AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaModernMonetaryTheory

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80px|Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Vorlage:Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Modern Monetary Theory

Die Modern Monetary Theory (MMT) ist keine geschlossene wirtschaftliche Theorie, welche einen neuen Entwurf für unsere Wirtschaft vorgibt, sondern sie versucht, unser aktuelles Geldsystem zutreffend zu beschreiben und daraus sinnvolle Handlungsanweisungen abzuleiten, um den wirtschaftlichen Problemen unserer Zeit zu begegnen.

Sie ist aus der akademischen Auseinandersetzung von Ökonomen verschiedener Schulen entstanden und ist ein Versuch, pragmatisch und unideologisch auf unser existierendes System zu schauen und sich dabei nicht von den Grundannahmen früherer Theorien blenden zu lassen, da diese systematisch die Tatsache unbeachtet lassen, dass wir mit Fiat-Geld hantieren, welches keine materielle Grundlage mehr hat und prinzipiell nicht beschränkt ist.

Dieser Umstand beseitigt gewisse Limitierungen, denen die früheren bspw. goldgedeckten Währungen unterworfen waren. Dennoch handeln wir heute in großen Teilen immer noch so als hätte es diesen Wechsel zu Fiat-Geld nie gegeben, und machen uns das Wirtschaften unnötig schwer, weil wir Zusammenhänge simulieren, die eigentlich keinen Bestand mehr haben.

Bill Mitchell ist einer der Vordenker dieses Ansatzes und hat die Kernthesen der MMT in einem Interview sehr gut zusammengefasst. Daher sollen die Grundzüge der MMT hier anhand dieses Interviews erläutert werden.


1. Keine Heilslehre

Das wichtigste Mißverständnis ist, daß die Moderne Geldtheorie (MMT) irgendwie ein Ideal oder eine neue Regelung, die eingeführt werden könnte, umreißen würde. Tatsache hingegen ist, daß MMT nur das System beschreibt, in dem die meisten Länder seit 1971 leben, als US-Präsident Richard Nixon die Konvertierbarkeit des Dollar in Gold aussetzte. Hierdurch wurde das System fester Wechselkurse aufgegeben, auf das sich alle Länder geeinigt hatten, d.h. ihre Währungen gegenüber dem Dollar festzusetzen, der wiederum im Preis gegen Gold fix war. Seit jenem Tag leben also die meisten von uns in einem sogenannten Fiat-Währungssystem [zu lat. fiat „es möge entstehen“, ist Konjunktiv des Präsens des Verbs fieri].

2. Geld hat keinen Wert

In einem Fiat-Währungssystem hat die Währung Legitimität auf Grund der Gesetzgebung. Die Regierung sagt uns: Dies ist die Währung und dann legalisiert sie sie als solche. Die Währung hat keinen inneren Wert. Was ihr Wert gibt, was uns motiviert, sie zu gebrauchen, ist die Tatsache, daß die Regierung vorschreibt, sie zu verwenden, daß alle steuerlichen Pflichten auf diese Währung lauten und in ihr bedient werden müssen. Wir haben keine Wahl.

3. Geld ist nicht limitiert

Das heißt die Nachfrage nach der Währung, die ansonsten nur wertlose Fetzen Papier wäre, ist bestimmt durch die Tatsache, daß alle steuerlichen Pflichten mit dieser Währung gelöscht werden müssen. Wenn man dies bedenkt, erkennt man sofort, daß die nationale Regierung das Monopol auf die Ausgabe dieser Währung hat. Das bedeutet, daß in einem solchen System die nationale Regierung nie zu wenig von dieser Währung haben kann, es kann ihr nie das Geld ausgehen.

