AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaRegulierungVonFinanzprodukten

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80px|Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Arbeitskreis Finanzmarktregulierung (Ansprechpartner Jens, Hetti, AMT) vertreten wird und spiegelt (bis jetzt) nur die Meinung einiger Mitglieder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/ Fragen hat, schreibt diese bitte auf die Vorlage:Diskussionsseite zu diesem Artikel.


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Regulierung von Finanzprodukten

Antrag für das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013

1. Präambel

Wir Piraten wollen Banken und das gesamte Finanzsystem so anpassen und regulieren, dass es den Menschen und der Realwirtschaft dient. Ein nachhaltiges Finanzsystem erfordert konsequente Regulierungsrichtlinien. Banken, die in Schieflage geraten, müssen abgewickelt werden können, ohne dabei eine Systemkrise hervorzurufen. Die Widerstandsfähigkeit im Finanzsektor muss erhöht werden.

Aufbauend auf den derzeitig bestehenden Bankenregulierungsvorschriften sehen wir als Piraten in folgenden Punkten Änderungsbedarf:


2. Alle Banken und ähnliche Institutionen müssen sowohl Sanierungs- als auch Abwicklungspläne vorlegen

2.1: Schieflagen, Insolvenzen und Abwicklungen von Banken dürfen nicht zu Lasten des Steuerzahlers gehen.

Wir Piraten fordern, dass gesunde Banken Sanierungspläne mit klaren Anweisungen für das Management im Fall einer Schieflage erstellen. Aus dem Sanierungsplan muss sich auch ergeben, wie das Institut im Fall einer Schieflage wieder wettbewerbsfähig werden und aus eigener Kraft einen Neustart schaffen will.

2.2: Insolvente oder illiquide Finanzinstitute sollen restrukturiert und abgewickelt werden können.

Bei einer Restrukturierung oder Abwicklung von Banken sollen zunächst die Eigentümer der Bank haften. Danach müssen auch die Gläubiger der Bank an den Verlusten beteiligt werden. Dies soll dadurch erfolgen, dass die Gläubiger neues Eigenkapital durch Schuldumwandlung bereitstellen, z.B. Tausch von Gläubiger-Forderungen in Unternehmensanteile.

Begründung:
In der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass Haftung für institutionelle Finanzmarktteilnehmer außer Kraft gesetzt war und ist (Too big to fail). Ohne Haftung für Misserfolg auf Märkten durch ein Unternehmen kann Marktwirtschaft nicht funktionieren. Dieser Grundsatz gilt besonders für institutionelle Finanzmarktteilnehmer. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass durch Ketten- und Ansteckungseffekte auch Banken mit „konservativem“ Geschäftsmodell in eine Schieflage geraten können, die sie ohne externe Hilfe nicht hätten bewältigen können.


3. In Deutschland ansässige oder tätige Finanzmarktteilnehmer müssen sich, einschließlich ihrer Niederlassungen im Ausland, und ihre Produkte auf jeden Fall der deutschen Regulierung unterwerfen und sich im Zweifel mehrfach regulieren lassen.

Begründung:
Finanzmarktteilnehmer sollen Regulierungen nicht ausweichen können. Um innerhalb der Industrie genügend Druck auf internationale Umsetzung der Regulierung zu erzeugen, müssen Finanzmarktteilnehmer ggf. Doppelregulierung hinnehmen: Beispielsweise löst jedes Bankgeschäft eine Pflicht für gewisse Hinterlegung von Kapital aus. Wir fordern, dass der inländische Marktteilnehmer - der Geschäfte mit einem Partner im Ausland tätigt, der nicht gemäß Maßnahme 2 bis 8 reguliert wird - verpflichtet wird, die Kapitalhinterlegung zu verdoppeln.


