AG Geldordnung und Finanzpolitik/ThemaGeldpolitik

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80px|Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Vorlage:Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Populärerer Irrtum: Die Zentralbank und die Geldpolitik

Vorwort

Wenige Menschen fragen sich wahrscheinlich, warum es überhaupt eine Zentralbank gibt. Häufige Antworten werden wohl sein:

  1. Sie gibt das Geld heraus
  2. Sie steuert die Geldmenge
  3. Sie legt das Zinsniveau fest

Warum sie das überhaupt tun sollte, werden vermutlich die meisten Menschen so begründen:

  1. Irgendwer muss ja das Geld herausgeben
  2. Sie muss Inflation verhindern bzw. die Geldwertstabilität sicherstellen
  3. Über die Zinspolitik wird die Konjunktur gesteuert

Tatsächlich beruht diese Vorstellung auf einer grundlegend falschen Annahme über die Funktionsweise unseres Geldsystems. Die Wahrheit ist:

  1. Die Geldmenge wird fast ausschließlich durch Kreditvergabe bei den Geschäftsbanken geschöpft
  2. Es gibt keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation
  3. Das Zinsniveau der Zentralbank hat nur sehr begrenzten Einfluss auf die Investitionsentscheidungen und damit auf die Konjunktur

Geldmengensteuerung

All dieses ist in den vergangenen Jahren empirisch umfangreich untersucht worden, und selbst die Zentralbanken mussten einsehen, dass sie weder maßgeblichen Einfluss auf die Geldmenge haben, noch dass die Geldmenge wiederum entscheidend für das Preisniveau und damit die Inflationsrate ist.

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Im Gegensatz zur breiten Öffentlichkeit haben die Zentralbanken dieses bereits erkannt und haben es faktisch aufgegeben, die Geldmenge steuern zu wollen. Die FED hat aus diesem Grunde auch aufgehört die Geldmenge zu erfassen und zu veröffentlichen.

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Hinzu kommt, dass "die" Geldmenge ein höchst schwammiger Begriff ist, der sehr unterschiedlich interpretiert werden kann und wird:

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Der adäquate Geldmengenbegriff ist also das, was am besten zu den gesetzten Zielen und Annahmen passt. Zirkellogik. Will ich also nachweisen, dass eine bestimmte Aktion der Zentralbank einen bestimmten Effekt erzielen soll, definiere als Geldmenge genau die Untermenge, die am besten zur Prognose passt; dieses nennt man dann Core Money:

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Man könnte auch sagen: Wenn sich partout kein Zusammenhang finden lässt, dann filtert man eben alle Daten weg, die nicht passen, und schon hat man den Beweis für seine Theorie. Ohne Worte.

Während die EZB immer noch vorgibt, die Inflation über die Geldmenge M3 zu kontrollieren, erklärt die FED sie für schlicht irrelevant - womit sie mehr Einsichtsfähigkeit als die europäischen Institute zeigt - dies gilt im Besonderen Maße für die Bundesbank, die immer noch autistisch dem Mythos der Quanitätstheorie nachhängt:

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Diesen "empirischen Zusammenhang" gibt es schlicht nicht - insbesondere nicht für die Eurozone:

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Diese Studie bestätigt die Ergebnisse der vorherigen. In Zeiten "normaler" Inflationsraten gibt es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Preisentwicklung. Sie kommt zu dem Schluss, dass es allenfalls langfristig einen Zusammenhang geben könnte, allerdings mit sehr großen Unsicherheiten:

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Auf gut deutsch: Kaffeesatzleserei.

Steuerung des Zinsniveaus

Aufgrund dieser Tatsache haben sich die Zentralbanken weitestgehend auf die Beeinflussung des Zinsniveaus verlegt.

Auch hier herrscht die mittlerweile weltfremde Theorie vor, dass sich die Geschäftsbanken hauptsächlich bei den Zentralbanken refinanzieren würden, und diese also durch ihre Zinsniveau-Vorgaben maßgeblichen Einfluss auf die Marktzinsen und damit die Kreditvergabe hätten. Auch diese Vorstellung ist von der Realität längst überholt, aber nichts hält sich so hartnäckig wie früh erlernte Glaubenssätze.

