erzeugt er damit ein Aktivum (Vermögensgegenstand), den er dann gegen ein anderes handelte (Aktivtausch).
  • Wenn die Zentralbank Geld erzeugt, indem sie typischerweise Kredite vergibt, entsteht eine Sichteinlage auf der Passivseite (Verbindlichkeit); wird diese in Form von Banknoten ausgezahlt, dann verwandelt sich lediglich die Dokumentation dieser Verbindlichkeit (Passivtausch).

Es hat also durch den Übergang von "Hartgeld" zu "Buchgeld" nicht nur eine Substitution stattgefunden, sondern es hat sich qualitativ etwas geändert:

Zentralbankgeld bleibt ein Anspruch gegen die Zentralbank, egal in welcher Form; sie kann sich nicht von ihrer Verbindlichkeit befreien - anderseits muss sie auch nie etwas anderes herausgeben als Zentralbankgeld.

Dieser letzte Umstand ist für viele Menschen schwer zu akzeptieren. Zentralbankgeld ist KEIN Wertgegenstand, sondern bleibt immer nur eine Forderung (auf Zentralbankgeld, und nichts anderes).

Je nach emotionaler Ausstattung kann man nun sagen, dass es eine Forderung auf eine Forderung auf eine Forderung, etc. ist, oder man blickt den Tatsachen ins Gesicht, dass es zwar formaljuristisch eine Forderung ist, aber faktisch ist es einfach eine Forderung auf "Nichts".

Man kann mit Zentralbankgeld nichts anderes fordern außer Zentralbankgeld.

Das ist ungefähr so, als wenn man von einem Kaufhaus einen Geschenkgutschein erhält, den man jederzeit in einen anderen Geschenkgutschein einlösen kann; die meisten Menschen würden das wohl als reine Verarschung empfinden und diesen Gutschein (obwohl er einen legalen Anspruch darstellt) als wertlos bezeichnen - bei Geld ist das erstaunlicherweise anders, vermutlich aus Unkenntnis der realen Verhältnisse.

Wozu Zentralbankgeld?

Es wird nun angenommen, dass sich im Geschäftsverkehr die Teilnehmer auf einen Wertmaßstab einigen müssen, um miteinander Handel treiben zu können, und man nimmt also an, dass es sich bei Zentralbankgeld um einen solchen Wertmaßstab handeln würde - ähnlich wie die Goldmünze ein "Referenzgut" war.

Folgt man dieser Logik, scheint es so zu sein, dass es unabdingbar ist, dass eine Institution dieses Referenzgut zur Verfügung stellt und kontrolliert, und dieses zur Verrechnung gegenseitiger Verbindlichkeiten verwendet wird.

Dies kann zwar auch so erfolgen, dass lediglich Forderungen auf dieses Gut erstellt und gehandelt werden - ohne dass das Gut selbst bewegt würde - aber in irgendeiner Weise führt die theoretische Einlöseverpflichtung zu einer Begrenzung der Forderungserstellung und letztlich wird so sichergestellt, dass hinter den Forderungen - wie verschachtelt sie auch sein mögen - am Ende ein konkreter "Vermögensgegenstand" steht.

Wie ist das aber nun in unserem System zu beurteilen?

  • Zentralbankgeld ist eine Forderung auf Zentralbankgeld (siehe oben)
  • Geschäftsbankengeld (Giralgeld) ist eine Forderung auf Zentralbankgeld

Es ist also beides DAS SELBE - und dieses muss man verstehen: Giralgeld IST Geld ebenso wie Zentralbankgeld Geld ist.

Wenn es erlaubt wäre, würde es faktisch und praktisch keinen Unterschied machen, ob ich als Kunde mein Konto bei der Zentralbank habe oder bei einer Geschäftsbank - ich halte ein Sichtguthaben, das mich zum Bezug von Zentralbankgeld berechtigt.

Der einzige Unterschied besteht in der Tatsache, dass ich als Kunde der Zentralbank mit der Gutschrift auf mein Konto bereits Zentralbankgeld erhalten habe, während es mir bei der Geschäftsbank nur in Form von Bargeld ausgehändigt werden kann. Andererseits kann mir auch die Zentralbank einen Betrag nur in Form von Bargeld aushändigen - die Zentralbank ist also faktisch eine Bank wie jede andere auch.

Nun wird eingewendet, dass der Unterschied der Umstand wäre, dass die Zentralbank im Gegensatz zur Geschäftsbank nicht illiquide werden kann, weil sie durch Gutschrift Zentralbankgeld in beliebiger Höhe erzeugen kann, während die Geschäftsbank sich dieses Zentralbankgeld erst besorgen muss; dieses soll ein unbeschränktes "Gelddrucken" der Geschäftsbanken verhindern.