4. Schattenbanken müssen in die Finanzmarktregulierung einbezogen werden

Für alle Marktteilnehmer, deren Unternehmenszweck überwiegend das Kredit- oder Beteiligungsgeschäft ist (darunter Hedgefonds, ETFs, Private Equity Fonds, Zweckgesellschaften etc.), sollen vergleichbare Regulierungen wie heute bereits für Kreditinstitute gelten.
Dies soll ins Besondere Zulassung, Geschäftsleitereignung, Solvenz, Liquidität und Schließung sowie Auskunftspflichten betreffen. Alle bereits heute regulierten Unternehmen des Finanzsektors (Banken, Sparkassen und Versicherungen) sollen nur mit solchen Geschäftspartnern Geschäfte eingehen dürfen, die sich an vergleichbare Regeln wie für Kreditinstitute halten.

Begründung:
Der sogenannte Schattenbankensektor muss aufgelöst werden. Damit tragen wir nicht nur zu Finanzstabilität bei, sondern auch zu Wettbewerbsgleichheit und zu einem Mindestmaß an Transparenz in der Finanzindustrie. Um dies zu erreichen, setzen wir uns dafür ein, dass die Pflicht zur Regulierung nur noch durch den Tatbestand von „Finanzgeschäften“ im weitesten Sinne ausgelöst wird und nicht mehr, wie bisher, primär durch Eigenschaft als „Institut“ oder durch die Firma, z.B. „Bank“ oder „Sparkasse“. Wir Piraten stehen für Transparenz. Mit für Kreditinstitute bereits geltende, vergleichbare Auskunftspflicht bedeutet, dass alle Finanzmarktteilnehmer, nicht nur Banken, Informationen bereitstellen müssen. Zur Einschätzung von Risiken müssen Finanzmarktteilnehmer allerdings sensible geschäftspolitische Informationen bereitstellen. Daher sollen Finanzmarktteilnehmer weiterhin nur der Aufsicht berichten.


5. Bonuszahlungen von Bankmanagern sollen nur noch unter Rückzahlungsvorbehalt ausgezahlt werden

Leitende Mitarbeiter und Vorstände von Banken sollen bei Schieflage bis zur Höhe ihrer Boni belangt werden. Sämtliche Bonizahlungen sind unter Rückzahlungsvorbehalt zu leisten (Verjährung mindestens 10 Jahre).


6. Spekulationsrisiken durch Banken und Finanzinstitute sind zu minimieren, ins Besondere durch die folgenden Maßnahmen

6.1: Die Trennbankenregelung ist zu schwach.

Deswegen fordern wir, den Eigenhandel aller Finanzinstitute zu unterbinden, der im eigenen Namen und für eigene Rechnung erfolgt und nicht durch Kundengeschäft ausgelöst wird. Dies soll auf alle in Deutschland tätigen Banken, Versicherungen, Schattenbanken und Hedgefonds angewandt werden.

Der Eigenhandel aller Finanzinstitute soll stark eingeschränkt werden, also keine Trennbankenforderung in Banken mit und ohne Eigenhandelserlaubnis Eigenhandel von Finanzinstitutionen (ins Besondere Banken, Versicherungen, Schattenbanken, Hedgefonds), der im eigenen Namen und für eigene Rechnung erfolgt und nicht durch Kundengeschäft ausgelöst wird, soll untersagt werden.

Begründung:
Durch diese Forderung werden Trennbanken unnötig. Ins Besondere mit der Absicherungsvorschrift bei Derivatgeschäften und dem Verbot für Weiterverbriefungen. Finanzinstitutionen sollen alle Finanzmarktteilnehmer sein, die gewerblich im Auftrag anderer am Finanzmarkt aktiv werden. Eigenhandel beschreibt den kurzfristigen Handel zur Gewinnerzielung von Finanzinstitutionen. Tatsächlich besteht beim Eigenhandel ein erhebliches Risiko, (auch durch institutsinternen Missbrauch), untragbare Verluste für ein einzelnes Institut zu generieren. Verluste im Eigenhandel von Finanzinstitutionen gefährden die Solvenz der Finanzinstitutionen und können zu Systemkrisen führen. Deswegen muss der Eigenhandel untersagt werden. Dazu zählt auch die Unterbindung von Investitionen in Beteiligungen durch Finanzinstitutionen in andere Finanzinstitutionen, wenn dies allein zur Erzielung kurzfristiger Gewinne geschieht.