4. Der Staat braucht keine Einnahmen

Unter dem sogenannten Bretton-Woods-System ... hatten die Regierungen beschränkte Einnahmequellen, weil die Zentralbank nur erlauben konnte, so viel Geld in den Wirtschaftskreislauf zu bringen, wie es dem von ihr gehaltenen Gold und somit dem Wert der Währung entsprach. Wenn die Regierung also mehr Geld ausgeben wollte, mußte sie dafür sorgen, daß sie Geld von einem der Wirtschaftssubjekte nahm, so daß die gesamte Geldmenge konstant blieb. In dieser Art von Geldsystem hatte die Regierung erst zu besteuern oder auszuleihen, um [dann] ausgeben zu können. Diese Art der Argumentation hat sich in das moderne Geldsystem eingeschlichen. Sie gilt jedoch nicht mehr, da wir Fiat-Währungen anstatt konvertierbarer Währungen verwenden.

Die erste grundlegende Einsicht von MMT ist also: Regierungen sind in ihren Ausgaben nicht durch die Notwendigkeit eingeschränkt, Einnahmen haben zu müssen.

5. Öffentliche Schulden sind privates Vermögen

In der Modernen Geldtheorie sehen wir die öffentliche Verschuldung als privaten Reichtum und die Zinszahlungen als privates Einkommen. Die Staatsverschuldung ist wirklich nur ein Ausdruck des angesammelten Haushaltsdefizits, das in der Vergangenheit ausgeführt wurde. Diese Defizite haben dem privaten Sektor finanzielle Vermögenswerte hinzugefügt, wodurch die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen befriedigt wird, die es uns ermöglicht, Einkommenszuwächse zu haben.

Das einzige Problem, das eine fortschrittliche Person mit der öffentlichen Verschuldung haben könnte, ist die Frage, wem die Schuldverschreibungen gehören, und ob daraus eine gerechte Verteilung des privaten Reichtums resultiert. Darüber ist eine Debatte zu führen. Aber es gibt keinen Grund, von der Höhe der Staatsverschuldung besessen zu sein.

6. Staatsanleihen sind Anlagen

Die Regierung kann immer den öffentlichen Schuldenstand begleichen. Ein Staat kann niemals Bankrott gehen. Öffentliche Schuldverschreibungen werden fraglos immer erfüllt. Es gibt kein Risiko. Weit wichtiger ist hingegen der Sachverhalt, daß diese öffentlichen Schulden, Firmen, privaten Haushalten und anderen in der Privatwirtschaft eine Möglichkeit bieten, ihren Reichtum in risikofreier Form zu parken.

[Die Situation in einer Währungsunion ist eine andere, wenn es keine gemeinsamen Anleihen gibt. Dann wird nämlich die gemeinsame Währung zu einer Fremdwährung für die einzelnen Mitgliedsländer, auf deren Staatsanleihen zu spekulieren sich lohnen kann...]

7. Die reale Wirtschaft zählt

Besondere Haushaltsergebnisse sollten nie ein politisches Ziel sein. Die Regierung sollte sich reale Ziele setzen. Damit meine ich Ziele, die zu einem nachhaltigem Wachstum bei Vollbeschäftigung beitragen.

8. Die Rolle des Staates

Warum wollen wir Regierungen? Wir wollen sie, weil sie unser Wohlbefinden verbessernde Dinge tun können, die uns als einzelne zu verwirklichen nicht möglich sind. In diesem Zusammenhang wird deutlich, daß die Politik ganz darauf achten sollte, daß es genügend Arbeitsplätze gibt, daß die Armut beseitigt wird, daß die Gesundheitsversorgung und das öffentliche Bildungssystem erstklassig sind, daß Menschen, die weniger wohlhabend sind, in die Lage versetzt werden, ihre Situation zu verbessern etc.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, sollten die Ausgaben- und die Steuerpolitik derart sein, daß die Gesamtausgaben in der Wirtschaft ausreichen, um die reale Produktion auf das Niveau zu heben, ab dem die Unternehmen die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte einstellen. Dies ist das Ziel und diesem Ziel muß die öffentliche Haushaltsführung dienen.

9. Keine Inflation

Damit ist nicht gesagt, daß Haushaltsdefizite überhaupt egal wären. Der entscheidende Punkt, den die ursprünglichen Entwickler der Modernen Geldtheorie anmerken würden – ich selbst oder Randall Wray oder Warren Mosler – ist aber der, daß das Risiko des Haushaltsdefizits nicht Insolvenz, sondern Inflation ist.