Die Banken finanzieren sich mittlerweile weitestgehend gegenseitig über den sog. Interbankenmarkt und legen ihren Referenzzinssatz - z.B. den Libor oder Euribor - selbst fest. Die Folgen sind bekannt:

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Na so ein Zufall, hat wahrscheinlich jahrelang keiner gemerkt oder gewusst...

Dass den Zentralbanken aufgrund des wachsenden Interbankenmarktes die Kontrolle weitgehend entglitten ist, hat unlängst sogar Mario Draghi bestätigt:

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Nachdem also in der Vergangenheit die Zentralbanken schon eingeräumt haben, dass sie keinen Einfluss auf die Geldmenge haben und sich stattdessen auf die Beeinflussung der Zinsen verlegten, räumt nun Draghi ein, dass die Zentralbank auch keine Kontrolle über das für Investitionen maßgebliche langfristige Zinsniveau hat.

Dass dieses so ist, wird sogar offiziell von der EZB freimütig eingeräumt:

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Mehr nicht! Das war's! Wieso wird das nicht in aller Offenheit so kommuniziert? Vielleicht, weil Leute sonst auf die Idee kommen könnten: "Na, wenn das alles ist..."

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Also, LIBOR und EURIBOR - welch Realsatire (siehe oben).

Schlussfolgerung

Wer kontrolliert hier also wen? Wenn sich die Zentralbank den Interbankenzins als Zielgröße setzt, "die Märkte" diesen aber vorgeben, dann steuern indirekt die Märkte die Zentralbank und nicht umgekehrt. Wenn die Zentralbank bspw. als Ziel 0,5% vorgegeben hat und die Märkte den EURIBOR bei 0,6% festlegen, dann bedeutet das, dass die Zentralbank intervenieren muss, bspw. indem sie angebotene Titel zu höheren Preisen kauft. Es ist spieltheoretisch immer schlecht, wenn man in Bezug auf seine Reaktion festgelegt ist; man wird damit nur zum Spielball des Gegners - und genau DAS ist bei der Zentralbank der Fall!

Frage: Wenn eine Zentralbank - insbesondere in Zeiten von Krisen - weder Einfluss auf Geldmenge noch Zinsen hat, aber genau das ihr Instrumentarium sein soll, um das Preisniveau und die Konjunktur zu stabilisieren, wozu brauchen wir sie dann noch?

Antwort In erster Linie dient die Zentralbank als Potemkinsches Dorf. Solange man diese Institution aufrecht erhält, kann man den Bürgern weiter vorspielen, dass sie

  • das Geld schöpft,
  • die Geldmenge steuert und
  • das Zinsniveau festlegt.

Es wird also eine exogene Geldmengensteuerung wie zu Zeiten konvertibler Währungen vorgegaukelt, um so davon abzulenken, dass es faktisch die Geschäftsbanken sind, die heute all diese Macht in sich vereinigen.

Es ist leider eine Menge Fachwissen nötig, um dieses richtig zu stellen und daher ist diese Funktion von außerordentlicher Bedeutung. So lange die breite Öffentlichkeit an die Fassade glaubt, dass es am Ende die gute Zentralbank gibt, die alles richten kann und wird, können die Geschäftsbanken dahinter fast nach Belieben schalten und walten - und tun es auch.

Die einzigen effektiven Funktionen sind die des "Lender of last resort" (für die Banken) bzw. des Hauptfinanziers des Staates (in souveränen Staaten). Und selbst diese Funktion wird ihr im Falle der EZB sogar institutionell vorenthalten.

FAZIT: Die Zentralbank ist heute nichts weiter als ein Relikt aus dem Zeitalter konvertibler Währungen - eine Illusion. Faktisch kontrollieren heute "die Märkte" allein sowohl das Geld-/Kreditangebot als auch das Zinsniveau