6.2: Finanzderivate dürfen nur noch zu ihrem ursprünglichen Zweck, der Risikoabsicherung, eingesetzt werden. Die Beweislast des Zwecks trägt in Zukunft das Finanzinstitut.

Finanzderivate dürfen nur in Zusammenhang mit einem definierten Grundgeschäft eingegangen werden. Konkret bedeutet dies, dass Wiederverbriefungen und der Handel mit Mehrfachverbriefungen verboten ist. Die Finanzinstitutionen müssen die Aufsichtsbehörden laufend über ihre Risiko- und Sicherungsstrategie mit Bezug zu Finanzderivaten informieren. Die Beweislast, dass es sich um ein Absicherungsgeschäft handelt, liegt bei den Finanzinstitutionen.

Begründung:
Finanzderivate können als (hoch-)spekulatives Mittel oder zur Sicherung eingesetzt werden. Bei Einsatz als Sicherungsinstrument verteilen Finanzderivate unter Finanzmarktteilnehmern Risiken um. Die Aufsichtsbehörden müssen die Risikoumverteilung durch Finanzderivate verfolgen können, damit sie bewerten können, ob einzelne Finanzmarktteilnehmer durch Finanzderivate zu viele Risiken auf sich nehmen. Spekulation soll unterbunden werden.

6.3: Um Risiken von Finanzinstituten transparent zu machen, dürfen Unternehmen des Finanzsektors Derivatehandel nur an Börsen durchführen.

Um Risiken von Finanzinstituten transparent zu machen, dürfen Unternehmen des Finanzsektors Derivate nur an Börsen durchführen. Unregistrierter außerbörslicher Handel mit Derivaten (OTC-Geschäfte) soll zwingend auf Börsen verlagert oder eingestellt werden. In Deutschland tätige Finanzinstitute dürfen Geschäfte auch im Ausland nur mit ausländischen Geschäftspartnern an Börsen eingehen.

Begründung:
Der Handel an Börsen trägt zur Standardisierung von Finanzprodukten bei. Dadurch werden Derivate in ihrer Struktur einfacher und damit ihre Risiken transparenter. Der Handel an Börsen soll ferner eine faire Bewertung von Finanzprodukten ermöglichen. Ins Besondere bei sogenannten Finanzinnovationen soll sich die Transparenz auf den Finanzmärkten so nachhaltig erhöhen, dass ALLEN Marktteilnehmern eine individuelle Bewertung von Risiken, zumindest nach Finanzproduktgattungen, möglich ist.

6.4: Neuartige Finanzprodukte müssen genehmigt werden.

Die Aufsichtsbehörden müssen jede einzelne Finanzinnovation prüfen und genehmigen, bevor sie gehandelt werden darf. Transparenz muss möglich werden und Risiken müssen nachvollziehbar sein.

Begründung:
Nur ein sehr kleiner Teil des Bankgeschäfts hat spekulativen Charakter. Viele Banken nutzen Geschäfte, die für sich genommen spekulativ sind, nicht zur Spekulation, sondern zur Absicherung. Daher ist es – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht zielführend, bestimmte Finanzprodukte zu verbieten. Die Intensität der Regulierung soll am Spekulationsgrad bestimmter Finanzprodukte ausgerichtet werden. Um dies sicherzustellen, muss die Aufsicht jede Finanzinnovation kennenlernen und ihren Risikogehalt einschätzen können. Daher – und nicht um Finanzinnovationen potentiell zu verbieten – sprechen wir uns für eine Genehmigungspflicht durch die Aufsicht aus.