10. Der Staat kontrolliert die Geldmenge

Die Ausgabe der Währung ist die erste Handlung in einem Fiat-Geldsystem, die Besteuerung und die Kreditaufnahme sind nachfolgende Handlungen. In der Tat, die Regierung besteuert nur etwas, das sie bereits ausgegeben hat, und sie holt mittels Kreditaufnahme wieder das Geld zurück, das sie bereits ausgegeben hat.


Eine kleine Geldgeschichte

Als Veranschaulichung der Implikationen dieser Annahmen soll ein stark vereinfachtes Beispiel dienen:

Auf Pekunia leben König Kuno, Bäcker Bruno, Müller Max, Landwirt Lars, der Schmied Sören und der Gutsbesitzer Gustav mitsamt ihren Familien in einem Dorf. Außerdem lebt noch Arno der Arbeitslose auf der Insel, für dessen Arbeitskraft zur Zeit keine Verwendung besteht.

Die Wirtschaft ist einfach: Kuno lebt vom Geldverleihen, Bruno backt Brot, Max verkauft Mehl, Lars baut Getreide an, Sören schmiedet Werkzeug und Gustav verkauft Erz und Kohle. Arno tut nichts und kriegt Geld von König Kuno.

Entstehung von Fiat-Geld

Alle Bewohner müssen im Jahr Brot im Wert von 1 verbrauchen. Hierzu braucht Bruno Mehl im Wert von 4. Da er aber leider kein Geld hat, muss er es sich von Kuno leihen, der aber 5 zurück haben will. Kuno gibt ihm also 4 Scheine, auf die er je "1 Kuno" schreibt und sie mit seinem Siegel versieht. Beide unterschreiben einen Schuldschein zu 5.

Vernichtung von Fiatgeld

Was passiert nun im Laufe des Jahres:

1) Bruno leiht sich 4 von Kuno und kauft dafür Mehl bei Max

2) Max kauft für 3 Getreide bei Lars und für 1 Brot

3) Lars kauft für 2 Werkzeug bei Sören und für 1 Brot

4) Sören kauft für 1 Erz und Kohle bei Gustav und für 1 Brot

5) Gustav kauft für 1 Brot bei Bruno

6) Bruno tilgt mit der Einnahme 3 Kuno und 1 Kuno als Zins und

7) Kuno nimmt den Zins in Höhe von 1 und kauft damit Brot bei Bruno

8) Bruno tilgt damit den letzten Kuno

9) Alle Scheine sind wieder bei Kuno, der Schuldschein wird zerrissen.

Sozialleistungen und Steuern

Weiterhin erhielt Arno "1 Kuno", um sich auch Brot zu kaufen, was er auch tat.

Nun hat Bruno also insgesamt 6 Scheine eingenommen, 4 getilgt und 1 als Zins bezahlt. 1 Kuno liegt also noch bei ihm.

Würde es so weitergehen, bekäme Bruno jedes Jahr einen weiteren Schein und würde über die Jahre viel vermögender werden als alle anderen Inselbewohner.

Das Geld, das König Kuno also Arno gibt, landet am Ende bei Bruno. Dies erhöht systematisch die Anzahl der Geldscheine im Dorf und gleichzeitig auch die Ungleichverteilung der vorhandenen Geldscheine auf der Insel. Um dieses zu verhindern, erhebt Kuno eine Brotsteuer in Höhe von 1 Kuno, die Bruno jährlich abzuführen hat.

Wenn also die Steuern der Höhe nach den Sozialleistungen entsprechen, dann bleiben keine Scheine übrig und es kommt auch nicht zu einem Ansteigen der Geldmenge und der Ungleichverteilung des Geldes im Dorf.

