AG Geldordnung und Finanzpolitik/Grillfeste/Kontra Vollgeldkritik

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Kontrapapier zur Vollgeldkritik

Im derzeitigen Eurosystem werden wertmäßig 99% aller Zahlungen der Nichtbanken mit Geld gemacht, das die Geschäftsbanken hergestellt und in den Verkehr gebracht haben.

Bargeld ist Vollgeld und ist das Geld, das die Zentralbank hergestellt und in den Verkehr gebracht hat.

Historisch betrachtet wäre ein Vollgeldsystem die logische Weiterentwicklung des heutigen fraktionalen Reservesystems. Durch eine Vollgeldreform wird das heutige Giralgeld (Forderung auf Vollgeld an eine private Bank) durch Giral-Vollgeld (Forderung an Zentralbank) ersetzt. Dieser Schritt ist äquivalent zur Geldreform Mitte des 19. Jahrhunderts: Damals wurden privaten Banknoten (Forderungen an private Banken) verboten und nur mehr staatliche Banknoten (Forderungen an die Zentralbank) zugelassen.

Weiterführende Links zu Fragen zur Problematik der Giralgeldschöpfung durch Geschäftsbanken und Was ist Geld?

Zum Auftakt hat Benedikt Weihmayr sein Paper in 5 Thesen zusammengefasst, auf die Arne Pfeilsticker wie folgt antwortet:

These 1: Geldmengensteuerung

Geldmengensteuerung ist herkömmlicher Zinssteuerung/inflation targeting nicht überlegen ---> Blasenbildung auf Vermögensmärkten muss anderweitig angegangen werden.

Kontra 1

Die These 1 ist kein Argument gegen ein Vollgeldsystem, sondern gegen unterschiedliche Ansätze der Geldpolitik.

In einem Vollgeldsystem kann die herkömmliche Zinssteuerung bzw. Inflationssteuerung genauso wie im derzeitigen System durchgeführt werden. Neben bei bemerkt wird auch im derzeitigen System die Geldpolitik der Zentralbanken grundsätzlich mit Vollgeld durchgeführt.

Die Geldmenge ist kein Selbstzweck, sondern immer nur Mittel zum Zweck und deshalb sollte die Geldpolitik sich an den geldpolitischen Zielen orientieren und dafür die geeigneten Mittel einsetzen.

Die Finanzkrise 2007/2008 und der damit verbunden Immobilienblase wurde durch die Geldpolitik der Geschäftsbanken verursacht. Die Geschäftsbanken haben die minderwertigen Immobilienkredite vergeben und die daraus abgeleiteten Derivate auf den Markt gebracht, die zur Finanzkrise geführt haben, und nicht die Zentralbank.

These 2: Bank Runs

Bezüglich Bank Runs bietet Vollgeld keinen Vorteil (S.901).

Vollgeld kann bei Bank Runs nur dann die innere Stabilität erhöhen, wenn Fristenkongruenz erhöht wird, dies erhöht aber dauerhaft das Zinsniveau.

Kontra 2

Bank Runs entstehen, wenn Bankkunden befürchten, dass sie ihre Einlagen bei der Bank ganz oder teilweise verlieren. Deshalb heben sie so viel wie möglich von ihren Einlagen ab, d.h. sie tauschen Geschäftsbankengeld in Vollgeld um.

Da in einem Vollgeldsystem im Gegensatz zum derzeitigen System alle Sichteinlagen bereits Vollgeld sind, müssen die Bankkunden ihre Sichteinlagen nicht mehr umtauschen; sie sind sogar bei einem Totalausfall der Geschäftsbank absolut sicher.

Ein Bank Run kann sich in einem Vollgeldsystem nur auf die mehr oder weniger terminlich gebundenen Spareinlagen der Nichtbanken beziehen. Das bedeutet, dass die betroffene Bank sehr viel mehr Zeit hat, ihre Ein- und Auszahlungen zu synchronisieren.

Auch in einem Vollgeldsystem können Banken zu Lasten ihrer Gläubiger zahlungsunfähig werden, aber Bank Runs werden systembedingt erheblich abgemildert und bezogen auf die Sichteinlagen unmöglich gemacht.