7. Die Anforderung der Eigenkapitalausstattung von Banken und anderen Finanzinstituten ist zu erhöhen

Die Finanzkrise 2008 wurde durch unzureichende Liquidität und Kapitalausstattung im Banken- und Finanzsektor ausgelöst und beschleunigt. Daher soll die Widerstandsfähigkeit im Finanzsektor gestärkt werden: Das Reformpaket Basel III regelt, dass Banken erheblich mehr und besseres Eigenkapital sowie eine Liquiditätsreserve bereithalten müssen. Für Banken ist Eigenkapital der wesentliche Engpassfaktor bei der Entscheidung, ein Geschäft abzuschließen (oder nicht). Wir Piraten unterstützen daher die Zielsetzungen aus „Basel III“ für Kreditinstitute und fordern, dass diese Reform in seiner ursprünglichen Fassung ohne Abstriche umgesetzt wird.

7.1: Eigenkapital im Finanzsektor stärken

Wir treten für weiter erhöhtes Mindestkapital ein, d.h. Banken sollen nicht nur pauschal 3 % wie in Basel III vorgesehen, sondern mindestens 5% ihres Geschäfts mit Eigenkapital unterlegen. „Basel III“ soll vergleichbar auch für Versicherungen umgesetzt werden.

7.2: Liquiditätsreserve im Finanzsektor stärken

Anfang 2013 wurden die Anforderungen von Basel III an die Liquiditätsreserve für Banken erheblich verwässert. Durch diese Verwässerungen sind Kreditinstitute nun nicht mehr ausreichend gegen Liquiditätskrisen geschützt. Wir Piraten fordern, dass die ursprünglichen Regeln zur Liquiditätsreserve aus Basel III ohne Abstriche umgesetzt werden.

Begründung:
Aus Sicht der Finanzstabilität soll eine ausreichende Liquiditätsreserve Illiquidität auch in einer Krise zumindest zunächst verhindern. Eigenkapital gilt als wesentliche Voraussetzung, die es Finanzmarktteilnehmern ermöglichen soll, im Sinne einer individuellen Haftung für Schieflagen, diese selbst verkraften oder zumindest einen substantiellen Teil zur Bereinigung beitragen zu können. Durch die Reform der Eigenkapitalregeln (Basel III) werden Kapitalhöhe und Kapitalqualität von Kreditinstituten erheblich verbessert. Ins Besondere sind auch weiter erhöhte Kapitalanforderungen für die größten Kreditinstitute vorgesehen.


8. Die Finanztransaktionssteuer soll einheitlich 0,1% auf alle Aktien und Derivate betragen

Begründung:
Alleine die Handelsvolumina sind keine plausible Begründung für eine niedrigere Steuer bei Derivaten, da hohe Handelsvolumina keinen gesellschaftlichen Vorteil haben.


9. Die Möglichkeit zur Etablierung unabhängiger Ratingagenturen nutzen

Die Möglichkeit zur Etablierung eines unabhängigen Ratingportals, in dem Tatsachen und Algorithmen gesammelt werden, auf deren Basis jedermann sein eigenes Urteil fällen kann. (Arne will da noch was ausarbeiten)

Begründung:
Der Markt für Ratings ist verkrustet, er wird von drei Ratingagenturen beherrscht. Der Wissensvorsprung der etablierten Ratingagenturen erschwert den Eintritt neuer Wettbewerber am Markt. Ratings sind zudem interessengeleitet und nicht objektiv, wenn eine Ratingagentur bei der Konstruktion einer Finanzinnovation (Verbriefung) unterstützt und diese gleichzeitig bewertet. Daher soll die Macht der etablierten Ratingagenturen gebrochen werden, indem Ratings in der Wirtschafts- und Finanzwelt in Zukunft gegebenenfalls auch mit Unterstützung von Zentralbanken erstellt werden. Verpflichtende Regulierungen in Gesetzen und Verordnungen dürfen sich nur auf unabhängige Ratings beziehen. Die Ratingkriterien müssen in jedem Fall transparent gemacht werden.