Sparen

Entsprechen Kunos Einnahmen nicht seinen Ausgaben, muss die Differenz also zwingend bei irgendeinem Bürger auf Pekunia verbleiben. Im besten Fall verteilen sich die Scheine gleichmäßig, im ungünstigsten Fall landen alle bei einem, z.B. Bruno. Nun macht sich Bruno also Sorgen, was mit den Scheinen passiert, falls mal seine Bäckerei abbrennen sollte.

Er fragt also Kuno, ob er seine Scheine in seiner sicheren Burg lagern kann. Dem stimmt Kuno zu und stellt Bruno dafür einen Wechsel aus. Diesen kann er nun bequem in ein Tongefäß verschliessen und im Garten unter dem Apfelbaum vergraben. So hat Bruno die Sicherheit, dass er jederzeit sein Geld wiederbekommen kann und Kuno ist froh, weil auf diese Weise ebenfalls der Überschuss an Scheinen im Dorf ausgeglichen wurde.

Öffentliche Investitionen

Leider ändert sich auf Pekunia das Klima, was zu immer häufigeren Überflutungen führt, die die Ernte zerstören. Das ist schlimm, weil nämlich nur noch wenig Korn geerntet, wenig Mehl gemahlen, und wenig Brot gebacken werden kann. Schwere Zeiten!

Die Bürger von Pekunia setzen sich zusammen und überlegen, was sie tun können. Sie kommen zu dem Schluss, dass der Fluss, der unter normalen Umständen die Felder zuverlässig mit Wasser versorgt, eingedeicht werden muss, um Überflutungen zu verhindern. Das Dumme an dem Deich ist, dass er sehr teuer ist, und obwohl sich alle einig sind, dass es mehr als sinnvoll und notwenig wäre ihn zu bauen, sehen sie sich außerstande ihn zu bauen, denn sie haben dafür nicht genug Geld.

Austerität

Da kommen ein paar auf folgende Idee: wir backen einfach kleinere Brötchen, die kosten dann nur noch einen halben Kuno und den Rest investieren wir in den Deich. Das finden alle erst einmal logisch, aber es ist natürlich sehr bedauerlich, dass sie nun monatelang hungern werden müssen - aber was sein muss, muss wohl sein, ist halt gottgegeben. Tiefe Betrübnis macht sich breit angesichts dieser Aussicht.

Reales Wachstum

Es gibt jedoch einen Gegenvorschlag:

Wenn sich alle einig sind, dass der Deich sinnvoll ist und gebaut werden muss, dann kann doch das einzige Hindernis nicht sein, dass nur 5 Kunos zirkulieren!

Es gibt im Dorf doch Arno und andere junge Leute, die bereit sind an dem Teich zu bauen, und warum sollen jetzt alle auf Brötchen verzichten, nur weil diese plötzlich tätig werden und bezahlt werden müssen?

Was muss denn getan werden, um mehr Kunos in Umlauf zu bringen? Naja, König Kuno muss sich an seinen Schreibtisch setzen und auf ein paar Zettel "1 Kuno" schreiben, sein Siegel drunter setzen und das war's. Damit können Arno und die jungen Leute bezahlt und der Deich gebaut werden.

Sollen jetzt alle hungern und weitere Überflutungen ihrer Felder dulden, nur weil es an ein paar Zetteln fehlt? Ist das rational? Wieso? Mit welcher Begründung?

Aktive Geldpolitik

Wenn das der einzige Hinderungsgrund ist, um den Deich zu bauen, dann soll König Kuno doch diese Zettel einfach abzeichnen und in Umlauf bringen. Wenn der Deich gebaut ist, kann er sie ja einfach über Steuern wieder einziehen, in den Kamin werfen, und alles ist wieder beim alten - nur dass es keine Überflutungen mehr gibt.

Wenn es also erforderlich ist, kann König Kuno neues Geld in Umlauf geben, um sinnvolle Projekte zu realisieren und allen Arbeit zu geben, wird das Geld nicht mehr benötigt, kann er es über Steuern wieder einziehen und vernichten - einfach, weil er der König ist.

Autor: Patrik74


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