Dieses ist aber letztlich nicht SYSTEMATISCH zwingend, sondern nur darauf zurückzuführen, dass es derzeit gesetzlich so geregelt ist. Eine rein willentliche Entscheidung - es ginge auch anders. Anstatt nur EINER Institution dieses Privileg einzuräumen, könnte man es auch mehreren einräumen (ist bspw. beim EZBS in Form der NZB der Fall), oder eben auch allen. Das Gegenargument ist die Annahme, das in diesem Fall, die Geldmenge außer Kontrolle geriete.

Faktisch hat aber die EZB verlautbart, dass sie auf unabsehbare Zeit JEDEN Zentralbankgeldbedarf der Geschäftsbanken bedienen wird, damit ist aber die gesetzliche Intention ad absurdum geführt worden.

Faktisch kann jetzt jede Geschäftsbank nach Belieben "Geld drucken"; sei es, indem sie Kredite vergibt und die entsprechenden Forderungen in Pension gibt, oder gar "Finanzprodukte" erzeugt, die sie dann an die Zentralbank verkauft, und sich damit von jeglicher Rückzahlungsverpflichtung frei macht.

Die Tatsache, dass sich Geschäftsbanken für die Abwicklung ihrer Geschäfte Zentralbankgeld besorgen müssen, erzeugt also unter diesen Umständen keinen Zwang und Kontrollmöglichkeit mehr - genau so gut könnte man den Geschäftsbanken erlauben, auch einfach so Zahlungsverpflichtungen einzugehen - sprich: Giralgeld zu erzeugen.

Die empirische Beobachtung ist: Es funktioniert trotzdem!

Schlussfolgerung

In der gegenwärtigen Situation erzeugen die Geschäftsbanken Giralgeld nach freiem Willen in beliebiger Höhe und sind nicht darauf angewiesen, in irgendeiner Form Zentralbankgeld vorzuhalten. Wenn sie welches zu Verrechnungszwecken brauchen, kriegen sie es.

In einer solchen Situation muss man sich fragen, welche essentielle Funktion die Zentralbank überhaupt noch hat.

Letztlich ist sie nur noch eine Verrechnungsstelle des Bankensektors, in denen die Banken ihre gegenseitigen Verpflichtungen über ihre Konten bei der Zentralbank abwickeln.

Dieses könnten sie aber theoretisch auch außerhalb der Zentralbank bei jeder anderen Institution tun, oder indem sie gegenseitig Konten bei ihren Handelspartnern halten und die Verrechnung dort stattfindet. Das Vorhandensein der Zentralbank ist also aus diesem Grund kein systematischer Zwang, sondern einfach Konvention. Jedes andere Clearingsystem könnte den selben Zweck erfüllen.

Letztlich bleibt also einzig und allein die Funktion der (unbeschränkten) Quelle für Zentralbankgeld - i.S.v. Sichtguthaben bei der Zentralbank.

Nur weil Geschäftsbanken GEZWUNGEN werden, bei einer Bank namens "Zentralbank" ein Konto unterhalten zu müssen, gibt es überhaupt einen Bestand an Zentralbankgeld - wirklich benötigt wird es nicht. Banken könnten auch jede andere beliebige Referenz zur Verrechnung verwenden und es würde ebenso funktionieren.

In vielen ärmeren Ländern, werden bspw. bedeutende Geschäfte ausschliesslich in "Devisen" abgewickelt, weil man (irrigerweise) unterstellt, dass diese werthaltiger wären als die heimische Währung - das eigene Zentralbankgeld ist also komplett bedeutungslos und dennoch funktioniert es, obwohl der Handel selbst über ganz andere Kanäle als den Zentralbankkonten der beteiligten Geschäftsbanken abgewickelt wird.

FAZIT

  • Zentralbankgeld ist genauso wenig werthaltig, wie jede andere Geldform; es ist folglich lediglich eine Referenz
  • Im Geschäftsverkehr kann auch jede andere Referenz etabliert werden, ohne dass es hierzu einer Zentralbank bedarf
  • Faktisch kontrolliert die Zentralbank die Geldmenge nicht mehr, dies sollte aber theoretisch ihr Auftrag sein, trotzdem funktioniert es - dies zeigt anschaulich, dass diese Funktion de facto nicht benötigt wird
  • Die Abwicklung der Bankengeschäfte findet sowohl innerhalb als auch außerhalb der Zentralbank statt, theoretisch könnte dies auch vollständig außerhalb der Zentralbank in anderen Clearingsystemen stattfinden
  • Es gibt keinen SYSTEMATISCHEN Zwang eine Zentralbank unterhalten zu müssen; dass es getan wird, ist einerseits gesetzlicher Zwang, andererseits Konvention.