These 3: Schuldentilgung

Eine Schuldentilgung über eine Vollgeldreform bietet keinen Vorteil, denn Geldvermögen werden nicht aus dem Währungsraum entfernt. Der Zinsvorteil des Staates ist dann der Zinsnachteil des Privatsektors. Denn Einleger werden gezwungen Zentralbankgeld zinslos zu halten.

Kontra 3

Im Rahmen einer Vollgeldreform könnte der Geldschöpfungsgewinn einmalig realisiert werden. Dieser Geldschöpfungsgewinn könnte zu einer geldmengenneutralen Tilgung der Staatsschulden herangezogen werden.

Der realisierbare einmalige Geldschöfpungsgewinn liegt für Deutschland in einer Größenordnung von ca. 1 – 1,3 Billionen Euro. Hinzu kommt ein jährlicher Geldschöfpungsgewinn durch die Ausweitung der Geldmenge in einer Größenordnung von 40-50 Mrd Euro.

Die drastische Senkung der Staatsverschuldung zuzüglich des jährlichen Geldschöpfungsgewinns würde den Staatshaushalt erheblich entlasten. Mit dem gewonnen Spielraum könnten entweder notwendige Staatsausgaben getätigt und/oder alle Bürger steuerlich entlastet werden.

Der Zinsvorteil des Staates ist nicht der Zinsnachteil des Privatsektors, sondern der Zinsnachteil des Bankensektors und der Geldvermögenshalter.

These 4: Geldschöpfungsgewinn

Banken erwirtschaften keinen illegitimen Gewinn aufgrund von Geldschöpfung.

Kontra 4

Mit jeder Geldschöpfung ist ein Geldschöpfungsgewinn in Höhe des Nominalwertes abzüglich der Herstellungskosten verbunden. Dieser Geldschöpfungsgewinn kann entweder einmalig, oder dauerhaft über Zinsen realisiert werden.

Details siehe: Geldschöpfungsgewinn

Nach den Grundsätzen der Kosten- und Leistungsrechnung werden Erlöse im Verhältnis der Kosten weiter verrechnet. Da Giralgeld ein 0-Grenzkostenprodukt ist und die Gemeinkosten der Staat trägt, ist der Staat für die Allgemeinheit der legitime Empfänger des Geldschöpfungsgewinns.

Der Geldschöpfungsgewinn der Geschäftsbanken ist somit eine verdeckte Subvention des Staates an die Geschäftsbanken.

Wenn wie in der These behauptet Banken keine illegitime Gewinne durch die Geldschöpfung erwirtschaften, dann dürften sie bei einer Vollgeldumstellung auch keine illegitimen Verluste erleiden.

These 5: Wachstumszwang und Zinsnivau

Vollgeld löst keinen Wachstumszwang und verringert auch nicht das Zinsniveau, eher das Gegenteil.

Kontra 5

Weder ein Vollgeldsystem noch das derzeitige System lösen einen Wachstumszwang aus. Der vermeintliche und in der AG schon mehrfach diskutierte Wachstumszwang aufgrund der Zinsen lässt sich mathematisch widerlegen, weil die Zinszahlungen der Nichtbanken über Leistungsentgelte der Banken an Nichtbanken und die Dividentenzahlungen an die Nichtbanken zurück fliesen.

Jeder monetäre Vorteil, wie z.B. der Geldschöpfungsgewinn der Geschäftsbanken wird in Abhängigkeit der Wettbewerbsverhältnisse weiter gegeben.

Bei Vollständigem Wettbewerb müsste jeder Vorteil weiter gegeben werden. Bei schwachem Wettbewerb wird entsprechend wenige weiter gegeben zu Gunsten des Gewinns der Banken.

Für eine pauschale Subventionierung der Banken und deren Kunden gibt es weder eine politische Legitimation, noch einen vernünftigen wirtschaftlichen Grund.

Wenn eine Subventionierung geboten erscheint, dann soll sie transparent über die Staatshaushalte laufen.