AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaSparenInvestitionen

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80px|Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist die Mehrheits-Meinung in der AG, die durch eine Abstimmung beschlossen wurde. Wer Anmerkungen/Fragen hat, schreibt diese bitte auf die Vorlage:Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Sparen und Investitionen

In der Öffentlichkeit ist die Meinung weit verbreitet, dass Banken Ersparnisse einsammeln, um das Geld anschließend für Investitionen weiterverteilen zu können. Diese These basiert maßgeblich darauf, dass fälschlicherweise angenommen wird, in unserem System sei die Geldmenge von außen festgelegt (exogen). Vielmehr reguliert sie sich aber endogen, indem Geld bei Kreditvergabe von Banken an Nichtbanken entsteht und bei einer Tilgung vergeht. Aber warum nun sollten Banken nur Ersparnisse weiterverleihen, wenn das Geld einfach neu entstehen kann? Richtig, sie tun es nicht. Ersparnisse werden nicht für Investitionen verwendet.

Die sachlich nicht haltbare Theorie steht im Kern der "intellektuellen", aber falschen Rationalisierung von Kürzungspolitik. Diese beruht auf dem Glauben daran, dass sich Sparen über irgendwelche makroökonomischen Transmissionsmechanismen stark positiv auf Investitionen auswirkt.
In Wirklichkeit ist die Kausalität aber umgekehrt: Investitionen wirken sich tendenziell positiv auf Einkommen und Profite und deswegen auch tendenziell positiv auf Sparen aus (diese Einsicht geht wesentlich auf M. Kalecki zurück, siehe z.B. hier). Auf der anderen Seite sorgt ein makroökonomischer Transmissionsmechanismus dafür, dass sich Sparen tendenziell negativ auf Investitionen auswirkt.

Natürlich sind alle diese Kausalitäten nur Tendenzen, die situationsabhängig stärker oder schwächer ausfallen können.

Der üblichen Denkweise nach bewirke ein Sparen von Frau X und Herrn Y von nebenan, dass der Bank zusätzliches Geldkapital zur Verfügung steht, mit dem sie "arbeiten" kann und muss, um die Guthabenzinsen der beiden Sparer zu erwirtschaften. Erst dieses Geld ermögliche der Bank, einen Kredit an den Unternehmer Z zu geben. Es ist unmittelbar klar, dass diese Argumentation in sich zusammenbricht, wenn man Geldschöpfung bei Kreditvergabe anerkennt.


Kredit und Zins

Wir sehen also, dass in Banken durch Kreditvergabe Geld entsteht und deshalb keine eingesammlten Ersparnisse nötig sind, um Kredite für Investitionen vergeben zu können. Allerdings beobachten wir, dass Banken nicht nur Anlagemöglichkeiten für Ersparnisse anbieten, sondern dafür auch noch (Guthaben-)Zinsen bezahlen. Wie passt das zusammen?

Banken haben aus verschiedenen Gründen ein Interesse daran, dass ihre Kunden das gesparte Geld auf den Konten belassen. Überweist ein Kunde nämlich Geld auf ein Girokonto einer anderen Bank, so hat dies nach den Regeln des Zahlungsausgleichs zwischen Banken einen Abfluss von Zentralbankgeld für die Bank zur Folge (Mittelfristig wird dies i.d.R. zunächst über den Interbankenmarkt geregelt). Unterschreitet die Bank dadurch die Mindestreserve, muss sie sich refinanzieren, d.h. das abgeflossene Zentralbankgeld wieder neu besorgen. Zusätzlich wird durch Sparen de facto Geld der Realwirtschaft entzogen und "stillgelegt". Dadurch entsteht erhöhter Kreditbedarf, der für die Bank die Möglichkeit lukrativer Kreditvergabe erhöht.

Also führt nun das Sparen von Frau X und Herrn Y von nebenan dazu, dass ein Unternehmen irgendwo anders im Lande sich dazu entschließt, einen Investitionskredit aufzunehmen und diesen von einer Bank auch zugestanden bekommt? Sicherlich nicht direkt.

Aber es gibt einen indirekten Transmissionsmechanismus, der prinzipiell funktionieren könnte. Wenn mehr Menschen sparen wollen, so die Überlegung, dann sinkt der Refinanzierungsdruck für Banken, weshalb diese weniger Guthabenzinsen zahlen müssen. Das könnte zu einem Wettbewerb zwischen Banken führen, der auch den verlangten Kreditzins senkt. Die niedrigeren Kreditzinsen könnten Menschen dazu ermutigen, Investitionen zu tätigen.

Dieser Mechanismus ist zunächst plausibel. Die Frage ist, wie stark er wirkt. Dazu muss man sich bewusst sein, dass die Zentralbank Kredite zur Refinanzierung praktisch nie ablehnt. Das allgemeine Refinanzierungsniveau steuert die Zentralbank über den Zinssatz für kurzfristige Kredite ("Leitzins", derzeit bei 0,75%, Stand März 2013). Banken können diesen Weg also ausgiebig nutzen und die Kosten einer solchen Refinanzierung sind oft sogar geringer als die Kosten, die der Bank durch die Gewährung von Guthabenzinsen entstehen. Der Einfluss einer erhöhten Sparneigung auf den Kreditzinssatz ist also ohnehin sehr klein. Und wie groß ist der Einfluss von Zinsen auf Investitionsentscheidungen überhaupt? Wird ein Prozentpunkt Unterschied in Kreditzinsen nicht sowieso von Faktoren wie dem unternehmerischen Risiko, oder dem Risiko, dass der Zinssatz in Zukunft wieder steigt, dominiert? Letztlich geht ohnehin jede Investition primär vom Kreditnehmer, also etwa einem Unternehmer, aus. Es ist also ratsam, den Blick verstärkt auf die gegenüberliegende Seite zu richten.


Die Nachfrageseite

Damit die Zinsen bei unveränderter Geldpolitik durch Sparen spürbar sinken können, müssen viele Menschen ihr Ausgabeverhalten deutlich ändern. Konkret müssen sie ihre Ausgabegeschwindigkeit (gemessen in Euro pro Tag oder Monat) deutlich reduzieren. Das bedeutet aber, dass Verkäufer deutlich geringere Einnahmeströme sehen. In der Folge werden sich Unternehmen die Frage stellen, ob sich Investitionen überhaupt noch lohnen, wenn weniger verkauft werden kann - und Familien werden sich die Frage stellen, ob in Zeiten großer Unsicherheit am Arbeitsmarkt ein Hausbau wirklich das Richtige ist. Das ist der makroökonomische Transmissionsmechanismus, über den Sparen dazu führt, dass weniger investiert wird.

Die eigentliche Frage, die beantwortet werden muss, ist daher: Welcher der beiden Mechanismen ist stärker? Zumindest in der heutigen Zeit, in der das Zinsniveau sowieso schon extrem niedrig ist und Investitionen begünstigen sollte, aber Investitionen angesichts niedriger Nachfrage trotzdem schwächeln, hat die Frage doch recht rhetorischen Charakter.


Fazit

Makroökonomisch ist eine dauerhaft positive Sparquote schädlich. In der Regel, und ganz besonders in der aktuellen Situation, beschränkt das Geldsystem die Möglichkeit der Kreditvergabe nur wenig, während der durch die Sparquote ausbleibende Konsum die Konjunktur drückt und somit die Investitionsbereitschaft spürbar vermindert. Ungeachtet dessen gilt:

  • Wer "spart", um persönlich in das eigene Unternehmen oder den eigenen Hausbau zu investieren, der spart nicht im makroökonomischen Sinne. Deswegen trifft das Fazit auf diesen Fall nicht zu.
  • Ersparnisse können ökonomische Sicherheit und Freiheit ermöglichen. Von daher kann Sparen aus der persönlichen Perspektive auch dann sinnvoll sein, wenn man keine konkrete Investition plant.
  • Deswegen sollte der Staat eine Wirtschaftspolitik verfolgen, die jedem Menschen das Sparen in angemessenem Umfang ermöglicht, aber gleichzeitig die dadurch potentiell entstehenden makroökonomischen Schäden vermeidet.